Die anhaltende Misere des deutschen Theaters hat zwei Ursachen:
Erstens die mangelnde Bereitschaft des Staates wie der Kommunen, genügend
Mittel für Theater bereit zu stellen. Diese Kunstfeindlichkeit führt vor allem in
den neuen Bundesländern zur Zerstörung einer in der DDR über Jahrzehnte
gewachsenen Theater-Struktur. Dabei kommt es zu grotesken Auswüchsen. Dass
Politiker zum Beispiel erwägen, das traditionsreiche Nationaltheater Weimar mit
dem städtischen Theater Erfurt zu fusionieren, zeigt erschreckende Ignoranz
gegenüber kulturellen Entwicklungen und mangelnde Bereitschaft, etwas für den
geistigen Wohlstand des Volkes zu tun. Alle Welt bestätigt den Deutschen, wie
mangelhaft ihr Bildungssystem ist, dass mithin vor allem junge Menschen in
ihren Lebensregionen von der Gesellschaft gute kulturelle Angebote bekommen
müssten.
Besonders beklagenswert ist die Lage in der Hauptstadt. Seit der Wende wurden Theater geschlossen (Schiller-Theater, Freie Volksbühne, Theater im Palast, Metropol-Theater) oder ihre Etats heruntergefahren. Nun droht dem Schlosspark- und dem Hansa-Theater die Schließung, obwohl beide Bühnen nachweisbar volksnahes Theater machen und nicht für elitäre Kreise Geld hinauswerfen. Wenn man bedenkt, dass vom rosaroten Berliner Senat Millionen Euro zum Beispiel für eine völlig überflüssige neue Straßenbahn-Linie durch die Leipziger Straße geplant werden, muss man ernsthaft fragen, welche Grundsätze die Regierenden bewegen.
Zweitens – und das ist fast noch gravierender - die geistige Heimat- und
Orientierungslosigkeit der Künstler wie der damit einhergehende Missstand, dass
zunehmend nicht Ausbildung und Handwerk das künstlerische Niveau bestimmen,
sondern die große Klappe. Besonders auffallend ist das im Opern-Betrieb, wo
Intendanten immer öfter unausgebildete Leute als Regisseure beschäftigen, die
eigentlich nicht die jeweilige Oper, sondern nur sich selbst und ihre
Frustrationen inszenieren.
Leider ist beklagenswerte Realität, dass die
deutsche Gesellschaft von einer im Grunde faschistoiden Grundströmung
beherrscht wird (siehe Umgang der Justiz, der Behörden und der Polizei mit den
Neonazis), aber eine Gegenströmung oder gar eine wirklich progressive neue
soziale Strömung nicht aufkommt, beziehungsweise diffamiert wird. Die
ideologischen Vorgänge um die Bildung des neuen Berliner Senats (klick hier) sind symptomatisch.
Das heißt, die Theatermacher empfangen keinerlei
progressive Impulse aus der Realität
- wie etwa Brecht und Piscator
in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts - , denen sie sich zu gesellen versuchen, sondern sie vereinzeln
und orientieren immer weniger auf soziale Prozesse. Sie glauben, neuerliche
Tiefenbohrungen in der menschlichen Seele (Beispiel „4.48 Psychose“ von Sarah
Kane), die dann auch noch so subjektivistisch wie möglich aufbereitet werden,
seien das Heil des Theaters.