zwischen der
Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands (SPD)
und der
Partei des Demokratischen Sozialismus
(PDS)
(Stand 7. Januar 2002, 18.00 Uhr)
(Klicken Sie das Kapitel an, auf das Sie
unmittelbar zugreifen wollen)
I. Präambel
(bitte anklicken)
II.Vereinbarung über die politische Zusammenarbeit
zwischen SPD und PDS
1.
Berlin-Pakt
2.
Fusion der Länder Berlin
und Brandenburg
3.
Berlin-Brandenburg
International
7.
Integration
8.
Volksentscheid und
bezirkliche Selbstverwaltung
10.
Schule
13.
Arbeit
14.
Soziales
15.
Gesundheit
16.
Frauenpolitik
17.
Stadtentwicklung
18.
Städtische Mobilität und
Verkehr
19.
Finanzen
20.
Modernisierung der
Verwaltung
(bitte
anklicken)
zwischen SPD und
PDS
1. Berlin-Pakt
Berlin ist seit 1999 Parlaments- und Regierungssitz. In enger
Abstimmung und Zusammenarbeit mit Verfassungsorganen des Bundes müssen in der
bevorstehenden Legislaturperiode die Arbeiten zur Herrichtung des Parlaments-
und Regierungsviertels zu einem Abschluss gebracht werden. Neben der Schaffung
der Infrastruktur für eine funktionierende Hauptstadt stellt die ständige
Gewährleistung der Sicherheit eine besondere Herausforderung dar. Berlin
erwartet, dass sich der Bund an den auf der Hauptstadtfunktion beruhenden
Sonderbelastungen des Landes angemessen beteiligt und auch zusätzlich Aufgaben
der gesamtstaatlichen Repräsentation, z. B. im Bereich der Kultur, übernimmt
oder hierzu finanzielle Unterstützung gewährt.
Zusätzlich muss über einen Ausgleich teilungsbedingter
Altlasten (z. B. Kosten der Wohnungsbaufinanzierung, überproportionale
Versorgungslasten, alte Bundesdarlehen) verhandelt werden.
Berlin wird unverzüglich Gespräche mit dem Bund aufnehmen,
um die bestehenden Regelungen zur Hauptstadtfinanzierung nachhaltig zu
verbessern. Dabei geht die Koalition davon aus, dass sich Berlin am Rande einer
Haushaltsnotlage befindet.
Sollten die Verhandlungen scheitern, behält sich der Senat
vor, zu prüfen, ob und wann die Voraussetzungen für Art. 107 Abs. 2 des
Grundgesetzes vorliegen und ggf. das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
Nach dem unlängst in Kraft getretenen Maßstäbegesetz setzen
Hilfen des Bundes zur Haushaltssanierung - der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts folgend - eigene Anstrengungen des betroffenen Landes
zur Abwehr einer drohenden Haushaltsnotlage voraus. Vorliegende
Ausstattungsvorsprünge gegenüber vergleichbaren Ländern müssen daher zunächst
abgebaut werden. Berlin wird darüber hinaus alle Anstrengungen darauf richten,
eigene Kräfte zu mobilisieren und den Konsolidierungskurs konsequent
fortsetzen.
2. Fusion der Länder Berlin und
Brandenburg
Die Koalitionspartner streben eine
Zusammenführung der Länder Berlin und Brandenburg bis 2009 an. Die dafür
notwendige Volksabstimmung soll im Jahr 2006 stattfinden.
Mit Brandenburg soll Einvernehmen
über die notwendigen Verfahrensschritte und den Zeitrahmen erzielt werden.
In allen Bereichen ist die Zusammenarbeit
mit Brandenburg auszubauen und am Ziel einer Ländervereinigung zu orientieren.
Bei der Gesetzgebungsarbeit ist soweit möglich eine Angleichung der Inhalte und
der organisatorischen Strukturen anzustreben.
Die Kooperation mit Brandenburg muss
ihren Beitrag zur Vertrauensbildung in der Bevölkerung und zu einer breiten
Unterstützung für den Vereinigungsprozess beider Länder leisten.
Durch eine Neugliederung darf der
Region im Rahmen der bundesstaatlichen Finanzausstattung kein Nachteil entstehen.
Die Koalition strebt an, dass die
beiden Länderparlamente einen gemeinsamen Ausschuss einrichten, der bis zum
Jahr 2004 die rechtlichen Voraussetzungen und den Entwurf einer gemeinsamen
Verfassung erarbeitet.
3. Berlin-Brandenburg
International
Die Koalitionspartner bekennen sich
zur zügigen Realisierung eines internationalen Verkehrsflughafens
Berlin-Brandenburg. Das Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des Flughafens
Schönefeld zum internationalen Verkehrsflughafen Berlin-Brandenburg
International (BBI) wird fortgesetzt. Die jüngste Rechtsprechung des OVG
Brandenburg ist zu berücksichtigen, einschließlich einer korrekten Abwägung.
Der Flughafen soll zwei Start- und
Landebahnen und ein funktionsfähiges Terminal erhalten. Im
Planfeststellungsverfahren ist auf einen bestmöglichen Schutz der Anwohner vor
Lärm, anderen Umwelteinflüssen und Katastrophen hinzuwirken.
Die Koalitionspartner bekennen sich
ausdrücklich dazu, die im so genannten Konsensbeschluss von 1996 vereinbarte
Schließung der innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof zu realisieren.
Der Flughafen Tempelhof soll demnach mit rechtskräftigem
Planfeststellungsbeschluss für den BBI, der Flughafen Tegel mit Inbetriebnahme
des BBI geschlossen werden.
Das Angebot
der Investoren zur privaten Finanzierung des BBI wird Berlin zusammen mit den
beiden anderen Gesellschaftern auf seine Wirtschaftlichkeit und die
finanziellen Risiken für die öffentliche Hand überprüfen.
Allgemeines
Ein demokratisches Gemeinwesen ist ohne öffentliche
Meinungs- und Willensbildung nicht zu denken. Meinungsvielfalt setzt
publizistischen und wirtschaftlichen Wettbewerb voraus. Dessen Wirksamkeit
hängt hauptsächlich von der Zahl der selbständigen Veranstalter, den
Bedingungen des Zugangs zum Rundfunk und der durch die Programmangebote
bestimmten Konkurrenz um die Gunst der Zuschauer ab. Im publizistischen
Wettbewerb ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk unverzichtbar.
Der Rundfunk lässt sich nicht von anderen Medien, also
anderen Angeboten von “Meinungen”, isolieren. Auch der intermediäre Wettbewerb
ist publizistischer und wirtschaftlicher Wettbewerb zugleich.
