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Böhmer lamentiert

Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer, der Regierungschef Sachsen-Anhalts, sieht in Ostdeutschland schwerwiegende Defizite in Bezug auf das Demokratieverständnis der Bürger. Aber anstatt die Verbesserung der sozialen Verhältnisse einzufordern, rügt er die Bürger. Ihnen müsse deutlich gemacht werden, "dass Demokratie mühsamer ist als Diktatur, aber dass Demokratie im Gegensatz zur Diktatur die Würde des einzelnen respektiert".

Dass die Würde des Menschen in erster Linie durch Arbeit etabliert wird, wie in der DDR geschehen, will Herr Böhmer nicht wahrhaben. Stattdessen klagt er, die DDR werde im Rückblick "von einer größeren Zahl von Leuten nostalgisch verklärt... Und Dinge, die damals anders, vielleicht auch freundlicher geregelt waren, erscheinen heute in einem rosaroten Schimmer". Immerhin gibt Böhmer „einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der hohen Arbeitslosigkeit und rechtsextremistischen Auswüchsen“ zu.

Einer Forsa-Umfrage für den "Stern" zufolge ist in Ostdeutschland eine Mehrheit von 51 Prozent der Bürger mit dem politischen System unzufrieden und sogar 79 Prozent sind unzufrieden mit dessen Funktionieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel indessen ruft die Bundesbürger zu mehr Selbstvertrauen und Zuversicht auf. In der Illustrierten "Bunte“ erklärte sie naiv-aufmunternd: "Nicht nur die mitreißenden, fröhlichen Feiern rund um die Fußball-Weltmeisterschaft machen uns im Umgang mit den Stärken und Schwächen unseres Landes entspannter und zugleich selbstbewusst. Auch an vielen anderen Stellen hat Deutschland sich zum Positiven verändert - noch nicht genug, aber spürbar." Derlei Gesundbeterei widriger Verhältnisse ist Ossis wohlvertraut.

Böhmer (CDU-Blockflöte) also rügt seine Bürger als Nostalgiker der „DDR-Diktatur“ und Merkel (ebenfalls CDU-Blockflöte) mahnt, doch endlich das „Positive“ im zusammengezimmerten Deutschland zu erkennen. Kein Wort davon, dass noch heute, rund zwanzig Jahre nach der Okkupation des Ostens, sowohl die sogenannten „Arbeitnehmer“ als auch die Rentner erheblich weniger Gehalt bezw. Rente bekommen als die Westdeutschen. Diese zynische Verhöhnung der Arbeit wie der Lebensleistung der ehemaligen DDR-Bürger (objektiv ihre kollektive Bestrafung für die Sünde, einst die kriegsschuldigen Kapitalisten zum Teufel gejagt zu haben) wird den heute unumschränkt Herrschenden nicht verziehen werden...

 

Berlin, 26.Dezember 2006