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Rund eineinhalb Jahrzehnte nach der Vereinigung
der beiden deutschen Staaten – sei der historische Vorgang nun Beitritt der DDR
geheißen, wie offiziell behauptet; oder Annektion genannt, wie real geschehen –
bestand die wahrhaft einzigartige Chance, ein Zeichen einkehrender deutscher
Vernunft und wahrer Brüderlichkeit zu setzen. Immerhin war der Palast der
Republik ohne ausländische Investitionen vom Volke redlich finanziert worden
und ist – obwohl von der herrschenden Polit-Kamarilla demoliert -
noch immer etliche Millionen Euro wert.
Aber die im Bundestag vertretenen Heroen des
Sieges über den Kommunismus – alles wahre Christen versteht sich!! – kennen
weder Gnade noch Einsicht. Die stockreaktionären Polit-Betonköpfe wollen ein
letztes, allerdings deutliches Wahrzeichen für den Versuch, in Deutschland eine
kapitalalternative, sozial gerechte Gesellschaft aufzubauen, endlich und
endgültig ausradieren.
Zu diesen Helden angeblich wahrer „deutscher Identität“
gehören in Berlin Klaus Uwe Benneter, Petra Merkel, Mechthilt Rawert, Ditmar
Staffelt und Wolfgang Thierse für die SPD, Monika Grütters, Peter Rzepka, Ingo
Schmitt, Kai Wegner und Karl-Georg Wellmann für die CDU sowie Hellmut
Königshaus und Markus Löning für die FDP.
Worin wohl besteht der Unterschied zwischen
faschistischer Bücherverbrennung und faschistoider Volkspalast-Zertrümmerung?
Literatur ließ sich erneuern. Ein Kulturgut wie der Palast der Republik nicht.
Es sei denn, man denkt an die Frauenkirche in Dresden. Sie wurde durch Bomben
des faschistischen Krieges zerstört. Wie übrigens auch das Stadtschloss in
Berlin - der Kommunist Walter Ulbricht hat nach 1945 nur die Ruinen wegräumen
lassen. Nun wollen die Heroen der Alleinvertretung das Symbol für deutschen
Militarismus wieder errichten. Allerdings haben sie vorerst kein Geld. Ob das
Volk ihnen dazu verhilft?
Dazu ein Leserbrief:
Meinen herzlichen
Glückwunsch dem Bundestag zur selbst entlarvenden Bekräftigung der
Entscheidung, den Palast der Republik trotz aller Widerstände nun doch abzureißen. Dieser Beschluss setzt dem 16-jährigen Vereinigungsprozess die Krone auf. Die
Symbolik dieser Entscheidung offenbart in aller Deutlichkeit den Inhalt und die Zielsetzung dieses Prozesses der deutschen Vereinigung als Kolonisierung und Abriss. Auch dass nach dem
Abriss eine leere Wiese mit einem Luftschloss
übrig bleibt ist an Symbolkraft nicht zu
überbieten. So mancher in aller Welt wird fragen, ob die Deutschen noch alle Tassen im Schrank haben.
Jürgen Günther, Berlin
Aus ND vom 21.Januar 2006