Die Koalition verfolgt das Ziel gleichgewichtiger Vielfalt
im Rundfunk.
Immer mehr Menschen nutzen das Internet - und dies vor allem
zur Information. Darauf muss die Medienpolitik reagieren, vor allem indem sie
sich für den chancengleichen Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zum Internet
einsetzt.
Die Koalition wird in rundfunkrechtlichen Fragen aktiv
werden und sich für die Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne
einer Bestands- und Entwicklungsgarantie einsetzen.
Da das Internet von immer mehr Menschen vor allem zur
Information genutzt wird und damit immer stärker zur öffentlichen Willens- und
Meinungsbildung beiträgt, muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch
Entwicklungsperspektiven im Internet haben.
Die Koalition wird sich für eine gerechte Gebührenverteilung
zwischen den ARD-Anstalten einsetzen. Die von der KEF jeweils anerkannten
Finanzbedarfe sollen auch den einzelnen ARD-Anstalten zukommen.
Die Koalition ist sich einig, dass eine Änderung im System
der Rundfunkgebühr nach den Prinzipien der Beitragsgerechtigkeit sowohl für die
Gebührenzahler als auch für die kleinen Anstalten zu erfolgen hat.
Für ARD und ZDF sowie die weiteren öffentlich-rechtlichen
Angebote ist ein dem öffentlich-rechtlichen Angebot entsprechender Must-Carry-Bereich im digitalen Kabel zu
sichern.
Die Koalitionspartner sind sich darin einig, dass allen
Bürgerinnen und Bürgern das öffentlich-rechtliche Gesamtangebot zur Verfügung zu stellen ist.
SFB und ORB werden zu einer gemeinsamen Rundfunkanstalt
zusammengeführt. Durch die Zusammenführung wird eine zukunftsfähige,
finanzstärkere neue Anstalt entstehen. Sie soll innerhalb der ARD stärkeres
Gewicht haben, mit ihren abgestimmten Programmen zur Förderung der kulturellen
Identität und Vielfalt in der Region beitragen und mehr Auftragsimpulse für die
Produktionswirtschaft geben. Die Fusion muss als Ergebnis noch mehr Qualität
und mehr Vielfalt bieten und weniger Verwaltung. Die neue Anstalt sollte regionale
Fenster anbieten.
Der mit Brandenburg auszuhandelnde Staatsvertrag wird für
die neue Zweiländeranstalt die Gesamtrechtsnachfolge von SFB und ORB vorsehen.
Bei der Zusammensetzung des neuen Rundfunkrates sollten die wichtigsten
gesellschaftlich relevanten Gruppen vertreten sein. Dazu gehört auch ein
Vertreter der in Berlin lebenden MigrantInnen. Die Mitbestimmung der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gremien ist zu sichern. Der Personalrat
soll eine beratende Stimme im Rundfunkrat haben und stimmberechtigt im
Verwaltungsrat sein.
Der Name des neuen Senders sollte öffentlich diskutiert
werden.
Die Koalitionspartner streben an, dass die Ratifizierung
durch die Landesparlamente bis Mitte 2002 erfolgt.
Es wird erwartet, dass die neue Rundfunkanstalt einen
Beitrag zur Filmförderung bei der Filmboard leistet.
Offener Kanal und nichtkommerzieller Rundfunk
Der von der MABB getragene Offene Kanal bleibt erhalten.
Die Koalition ist
sich einig, dass nichtkommerzieller Lokalfunk in der Region die
Medienlandschaft bereichern kann und eine Förderung wünschenswert wäre.
Am Medienstandort Berlin-Potsdam sind auf engem Raum nahezu
alle für die Filmproduktion erforderlichen Infrastrukturen und Funktionen der
Produktion und Postproduktion versammelt. Allerdings sind nur wenige der
finanzkräftigen öffentlichen und privaten Produzenten in der Region
angesiedelt.
Die Filmwirtschaft bietet ein Bild starker funktionaler Differenzierung,
intensiver lokaler Transaktions- und Kommunikationsbeziehungen sowie eine
überregionale Einbindung.
Die Koalition wird:
- die
Bemühungen unterstützen, die bisherigen Akteure (u.a. Filmboard,
Medieninitiative “Projekt Zukunft - der Weg in die Informationsgesellschaft”,
Medienbeauftragter) weiter zu vernetzen,
- Abstimmungen
mit der Landesregierung Brandenburg vornehmen, um bei Unternehmensansiedlungen
gemeinsam vorzugehen,
- der
Filmwirtschaft verwandte Wertschöpfungsketten fördern (z.B. digitale
Produktionstechniken, Animationsfilme, Multimedia-Anwendungen),
- die
konzernunabhängigen Film- und Fernsehproduktionsunternehmen stärken, die mit
ihrer Kreativität und Innovationskraft für den Inhaltemarkt von besonderer
Bedeutung sind,
- mit
dem Land Brandenburg die Filmförderung bei der Filmboard Berlin-Brandenburg
fortführen. Es wird angestrebt, die Fördermittel im Zuge der
Haushaltsverhandlungen 2002 und gleichgewichtig mit Brandenburg deutlich zu
steigern. Dazu sind bisher der Wirtschaftsförderung dienende Mittel in Anspruch
zu nehmen,
- eine
verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Anstalten der Medienförderung (z.B. eine
Kooperation mit der Mitteldeutschen Medienförderung) unterstützen.
Neue
Medien, Informations- und Kommunikationstechnik
Die Breitbandkabelnetze müssen schnell ausgebaut werden. Die
Entgelte müssen auch für regionale Anbieter und für die Bürgerinnen und Bürger
bezahlbar bleiben. Ein diskriminierungsfreier Zugang muss gesichert werden. Ein
bestimmter Must-Carry-Bereich im digitalen Kabel muss die programmliche
Vielfalt absichern. Die Kabelnetzbetreiber dürfen nur mit Zustimmung der
Inhalteanbieter deren Angebote neu zusammenstellen. Sie haben sicherzustellen,
dass in jedem Paket auch Platz für unabhängige Drittanbieter ist.
Neben der Förderung von interaktiven Inhalten gehören der
Ausbau der Breitbandkabelnetze und ihre den technischen Möglichkeiten
entsprechende Nutzung sowie die Umstellung von analoger auf digitale
terrestrische Ausstrahlung von Hörfunk und Fernsehen zu den Prioritäten der
Medienpolitik.
