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Das Dilemma der
Linken
Hier ist zunächst nicht von einer
Partei die Rede, sondern von all den Bürgen hierzulande und weltweit, die sich
zur Auffassung durchgerungen haben, dass der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte
der Menschheit sein kann.
All diese Bürger stecken seit dem
schmählichen Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems, des ersten
historischen Versuchs, eine nichtkapitalistische Gesellschaftsordnung
auszuprobieren, in dem Dilemma, ihre Überlegungen hinsichtlich des Weges in
eine neue Gesellschaft überdenken zu müssen. Da der gescheiterte Versuch mit
dem Begriff Kommunismus belegt war, ist nicht nur der Versuch, sondern auch
alles, was einst Karl Marx und Friedrich Engels erörterten und vorschlugen,
nachhaltig diskreditiert. Nicht per se, aber durch die Wertungen, die die
nunmehr wieder weltweit herrschenden bürgerlichen Ideologen im Nachhinein
vornehmen. Kern ihrer antikommunistischen Ideologie ist die Diffamierung der
Diktatur des Proletariats, des Wesens einer sozialistischen Revolution, und
deren Gleichsetzung mit der Diktatur einer Partei.
Das freilich war Fakt: Mit Stalin
an der Spitze der Sowjetunion und der KPdSU mutierte die Diktatur des
Proletariats, unter Lenin verstanden und praktiziert als Demokratie des
werktätigen Volkes, zur Diktatur einer Partei, propagiert und praktiziert als
Machtinstrument einer politischen Elite.
Diese tragische Fehlentwicklung
nun aber als Beleg dafür auszugeben, dass die Geschichte der Menschheit künftig
ohne Revolution und ohne Diktatur auszukommen habe, ist reine, schlimme
idealistische Illusion. Nicht nur die aktuellen sozialen Entwicklungen in
arabischen Ländern beweisen das Gegenteil. Sie bestätigen einmal mehr, was seit
dem Wechsel von Demokratie und Tyrannis
in Griechenland immer wieder an sozialen Umbrüchen auf diese Erde zu beobachten
war und ist. Nein, ohne eine bestimmte Phase der Diktatur wird keine Revolution
auskommen, jedenfalls keine Bewegung, die diesen Namen zu Recht verdient. Alles
andere verkommt zur Revolte, zur Rebellion, in der vielleicht Regierende
ausgewechselt, aber soziale Umbrüche abgeblockt werden. Die arabische Welt
liefert die aktuellen Belege.
Leider schaffen es die Linken in
Deutschland (eingeschlossen die Partei, die sich keck „DIE LINKE“ nennt) nicht,
in die Offensive zu gehen und ihre dialektisch-materialistischen Positionen standhaft
zu vertreten. Nachdem Ko-Vorsitzende Gesine Lötzsch zur
Unzeit schon mal Wege zum Kommunismus ausprobieren wollte und damit eine
Luftnummer in die Welt setzte, versucht man, erst einmal möglichst artig zu
sein. Das hat groteske Folgen.
Vertreter der „LINKEN“ machen
zurzeit vor der herrschenden antikommunistischen Ideologie einen Kotau nach dem
anderen. Ihre jüngste Selbstkasteiung ist der Verrat des historischen Versuchs,
die DDR mit einer Mauer zu schützen. Welch erbärmliche „Linke“, die sich noch
heute immer wieder Asche aufs Haupt streuen, weil Leute umgekommen sind, die
nicht wahr haben wollten, dass die Grenze zwischen der DDR und der BRD zwei
verfeindete Weltsysteme trennte! (In der Regel beklagen diejenigen am lautesten
die „Opfer“ an der Mauer, die beharrlich schweigen, wenn in Deutschland immer
wieder aufrechte Bürger von Nazis umgebracht werden oder mal eben über hundert
unschuldige Afghanen in Kunduz auf Befehl eines deutschen Oberst ihr Leben
verlieren.) Was auch immer sich noch an dieser Grenze abspielte, sie diente dem
Schutz des ersten historischen Versuchs auf deutschem Boden, eine
antikapitalistische Gesellschaftsordnung aufzubauen. Und zwar unter widrigsten
Bedingungen, unter ständigem Beschuss des Klassenfeindes. Das ist die
historische Priorität, und wer das leugnet, verlässt marxistische,
dialektisch-materialistische Positionen, verrät im Übrigen auch all die
Genossinnen und Genossen, all die DDR-Bürger, die dieses neue Deutschland vor
den Nachfahren und Hütern faschistischen und faschistoiden Handelns bewahrt
wissen wollten. Was diese Nachfahren heute unter dem ideologischen Schutzwall
„Freiheit und Demokratie“ anrichten, kann jeder, der sich nicht kaufen lässt,
ohne Mühe sehen: Raub des Volkseigentums, Bestrafung der einstigen DDR-Bürger
mittels niedriger Löhne und Renten im
„Beitrittsgebiet“, aber „Busch-Zulage“ für die Kolonisatoren.
Als Folge des ideologischen
Dilemmas wird von fragwürdigen „Linken“ eine Position eingenommen, von der
aus -
wegen angeblich zutiefst demokratischer Gesinnung! - auch die Diktatur
des Proletariats über Bord geworfen wird. Das heißt, es wird die Illusion
genährt, der Kapitalismus könne mit parlamentarischen Wahlen überwunden werden.
Ob die jüngsten Versuche in Lateinamerika dafür sprechen, muss abgewartet
werden. Es wäre dies eine wahrhaft historisch neue Qualität gesellschaftlicher
Prozesse. Die Scharfmacher in den USA werden das zu verhindern wissen.
Fakt ist freilich auch, und auch
das kann man bei den Klassikern des Marxismus nachlesen, dass revolutionäre
Bewegungen ihre eigenen Gesetze haben und nicht verordnet werden können. Was
„Systemwechsel“ betrifft, sind die Deutschen vorläufig zur Genüge bedient. Das
scheinheilige freiheitlich-parlamentarische Spiel zur Bewahrung bürgerlicher
Ausbeutungsverhältnisse wird daher so lange anhalten, wie die Bourgeoisie
imstande ist, durch Ausplünderung anderer Völker (vor allem in Afrika,
einschließlich nun auch wieder Tunesien, Ägypten und wahrscheinlich Libyen) dem
eigenen Proletariat einen passablen Lebensstandard zu finanzieren…
Berlin, 17.August 2011