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Seine Erklärung zum Parteitag der PDS in Gera
Die Niederlagen der PDS bei der Bundestagswahl
und der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern wären reparabel und verkraftbar
gewesen, ihr Geraer Parteitag wohl kaum. Die Mehrheit der Delegierten und Gabi
Zimmer haben meines Erachtens mehrere strategische Fehler begangen:
1.Die so genannten Reformer in der PDS wurden
fallen gelassen, haben sich allerdings zerstritten auch fallen lassen. Sie
waren mehrheitsfähig und geduldet, so lange sie den Erfolg der PDS garantierten.
Nach den beiden Wahlniederlagen scheinen sie nicht mehr dieser Garant und damit
für die anderen verzichtbar geworden zu sein. Abgesehen davon, dass die so
genannten Reformer - mich eingeschlossen -tatsächlich Fehler begangen haben,
ist ihnen aber schon auf dem Parteitag in Münster im Jahr 2000 zum Teil ihre
politische Grundlage entzogen worden. Gabi Zimmer hat in Gera die Mitglieder
jener Strömungen und Plattformen gewonnen, die sie ohnehin nicht hätte
verlieren können, weil diese ohne die PDS bedeutungslos wären. Sie hat aber die
Unterstützung eines beachtlichen Teils der Akteure und Multiplikatoren in den
Ländern und Kommunen einschließlich ihrer Parlamentarier verloren.
2. |
Der Parteitag erinnerte sich, dass die PDS in der Zeit ihrer Ausgrenzung
erfolgreich war, sie dagegen mit ihrer gewachsenen Akzeptanz in der
Gesellschaft, in den Medien und im Parteiensystem nur schlecht umgehen konnte. Nun
hofft die Mehrheit der Delegierten, mit einer selbst gewählten Isolierung
(Motto: Keinen Frieden mit dieser Gesellschaft!) an alte Erfolge anknüpfen zu
können. Das jedoch ist ein Irrtum. Eine aufgezwungene Isolation erzeugt
Solidarität bei denen, die diese als ungerecht und ungerechtfertigt ansehen.
Eine selbst gewählte Isolation führt dagegen dazu, dass die Menschen sich
abwenden. Wer sich einigelt, will nicht mehr für andere wirken, sondern nur
sich selbst genügen.
3 |
. In Teilen der PDS werden Visionen und Pragmatismus
alternativ gesehen. Der Parteitag in Gera hat sich mehrheitlich für verschwommene
Visionen, für einige Prinzipien und gegen Pragmatismus entschieden. Auch das
muss zur allmählichen Bedeutungslosigkeit der Partei führen. Denn Visionen und
Pragmatismus gehören zusammen. Eine sozialistische Partei ohne Visionen ist
keine, spricht weder junge Leute noch Intellektuelle an, ist orientierungslos.
Eine Partei ohne Pragmatismus verzichtet darauf, für konkrete Alternativen in
der Gesellschaft zu streiten, in der die Menschen leben, in der sie glücklicher
oder unglücklicher werden können. Wer nicht pragmatisch sein will, der will an
der konkreten Lebenssituation von Menschen nichts verbessern, der erhebt sich
arrogant über deren Probleme, Leistungen, Erfahrungen und Gefühle, ist selbstbezogen.
Er wird jede Verschlechterung der Lebenssituation als Bestätigung für seine
Auffassung ansehen, ohne dagegen etwas unternommen zu haben. Diese Haltung ist
weder human noch sozialistisch. Manchmal kann man zwar einen Saal gewinnen aber
wichtige Teile der Gesellschaft gleichzeitig verlieren.
4 |
. Der Parteitag hätte berechtigt Kritik üben können
an den Verantwortlichen der PDS in den Landesregierungen in Mecklenburg-Vorpommern
und Berlin. Ihnen aber jede Solidarität zu verweigern, die Schwierigkeit ihrer
Aufgaben zu ignorieren und die Notwendigkeit des Sammelns von Erfahrungen zu
übersehen, ist nicht nur intellektuell unredlich, sondern muss dazu führen,
dass entweder die Regierungsbeteiligungen der PDS beendet werden oder aber ihre
Träger sich weitgehend von der Bundespartei und deren Vorstand abkapseln.
Letzteres bedeutete faktisch zwei Parteien in formal einer.
5. |
Der Parteitag hat keine wirkliche Führung gewählt. Aber keine Partei kommt ohne Führung aus. Das politische Niveau des neuen Vorstandes ist - von einigen Ausnahmen abgesehen - wenig überzeugend. Die so genannten Leistungsträger der Partei sind zu wenig vertreten. Eine solche Feststellung klingt arrogant, was mir Leid tut, aber wahr ist sie und ausgesprochen werden muss sie. Mit dieser intellektuellen und kulturellen Schwäche wird verbunden sein, dass linke Intellektuelle diese Partei noch weniger begleiten werden, auch nicht kritisch und fordernd. Eine Medienöffentlichkeit wird dieser Vorstand nur noch sehr eingeschränkt herstellen können. Bundesweit droht dieser Vorstand und damit die Partei in Vergessenheit zu geraten.
6. Die Wahlniederlagen
bei der Bundestagswahl und in Mecklenburg-Vorpommern sind schwerwiegend, sie
rechtfertigen aber nicht die Geringschätzung der 1,9 Millionen Menschen, die
die PDS gewählt haben. Für sie hatte der Parteitag in Gera kaum politische Angebote.
Immerhin haben die PDS im Osten 16,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler
gewählt. Im Vergleich: FDP und Grüne liegen jeweils deutlich unter 5 Prozent.
Das vorhandene Potenzial gering zu schätzen, ist ein weiterer Fehler dieses Parteitages
gewesen.
7. Politikangebote hat
es in Gera kaum gegeben. Weder in der Friedens-, geschweige denn in der
Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Gesundheits-, Bildungs-, Umwelt- oder Sozialpolitik.
Die möglichen Adressaten von PDS-Politik, die sozial Ausgegrenzten, die
Arbeitslosen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die kleinen und mittleren
Unternehmerinnen und Unternehmer, die Selbständigen, Freiberuflerinnen und
Freiberufler, die Jugendlichen, die Rentnerinnen und Rentner, die
Intellektuellen können sich durch diesen Parteitag nicht angesprochen fühlen.
Ostdeutsche Interessen zu vertreten bedeutet heute, selbstbewusst auf
Leistungen der Menschen in der DDR und in den letzten zwölf Jahren zu verweisen
und die Überwindung von Benachteiligungen einzufordern und nicht, sich selbst
klein zu machen und Wehleidigkeit auszustrahlen.
Für mich bleibt zu konstatieren: Der Parteitag
in Gera war der erste, bei dem ich als Delegierter regelmäßig in einer
Minderheitenposition geblieben wäre. Nur bleibe ich von einem überzeugt:
Deutschland braucht eine demokratischsozialistische Partei, die sich dem
Zeitgeist eines neoliberalen Turbokapitalismus entgegen stellt, die eine aktive
Friedenspolitik betreibt, die Freiheit und Gleichheit als Einheit ansieht, die
vernünftiges Wirtschaften anstrebt, die für ökologische Nachhaltigkeit
eintritt, die im oben genannten Sinne für eine deutsche Einheit in Gleichheit
eintritt und dabei auch das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen widerspiegelt
und die sich für ein Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit weltweit und in
Deutschland einsetzt.