Medienkultur
Am Ausbau der Medienkulturstadt Berlin soll weiter
gearbeitet werden. Die Internationalen Filmfestspiele, die Transmediale, die
European Film Academy und andere medienkulturelle Veranstaltungen und
Institutionen haben große Bedeutung für den Medienstandort. Es wird angestrebt,
die Kooperation unter ihnen zu stärken und die Verbindung zur Filmwirtschaft zu
verbessern. Die Internationale Medienwoche soll künftig jährlich stattfinden.
Medienausbildung
Der dritte Grundpfeiler des Medienstandortes neben der
Medienwirtschaft und der Medienkultur ist die breite Förderung von
Medienkompetenz. Die Qualifizierungsinitiative wird fortgesetzt.
Die Ausstattung der Schulen mit Computern über CidS muss mit
pädagogischen Konzepten zur fächerspezifischen Nutzung der neuen Medien einher
gehen.
Dies muss sich auch in der Lehrerausbildung widerspiegeln.
E-Government
E-Government als die
internetgestützte, mit modernen Kommunikationsmitteln ausgestattete Verwaltung
ist weiter voran zu treiben. Hierzu wird ein Masterplan E-Government entwickelt
und in geeigneten Pilotanwendungen umgesetzt. Die Möglichkeiten der
Informationstechnologie im Sinne von Rationalisierung und effektiverer
Verwaltung müssen genutzt werden. Dazu werden elektronisch gestützte Verfahren
eingeführt, die zu mehr Bürgernähe und Servicequalität führen.
Wir wollen die Menschen für Europa gewinnen. Bürgernähe,
soziales Engagement, Transparenz und eine umfassende Demokratisierung der
europäischen Entscheidungsprozesse sind dafür unabdingbare Voraussetzungen. Die
Koalitionsparteien müssen Befürchtungen und Ängste der Berliner Bevölkerung und
der Menschen in den MOE- Staaten ernst nehmen und abbauen. Wir sehen Chancen in
einer Erweiterung der Europäischen Union, wenn wir zusammen mit unseren
Partnern diesen Prozess in einem Geben und Nehmen gestalten. Die Koalition
sieht die verschiedenen Kulturen und Erfahrungen der Menschen aus den
Beitrittsländern als eine Bereicherung an.
Der EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen
Nachbarstaaten, insbesondere Polens und Tschechiens, bildet eine der
wichtigsten Entwicklungsperspektiven für Berlin. Der Senat wird wo immer
möglich die Beitrittsstaaten in ihren Vorbereitungen auf den EU-Beitritt
unterstützen, z. B. durch Schulungs- und Hospitationsangebote in Berlin oder
die Entsendung von Berliner Experten in die Verwaltungen der Beitrittsstaaten.
Eine wichtige Rolle spielt dabei das Twinning-Programm, dessen verstärkte
Nutzung der Senat anstreben wird. Für die Bereitstellung des hierfür
notwendigen qualifizierten Personals wird durch die Fachverwaltungen gesorgt.
Zugleich wird der Berliner Senat seine Aktivitäten in den
MOE-Staaten verstärken und besser koordinieren. Dazu wird er eine zwischen den
Senatsverwaltungen und anderen Beteiligten abgestimmte Konzeption entwickeln.
Die Rolle und Aufgaben des Osteuropabeauftragten werden neu definiert.
Zusammen mit den an die Beitrittsländer angrenzenden
Bundesländern wird sich der Berliner Senat für Maßnahmen des sozialen Schutzes
und der Unterstützung von besonders betroffenen Bereichen, wie dem Handwerk und
Dienstleistungsunternehmen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie den
Arbeitslosen in den Grenzregionen einsetzen.
Wir wollen, dass die Grenzregionen mit ihrer besonderen
Kompetenz ein Modell für die interregionale Zusammenarbeit im
Erweiterungsprozess werden.
Der Senat setzt sich dafür ein, dass die infrastrukturellen
Voraussetzungen für eine intensivere Kooperation und Verflechtung mit den
polnischen Nachbarregionen geschaffen werden. Vordringlich ist dabei
insbesondere der Ausbau im Schienenverkehr, so die Strecken
Berlin-Frankfurt/Oder-Polen, Szczecin, die sog. Ostbahn über Kostrzyn in die
Wojewodschaft Gorzow sowie der Ausbau in Richtung Wroclaw-Krakow.
Die Koalitionsparteien streben die volle Ausschöpfung der in
der bis 2006 laufenden Finanzperiode von der EU zur Verfügung gestellten
Strukturfondsmittel und eine stärkere Nutzung weiterer Förderprogramme an.
EU-Mittel sind vorrangig einzusetzen. Angesichts der bestehenden Probleme bei
der Nutzung der EU-Förderprogramme wird der Senat das ressortübergreifende
Management und Controlling verbessern. Die Möglichkeit von
Zwischenfinanzierungen wird geprüft. Um die Nutzung von EU-Förderprogrammen zu
verbessern, entwickelt der Senat ein Gesamtkonzept für die landesspezifischen
Informationsmöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger. Einer qualifizierten
Beratung auch für die Bezirke und für freie Träger kommt eine besondere
Bedeutung zu.
Darüber hinaus wird sich der Senat intensiv an der
Diskussion über die Reform der Strukturfonds ab 2007 beteiligen. Ziel wird aus
Berliner Sicht sein, städtepolitischen Förderbedarf stärker als in der
Vergangenheit auf europäischer Ebene zu berücksichtigen.
Einem intensiven Jugendaustausch kommt im enger
zusammenwachsenden Europa besondere Bedeutung zu. Die Koalitionsparteien setzen
sich dafür ein, umfassend Jugendaustauschmaßnahmen im europäischen Kontext,
insbesondere mit den MOE-Staaten, zu verstärken und dabei so weit möglich
europäische Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Außerdem sprechen sich die
Koalitionsparteien dafür aus, europapolitische Inhalte verstärkt in den
Lehrplänen von Schulen zu verankern und auch Schulpartnerschaften mit Schulen
aus den MOE-Staaten besonders zu fördern.
Die Koalitionsparteien begrüßen, dass mit den Instrumenten
der europäischen Beschäftigungspolitik erste europäische Ansätze zur Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit geschaffen wurden. Der Senat wird sicherstellen, dass Berlin
vor dem Hintergrund seiner Rolle als europäische Modellregion für regionale
Beschäftigungspolitik die auf europäischer Ebene festgelegten
beschäftigungspolitischen Leitlinien umsetzt.
Der Senat setzt sich dafür ein, den verfassungsgebenden
Prozess auf europäischer Ebene im Rahmen der Regierungskonferenz 2004 zu einem
erfolgreichen Ende zu führen. Dazu gehört insbesondere die Aufnahme der
Grundrechtecharta in die europäischen Verträge, die klarere Abgrenzung der
Kompetenzen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten einschließlich einer
Vereinfachung des Vertragwerks, die Stärkung der demokratischen Legitimation
von EU-Entscheidungen sowie eine weitere institutionelle Reform zur
Sicherstellung der Beschluss- und Handlungsfähigkeit der EU mit nahezu dreißig Mitgliedstaaten.
