12. März 2012
Ich will nicht länger ein Tabu sein - ich
kandidiere für DIE LINKE
Von Beate Klarsfeld
Als ich von der LINKEN für das Amt der
Bundespräsidentin vorgeschlagen wurde, war ich stolz. Ich bin Europäerin, lebe
in Frankreich. Keiner fragt mich dort, wie kannst du das nur tun. Für mich ist
diese Nominierung eine große Anerkennung meiner Lebensleistung. Zugleich ist es
für mich ein Akt der Verbundenheit mit der Partei DIE LINKE.
Die Bundesregierung versucht mich bis heute
gesellschaftlich zu isolieren und zu brandmarken. Das Gleiche tut sie
offensichtlich auch mit der LINKEN. Die Veröffentlichungen der Presse in den
vergangenen Tagen legen beredtes Zeugnis davon ab. Ich muss feststellen, dass
die Springer-Presse die gleichen politischen Gefechte gegen mich und mein
Anliegen führt wie vor 44 Jahren. Sie haben immer noch nicht aus der Geschichte
gelernt. Es ist doch absurd zu meinen, die LINKE würde mich
instrumentalisieren, ich ließe mich kaufen. Mein Ziel, letztlich meine
Lebensaufgabe bestand darin, Nazi-Verbrecher bis ans Ende der Welt zu jagen und
ihre Taten an die Öffentlichkeit zu bringen, um sie einer gerechten Strafe zu
überführen. Ich wurde dabei von den Regierungen der USA, Frankreichs, Israels
und der DDR unterstützt. Ich bedauere, dass die Bundesregierung dazu nicht den
Mut hatte. Ich wollte das Bild Deutschlands in der Welt, das durch die Anstiftung
des 2. Weltkrieges und den Holocaust geprägt war, durch mein eigenes
antifaschistisches Engagement korrigieren. Ich habe damit auch eine Brücke der
Völkerverständigung zwischen dem deutschen und jüdischen Volk geschlagen.
Gemeinsam mit unserer Organisation "Söhne und Töchter der deportierten
Juden Frankreichs" haben wir viel erreicht, zum Beispiel die Mörder der
jüdischen Familien vor Gericht zu stellen.
Doch die aktuellen Ereignisse um die braune
Terrorzelle in Deutschland aber auch die Nazi-Umtriebe in Europa zeigen, dass
der Antifaschismus noch längst nicht zum Allgemeingut, zum Grundverständnis der
Menschen geworden ist. Wir brauchen ein moralisches, ein soziales Europa, damit
wir friedlich und demokratisch zusammenleben können. Dieses Europa hätte eine
positive Ausstrahlung auf die ganze Welt. Nazis darf man weder in den Köpfen
noch auf den Straßen Platz einräumen. Am vergangenen Freitag, dem 9. März, traf
ich mich in Dresden mit Vertretern des Bündnisses Dresden nazifrei.
Mich hat sehr beeindruckt, dass trotz unterschiedlicher politischer Standorte,
das gemeinsame antifaschistische Ziel enorm viele Menschen vereint hat. Es ist
2012 zum dritten Mal nicht gelungen, dass die Neonazis Dresden belagern
konnten. Im nächsten Jahr werde ich nach Dresden kommen, um mit meinen Freunden
ein Zeichen zu setzen. Das habe ich versprochen.
Ich bin in den vergangenen Tagen sehr oft gefragt
worden: "Warum kandidieren Sie, warum tun Sie sich das an?" Meine
Kandidatur sei chancenlos, wird behauptet. Für mich lebt Demokratie von
Alternativen. Ich bin eine Alternative zur Kandidatur von Joachim Gauck. Er
gilt als ein Mann des Wortes. Ich bin eine Frau der Taten. Und ich denke, dass
meine Kandidatur eine Diskussion in der Bundesrepublik angefacht hat. Es geht
um die gemeinsame deutsche Geschichte, die der DDR und der BRD. Sie ist für die
Bundregierungen bislang immer noch ein Tabu. Auch deshalb ist meine Kandidatur
richtig und wichtig.