Der Berliner Senat unterstützt ausdrücklich das Vorhaben, die
Regierungskonferenz 2004 durch einen breit zusammengesetzten Konvent
vorbereiten zu lassen. Außerdem setzt er sich dafür ein, dass bestimmte
Aufgaben der Daseinsvorsorge der Länder und der Kommunen nicht ausschließlich
nach Wettbewerbskriterien beurteilt werden. Dies gilt insbesondere für den
Öffentlichen Personennahverkehr, für öffentliche Kultur-, Sozial- und
Bildungseinrichtungen und für den öffentlichen Rundfunk.
Der Senat wird auf der Grundlage von Artikel 23 GG seine
europapolitischen Mitwirkungsmöglichkeiten gegenüber Bund und Ländern und auf
europäischer Ebene voll ausschöpfen, um den Interessen Berlins Geltung zu verschaffen.
Die Koalitionsparteien werden sich mit dem Land Brandenburg und mit den anderen
neuen Bundesländern in europapolitischen Fragen eng abstimmen. Insbesondere
werden die Büros der Länder Berlin und Brandenburg in Brüssel bei
gleichgerichteten Interessen abgestimmt handeln.
Der Senat wird im Rahmen seiner Möglichkeiten verstärkt
Berliner Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter als
Bundesratsbeauftragte in EU-Gremien entsenden.
Im Ausschuss der Regionen werden die Koalitionsparteien
engagiert die Interessen Berlins vertreten. Sie werden dazu beitragen, dass der
Ausschuss der Regionen die regionalen und kommunalen Vorstellungen effektiv
gegenüber den Organen der EU in den europäischen Willensbildungsprozess
einbringen kann.
Darüber hinaus wird der Senat die Mitgliedschaft Berlins in
unterschiedlichen europäischen Netzwerken, wie z. B. Eurocities, Union of the
Capital Cities of the European Union oder Union of Baltic Cities, aber auch die
bestehenden europäischen Städtepartnerschaften nutzen, um die europapolitischen
Interessen Berlins wo immer möglich einzubringen.
Die Koalitionsparteien unterstreichen, dass ein
wirkungsvolles europapolitisches Engagement des Landes Berlin maßgeblich von
der Verfügbarkeit EU-bezogenen Fachwissens in der Verwaltung und engen
Kontakten zu europäischen Institutionen und Partnern abhängt. Vor diesem
Hintergrund räumt die Koalition der weiteren Stärkung der Europafähigkeit der
Berliner Verwaltung einen hohen Stellenwert ein. Dabei strebt der Senat
insbesondere folgende Maßnahmen an:
·
die
weitere Stärkung des Berliner Büros in Brüssel, z. B. durch die verstärkte
Nutzung von Abordnungen aus den Fachverwaltungen und den Bezirken;
·
eine erneute
Ausweitung des Stellenmittelpools, um die Möglichkeiten der Abordnung von
Beschäftigten zu europäischen Institutionen, zur Bundesregierung oder zum
Berliner Büro in Brüssel vermehrt zu nutzen;
·
die
Förderung der europapolitischen Aus- und Weiterbildung sowie der
fremdsprachlichen Kenntnisse der Verwaltungsmitarbeiterinnen und
Verwaltungsmitarbeitern;
·
Berücksichtigung
entsprechender Fach- und Fremdsprachenkenntnisse bei künftigen
Stellenausschreibungen;
·
den
gezielten Einsatz von Beschäftigten mit besonderen europapolitischen
Erfahrungen für Funktionen mit Europabezug;
·
Berücksichtigung
der Tätigkeit bei europäischen Institutionen oder Europareferaten der
Bundesministerien bzw. einer Abordnung zum Berliner Büro in Brüssel bei
Personalauswahl und Beförderung als zusätzliche Qualifikation.
Die Mitglieder des Senats bilden europapolitische
Schwerpunkte in ihren Verwaltungen, die in das jährliche europapolitische
Senatsprogramm einfließen. Besondere Bedeutung hat für den Senat die Stärkung
der Europafähigkeit in den Bezirksverwaltungen.
Die Koalitionsparteien betonen, dass
eine erfolgreiche europäische Politik nur durch breite Unterstützung der
Bevölkerung möglich ist. Ziel der Europapolitik des Landes Berlin ist es
deshalb, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung dieser
Politik zu beteiligen und für viele Menschen Europa praktisch erlebbar zu
machen. Darüber hinaus wollen wir über die Vorteile, aber auch über die
Schwierigkeiten und Risiken der Europäischen Integration aufklären und
Informationen zu wichtigen EU-Themen wie der EU-Erweiterung und dem
verfassungsgebenden Prozess bereit stellen. Der Senat wird seine Maßnahmen der
europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Möglichkeiten ausbauen
und dabei einen engen Kontakt mit den Vertretungen der Europäischen Kommission
und des Europäischen Parlaments in Berlin, der Bundesregierung,
europapolitischen Organisationen, freien Trägern, den Bezirken und dem Land
Brandenburg suchen.
Das Europäische Informationszentrum
im Jean-Monnet-Haus soll weiterhin als zentrale Anlaufstelle für alle
europapolitisch interessierten Berliner Bürgerinnen und Bürger dienen. Im
Hinblick auf die erforderliche Kofinanzierung der von der Europäischen Kommission
zur Verfügung gestellten Mittel soll das Jean-Monnet-Haus auch in Zukunft neben
der finanziellen Unterstützung insbesondere durch das Bundespresseamt auch auf
eine Förderung des Senats zurückgreifen können.
Die Arbeit der Europäischen Akademie
und der Europäischen Akademie für städtische Umwelt werden vom Senat weiterhin
unterstützt.
Öffentliche Sicherheit
Berlin als weltoffene, liberale
und sichere Metropole zu erhalten und auszubauen, ist Ziel unserer Innen- und
Sicherheitspolitik. Öffentliche Sicherheit bedeutet neben dem Schutz vor
Kriminalität als staatlicher Kernaufgabe auch den Schutz des Einzelnen und der
Öffentlichkeit vor unverhältnismäßigen staatlichen Eingriffen. Die Öffentliche
Sicherheit ist Bedingung dafür, dass Menschen sich in ihrer Stadt angstfrei
bewegen können. Um individuelle Freiheitsrechte zu gewährleisten, dürfen
staatliche Eingriffsbefugnisse nur maßvoll eingesetzt werden. Dies alles macht
einen wesentlichen Teil der Lebensqualität aus und ist nicht nur für die
Berlinerinnen und Berliner von hoher Bedeutung, sondern spielt auch für den
Verbleib und die zukünftige Ansiedlung nationaler und internationaler Unternehmen
eine wichtige Rolle.
Kriminalitätsbekämpfung
Kernpunkt der Bekämpfung von
Kriminalität ist nicht nur ihre konsequente Verfolgung, sondern auch die
Bekämpfung ihrer Ursachen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Öffentliche Sicherheit wird nicht nur durch strafrechtliche Vorschriften und
deren wirksame Umsetzung gewährleistet. Kriminalitätsprävention beginnt mit
guter Familienpolitik, ausreichenden Lehr- und Arbeitsstellen sowie einer guten
Bildung, der Verwirklichung von Chancengleichheit und anderen Maßnahmen. Sie erfordert einen an Resozialisierung
ausgerichteten Strafvollzug.
Unser besonderes Augenmerk gilt den
Schwächeren, die zum Schutz vor Gewalt, Kriminalität und Intoleranz auf den
Staat angewiesen sind. Die Verfolgung von Korruption, Umwelt- und
Wirtschaftskriminalität soll intensiviert werden. Anti-Gewaltprojekte wie das
Berliner Interventionsprogramm gegen häusliche Gewalt sollen ihre erfolgreiche
Arbeit fortsetzen und ausweiten. Die im Gewaltschutzgesetz geregelten Grundsätze
werden in Berliner Landesrecht umgesetzt. Bürgerschaftliches Engagement im
eigenen Kiez und Bezirk ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Bekämpfung von
Gewalt und Kriminalität. Die Arbeit der Sicherheitsbeiräte in den Bezirken wird
unterstützt. Die erfolgreiche Arbeit der Landeskommission gegen Gewalt als
Gremium eines kooperativen Ansatzes der Präventionsarbeit ist fortzusetzen.
Berlin wird sich am Deutschen Forum für Kriminalprävention beteiligen.
Schutz darf kein Privileg derjenigen
sein, die sich private Sicherheitsdienste leisten können. Nur wenn die Innere
Sicherheit in staatlicher Hand ist, kann sie für alle Menschen gleich
garantiert und demokratisch kontrolliert werden. Die Polizei, von der Schutz
vor Kriminalität erwartet wird, muss auch in der andauernd schwierigen
Finanzlage so ausgerüstet und organisiert sein, dass sie ihren Aufgaben gerecht
werden kann.
Die Terroranschläge in den USA haben
gezeigt, wie verletzlich rechtsstaatliche Demokratien sind. Zur Verbesserung
der Öffentlichen Sicherheit ist deshalb eine nüchterne Analyse bestehender
Defizite notwendig.
Mit Entschlossenheit und Augenmaß
werden wir das Notwendige und Sinnvolle tun, um die Öffentliche Sicherheit zu
verbessern. Wir müssen die freiheitliche Gesellschaft gegen den Terrorismus
verteidigen, ohne sie selbst aufzugeben.
Zentral für die Bekämpfung des
Terrors ist die Aufdeckung verdächtiger Finanzströme. Dazu muss Geldwäsche
unterbunden und soweit nötig das Bankgeheimnis eingeschränkt werden.
Bürgergesellschaft gegen Extremismus
Wir wollen eine Bürgergesellschaft,
die mit Zivilcourage und Entschlossenheit jeglichen politischen Extremismus
bereits im Entstehen bekämpft. Hierzu treten wir insbesondere für ein
entschiedenes Vorgehen gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit,
Rassismus und Antisemitismus ein. Sie zu beseitigen ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die im Rahmen der bestehenden Gesetze
gewährleistet werden kann. Eine Änderung des Demonstrationsrechts ist nicht
erforderlich.
Zivilgesellschaftliches Engagement,
das sich auf diese Ziele richtet, muss ausgebaut und unterstützt werden, sowohl
durch Aufklärung als auch durch die Förderung der Zusammenarbeit staatlicher
und nichtstaatlicher Organisationen. Durch Zusammenarbeit mit Schulen,
Vereinen, Verbänden sowie durch den Einsatz Freier Träger wollen wir die
Auseinandersetzung insbesondere mit rechtsextremistischem und rassistischem
Gedankengut im Jugendbereich verstärken. Hierzu gehören auch die Fortführung
der Arbeit mobiler Beratungsteams sowie Beratungsangebote für Aussteiger.
Die Koalitionsparteien setzen sich
dafür ein, dass Menschen, die in solchen Konflikten Zivilcourage bewiesen
haben, in besonderer Weise öffentlich geehrt werden.
Hauptstadtbedingte
Sicherheitsaufgaben
Im dichten Stadtraum Berlins, das
mehr als zehn mal so viele Einwohner hat wie Bonn, stellen sich die Fragen der
hauptstadtbedingten Sicherheitsaufgaben wie der Schutz von
Regierungseinrichtungen, Botschaften, Missionen und internationalen
Organisationen anders. Die Einrichtung einer gemeinsamen Lagezentrale und ein
Zusammenwirken mit dem Bundesgrenzschutz bei Objektschutzaufgaben und
Sonderlagen ist erfolgreich fortzuführen. Die Koalitionspartner streben dabei
eine Änderung der Lastenteilung zwischen Bund und Land im Rahmen von
Neuverhandlungen des Hauptstadtvertrages bzw. der bestehenden
Sicherheitsvereinbarung an. Sie stimmen überein, dass weitere Zuwendungen des
Bundes an Berlin zur Unterstützung der Berliner Sicherheitskräfte diesen auch
unmittelbar zugute kommen werden.
Polizeistrukturreform
Die Koalitionspartner wollen eine
bürgernahe, effektiv arbeitende, gut ausgestattete, vor Ort präsente und
motivierte Großstadtpolizei. Orientiert an diesem Ziel ist in enger Abstimmung
mit den Beschäftigten eine Reform bestehender Strukturen der Polizei nötig.
Dies schließt die Fortführung begonnener Reformen und die Zusammenführung
erforderlicher Modernisierungsprozesse ein.
Einsparungen und Effektivierungen
bei der Verwaltung der Polizei können die Vollzugspolizei stärken und sind so
ein Beitrag zur Öffentlichen Sicherheit auch in Zeiten erhöhter Anforderungen.
Die Führungsgliederung der Polizei
wird gestrafft, die finanzielle, personelle und organisatorische
Eigenverantwortung der Direktionen und Abschnitte nach dem Prinzip der
dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung gestärkt.
Die Frage einer einheitlichen
Führung von Schutz- und Kriminalpolizei ist zu prüfen, wobei die
Behördenorganisation auf die zwei zentralen Säulen dieser Polizeibereiche unter
der Führung eines integrierenden Landespolizeidirektors zurückgeführt werden
könnte. Synergieeffekte bei der Zusammenfassung von Stabsfunktionen stünden
dabei ebenso im Vordergrund wie die Vermeidung von Doppelzuständigkeiten. Die
Bildung der Landespolizeidirektion soll mit einer Stärkung der
Entscheidungskompetenzen der Polizeidirektionen und eines leistungsstarken
Landeskriminalamts, einer Verbesserung der personellen Durchlässigkeit zwischen
Schutz- und Kriminalpolizei, der Dezentralisierung und Abschichtung von
Aufgaben des Landespolizeiverwaltungsamts auf die Direktionen und dem
konsequenten Abbau von Doppelzuständigkeiten verbunden werden. Die vorhandenen
Stäbe des Polizeipräsidenten und des bisherigen Landesschutzpolizeiamts sollen
im Ergebnis der Bildung der Landespolizeidirektion zusammengeführt und damit
verkleinert werden.
Die Verwaltungsreform wird auch im
Bereich der Polizei mit Nachdruck umgesetzt. Produktbildung und
Kosten-Leistungsrechnung müssen so an die Bedürfnisse der Polizei angepasst
werden, dass sie zu steuerungsrelevanten Daten führen und Bürokratie vermeiden.
Das Personalmanagement (etwa Personalentwicklungsplanung,
Mitarbeiter/Vorgesetztengespräche, anonyme Befragung der Mitarbeiter zu den
Führungsqualitäten der Vorgesetzten, Personalauswahlverfahren) ist
weiterzuentwickeln.
Gleichartige Aufgaben des
Landespolizeiverwaltungsamtes, des Landesverwaltungsamtes, des
Justizverwaltungsamtes und des Landeseinwohneramtes werden organisatorisch
zusammengeführt.
Der Senat wird bis zum 31.12.2002 ein
Konzept entwickeln, welche ordnungsrechtlichen Überwachungsaufgaben aus dem
Landeskriminalamt (z.B. Gewerbeaußendienst) bzw. anderen polizeilichen
Dienststellen herausgelöst und auf die Bezirke übertragen werden. Das Konzept
soll für die zu übertragenden Aufgaben darstellen, wie künftig bezirkliche
Ordnungsaufgaben unter Berücksichtigung der bezirklichen Außendienste
organisiert werden. Die Abschichtung muss einhergehen mit der Abschichtung der
Ressourcen.
In gleicher Weise soll geprüft
werden, ob die Aufgaben der Polizeiangestellten im Parkraumkontrolldienst auf
die Bezirke übergehen.
Nichthoheitliche Tätigkeiten wie die
Abwicklung von Bagatellunfällen im Straßenverkehr oder polizeiinterne
Serviceleistungen können auf Private übertragen werden, wenn dies für das Land
Berlin den größeren ökonomischen und sicherheitstechnischen Nutzen bringt und
dies rechtlich unbedenklich ist. Das Fuhrparkmanagement wird effektiviert, der
Fuhrpark gestrafft und die Zahl der Polizeiwerkstätten reduziert.
Bei den von der Polizei für ihre
Zwecke genutzten Gebäuden wird entsprechend dem bereits beschlossenen Projekt
für die Gebäude der Hauptverwaltung und der Finanzbehörden eine
Facility-Management-Lösung eingeführt.
Bei kommerziellen
Großveranstaltungen wird geprüft, inwieweit Ordnungsaufgaben dem Veranstalter
übertragen oder gegen Gebühr von der Polizei wahrgenommen werden können.
Darüber hinaus soll geprüft werden, ob bei derartigen Veranstaltungen auch eine
an den Einnahmen orientierte Erhebung von Gebühren für öffentliche
Sicherheitsleistungen möglich ist.
Die Finanzierung des
Polizeiorchesters aus Haushaltsmitteln wird eingestellt. Es ist zu prüfen, ob
ein Erhalt des Polizeiorchesters ohne Inanspruchnahme von Haushaltsmitteln möglich
ist. Die Reiterstaffel wird aufgelöst.
Zur Förderung von Bürgernähe und
Transparenz werden - wie in Großbritannien und den USA seit langem bewährt -
Berliner Polizeibeamte eine individualisierbare Kennung gut sichtbar an ihrer
Uniform tragen. Hierzu soll möglichst eine einvernehmliche Regelung mit den
Gewerkschaften und Beschäftigtenvertretungen gefunden werden.
Eingriffsbefugnisse der Polizei
Die Koalitionspartner werden die
Erforderlichkeit neuer sowie Notwendigkeit und Wirksamkeit der bestehenden
Eingriffsbefugnisse überprüfen.
Die Unterstützung des Schutzes
einzelner, besonders gefährdeter Objekte mit den Mitteln optischer
Überwachungstechnik wird unter Beachtung des Grundrechts auf informationelle
Selbstbestimmung gesetzlich geregelt. Eine Videoüberwachung öffentlicher Plätze
wird nicht ins Auge gefasst.
Die Befugnisse der Polizei zur
längerfristigen Observation, zum Einsatz von V-Personen, zum Einsatz verdeckter
Ermittler und technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen werden entsprechend
dem Vorbild anderer Bundesländer an einen Straftatenkatalog gebunden und nicht
mehr auf eine Generalklausel gestützt. Durch entsprechende ausdrückliche
Regelung im Gesetz über allgemeine Sicherheit und Ordnung (ASOG) soll auch klar
gestellt werden, dass derartige Befugnisse der Polizei bei Straftaten bestehen,
die sich auf gemeinschaftswidrige Wirtschaftsformen, insbesondere illegale
Beschäftigung, beziehen, sowie bei Ordnungswidrigkeiten, die mit mehr als
10.000 Euro Bußgeld bedroht sind.
Der Senat wird dem zuständigen
Ausschuss des Abgeordnetenhauses jährlich einen detaillierten Bericht über
Umfang und Erfolg aller nach dem ASOG möglichen, besonders tief in das
Persönlichkeitsrecht eingreifenden Maßnahmen (insbesondere sog.
lagebildabhängige Kontrollen und akustische Überwachung) vorlegen.
Leitlinien in besonderen
Einsatzlagen
Die Polizeiarbeit in besonderen
Einsatzlagen ist geprägt von Vorausschau, Einfühlungsvermögen und
Kooperationswille. In Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen,
Versammlungen und Aufzügen sind Strategien deeskalierender Art Leitlinie, um
unterschiedliche Interessenlagen, Sicherheitsansprüche der Bürgerinnen und
Bürger, die Aufgabe der Gefahrenabwehr und die Verpflichtung zur Verfolgung
strafbarer Handlungen konfliktfrei und situationsangemessen zu handhaben. Die
Kooperation im Vorfeld und während der Abläufe mit Veranstaltern, Beteiligten
und Betroffenen soll für die Berliner Polizei dabei ebenso selbstverständlich
sein wie eine auf Transparenz ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit.
Berliner Modell
Die Koalitionspartner setzen weiter
auf die verstärkte Einbeziehung der Schutzpolizei in die Bekämpfung der
Alltagskriminalität zur bürgernahen und effizienten Kriminalitätsbekämpfung.
Das Berliner Modell wird nun auf verschiedenen Ebenen einer Bewertung zugeführt
und in gegebenenfalls modifizierter Form fortentwickelt. Mit dem Ende der
Erprobungsphase entfallen die zur Begleitung der Erprobung durch
Dienstvereinbarung pauschal zugestandenen sechs Überstunden pro Monat.
Polizeiausstattung
Durch die personelle und sachliche
Ausstattung der Polizei und die Ausbildung der Polizistinnen und Polizisten
muss gewährleistet werden, dass die Polizei den vielfältigen an sie gestellten
Anforderungen gerecht werden kann. Das kostet Geld, das auch bei der
anhaltenden Haushaltskrise zur Verfügung gestellt werden muss. Die Berliner
Polizei hat in vielen Bereichen erhebliche Ausstattungsrückstände, die
aufgeholt werden müssen. Wir brauchen insbesondere:
- Kommunikationstechnik
vom Mobiltelefon bis zum Funkgerät,
- Informationsbeschaffung
und -verarbeitung durch ein verbindendes PC-Netz für alle Dienststellen,
- bedarfsgerechte
persönliche Ausstattung von Kleidung bis zur Waffentechnik,
- stadtorientierte
Fahrzeuge vom einfachen Transportmittel über neue Einsatzwagen bis zum
Gruppenwagen
Dabei sollen durch
Interessenbekundungsverfahren und Ausschreibungen die besten und
preisgünstigsten Lösungen, die private Unternehmen anbieten, ausgewählt werden.
Die Baulichkeiten sind in einen
Zustand zu bringen, der ein angemessenes Arbeiten ermöglicht.
Das Dienstgebäude Otto-Braun-Straße
wird im Zusammenhang mit der Zusammenführung der Verwaltungsämter aufgegeben
und veräußert. Weitere bauliche Investitionen in dieses Dienstgebäude finden
nicht statt.
Personal
Qualitativ hochwertige Polizeiarbeit
setzt eine gute Aus- und ständige Weiterbildung voraus. Hierbei spielen
Elemente gewaltfreier Konfliktlösung und des Konfliktmanagements sowie die
Erlangung interkultureller Kompetenz eine wichtige Rolle.
Die zweigeteilte Laufbahn wird in
Abhängigkeit von dem Bewerberangebot fortgeführt. Zur Unterstützung der
Fortführung der zweigeteilten Laufbahn ist der verstärkte Einsatz von
Polizeiangestellten im Vollzugsdienst zu prüfen.
Durch Änderung der Arbeitszeit ist
sicherzustellen, dass - wie in anderen Bundesländern auch - bei der
Vollzugspolizei die in der Arbeitszeitverordnung vorgesehenen
Mindestpausenzeiten von 30 Minuten eingeführt werden, die nicht auf die
Arbeitszeit anzurechnen sind. Ausnahmen sollen insoweit nur noch möglich sein
bei besonderen Anlässen (z.B. Nachtschichten, geschlossene Einheiten im Einsatz
bei Großereignissen oder bei Unterstützungseinsätzen in anderen Bundesländern,
bei Großveranstaltungen oder bei Staatsbesuchen).
Die 1983 seinerzeit nur
vorübergehend vorgesehene Gewährung von Winterzusatzurlaub für
Schichtdienstleistende entfällt künftig.
Personelle Einsparungen bei der
Vollzugspolizei sind nicht zu vertreten, es sei denn, sie werden durch veränderte
Arbeitszeitmodelle oder eine effektivere Führungsstruktur ermöglicht.
Die Polizei wird sich um
Bewerberinnen und Bewerber nichtdeutscher Herkunft bemühen. Frauen werden
insbesondere im Hinblick auf die Übernahme von Führungspositionen gezielt gefördert.
Freiwilliger Polizeidienst
Der Freiwillige Polizeidienst (FPD)
wird aufgelöst.
Polizei und Private
Sicherheitsdienste
Das staatliche Gewaltmonopol bleibt
unangetastet. Im Bereich originär staatlicher Aufgaben gibt es für private
Sicherheitsdienste keinen Raum. Die Einführung gesetzlicher Zulassungs- und
Überwachungskriterien für private Sicherheitsunternehmen auf Bundesebene ist
anzustreben, ihre Eingriffsbefugnisse bleiben auf Jedermannsrechte beschränkt.
Die Abstimmung zwischen Unternehmen der Sicherheitsbranche und der Polizei ist
da, wo sie sinnvoll ist, zu unterstützen.
Datenschutz und Informationsfreiheit
Bedingt durch den technischen
Fortschritt werden in zunehmendem Maße auch in Alltagssituationen wie beim
Gebrauch von Mobiltelefonen, Kreditkarten etc. persönliche Daten erfasst, die
immer leichter verarbeitet und verknüpft werden können. Der Datenschutz dient
dem Zweck, Bürgerinnen und Bürgern Kontrolle über ihre Daten zurückzugeben. Mit
der Überarbeitung des Berliner Datenschutzgesetzes vom Juni 2001 wurde die
Grundlage dafür verbessert.
Schutz vor Kriminalität und Schutz
der informationellen Selbstbestimmung schließen sich nicht aus. Wo insbesondere
Sicherheitserfordernisse die weitere Erhebung und Verknüpfung persönlicher
Daten verlangen, werden wir gewährleisten, dass dies auf gesetzlicher Grundlage
und in einem geregelten Verfahren erfolgt.
Das zum Ende der 13. Wahlperiode
verabschiedete Informationsfreiheitsgesetz hat sich grundsätzlich bewährt. Die
befürchteten negativen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung
sind nicht eingetreten.
Die Arbeit des Landesbeauftragten
zur Aufarbeitung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik im Land Berlin wird vom Senat weiterhin
unterstützt.
Verfassungsschutz
Der seit dem Jahr 2000 laufende
Umstrukturierungsprozess des Verfassungsschutzes ist der Beginn der Korrektur
struktureller und inhaltlicher Defizite der Behörde, die in der Vergangenheit überwiegend
durch Pannen und Skandale aufgefallen war. Die Verfassungsschutzbehörde muss
sich fortentwickeln von einem klassischen Geheimdienst hin zu einem Instrument
moderner, wissenschaftlich fundierter Beratung für Politik und Öffentlichkeit.
Die Koalitionsparteien werden sicherstellen, dass die personelle und technische
Ausstattung des Verfassungsschutzes diesen Anforderungen entspricht. Hierbei
ist die veränderte weltpolitische Situation zu berücksichtigen. Vom Instrument
der Rotation der Mitarbeiter innerhalb der Verwaltung wird Gebrauch gemacht.
Geheimdienstliche
Eingriffsmöglichkeiten sind nur in Ausnahmefällen parlamentarisch ermächtigt
und kontrolliert einzusetzen. Zum Ausbau der parlamentarischen
Kontrollmöglichkeiten vereinbaren die Koalitionsparteien, alle im
Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien bei der Besetzung der G-10-Kommission zu
berücksichtigen.
Die Koalitionspartner sind sich
darin einig, dass der Verfassungsschutz nur ein Element von mehreren bei der
Abwehr extremistischer Gefahren für die Gesellschaft sein kann. Zum Schutz der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung braucht es vor allem aufgeklärte,
couragierte und demokratisch gesinnte Bürgerinnen und Bürger.
Feuerwehr und Katastrophenschutz
Die Ausstattung der Berliner
Feuerwehr ist zu ergänzen und zu aktualisieren. Die Konzeption der
Einsatzdienste ist unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Kommission
Einsatzdienste anforderungsorientiert anzupassen. Die Indikatoren für eine
funktionierende und qualitätsvolle Arbeit sind dabei fortzuentwickeln.
Die Integration der Arbeit der
Freiwilligen Feuerwehr ist fortzuführen, wobei insbesondere die Arbeit mit
Jugendlichen zu fördern und als wichtiger Teil allgemeiner Jugendarbeit
abzusichern sein wird.
Auf dem Sektor des Katastrophenschutzes
ist das gerade gewachsene Bewusstsein für die Vorsorge, die Planungsaufgaben
und den Ausstattungsbedarf zu pflegen und auszubauen. Gefahrenpotenziale sind
einzuschätzen, die Verantwortungsbereiche auf ihre Aufgaben hinzuweisen und für
funktionierende Abläufe für den Fall einer Realisierung der Gefahren Sorge zu
tragen.
7. Integration
Interkulturelle Öffnung der
Verwaltung
Die Koalitionsparteien werden die
interkulturelle Ausrichtung der Berliner Verwaltung konsequent vorantreiben.
Dadurch soll das Verständnis zwischen Verwaltungsmitarbeiterinnen und
-mitarbeitern und Menschen mit Migrationshintergrund erleichtert werden. Die
interkulturelle Kompetenz wird insbesondere durch Fort- und Weiterbildung
gestärkt. Menschen mit Migrationshintergrund wird der Zugang zum öffentlichen
Dienst erleichtert.
Wir werden die Aufklärung und Beratung
über die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Verbesserung und Absicherung
des Aufenthaltstatus der Migrantinnen und Migranten sowie die Umsetzung im
Rahmen der Ermessensspielräume verbessern. Aushänge und Informationsblätter der
Ausländerbehörde sind in den entsprechenden Sprachen sowie in englischer
Sprache zu verfassen.
Chancengleichheit für Migrantinnen
Die Koalitionspartner setzen sich
für eine Zuwanderungs- und Integrationspolitik ein, die Frauen nicht
diskriminiert. Ein solcher Politikansatz versteht sich als Querschnittspolitik
mit dem Ziel der Gleichstellung von Migrantinnen, insbesondere im Hinblick auf
die Stärkung ihrer wirtschaftlichen Eigenständigkeit.
Gleichbehandlungsgrundsatz
Die Berliner Gesetze und
Verordnungen werden dahingehend überprüft, ob sie der Richtlinie des Rates der
Europäischen Gemeinschaften zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne
Unterschiede der Rasse oder der ethnischen Herkunft vom 29. Juni 2000
entsprechen.
Das Land Berlin arbeitet bei der Umsetzung
der EU-Richtlinie mit nichtstaatlichen Stellen zusammen.
Einbürgerungsverfahren
Die Änderung des
Staatsbürgerschaftsrechts war ein erster, längst überfälliger Schritt. Gerade
in der Metropole Berlin hat die Integration der Migrantinnen und Migranten
höchste Priorität. Die Anerkennung der hier Geborenen als deutsche
Staatsbürgerinnen und -bürger ist in diesem Sinne eine wichtige und notwendige
Maßnahme.
Die Koalitionsparteien wollen, dass in
Berlin Einbürgerungen weiter erleichtert werden. Die Wartezeiten bei der
Einbürgerung sind in vielen Bezirken unzumutbar lang und wirken
kontraproduktiv. Wir werden die Verwaltungsvorschriften mit dem Ziel der
Beschleunigung und Vereinfachung
- auch einer weiteren Abschichtung von Kompetenzen auf die bezirklichen
Einbürgerungsstellen - überprüfen.
Wir werden die Migrantinnen und
Migranten auf die Möglichkeiten der Einbürgerung hinweisen, sie gezielt
informieren und motivieren.
Wir wollen die Praxis der
Sprachtests bei den Einbürgerungen vereinheitlichen.
Schutz der von Menschenhandel
betroffenen Frauen und Kinder und von Opfern rassistischer Übergriffe
Berlin wird die gesetzlichen Möglichkeiten
ausschöpfen, um Frauen und Kindern, die Opfer von Menschenhandel wurden, den
bestmöglichen Schutz zu gewähren. Soweit für diesen Schutz erforderlich, ist
ihnen ein sicherer Aufenthalt zu ermöglichen. Das Land Berlin wird hierbei mit Freien Trägern und mit
Nichtregierungsorganisationen auch im Ausland zusammenarbeiten.
Sollten Ausländerinnen und Ausländer
in Berlin im Einzelfall Opfer schwerer Straftaten mit rassistischem Hintergrund
werden, die sich gegen die körperliche Integrität richten, wird das Land Berlin
im Sinne der Wiedergutmachung eine Aufenthaltsgenehmigung aus dringenden
humanitären Gründen erteilen.
Abschiebungen und
Abschiebungsgewahrsam
Der Senat wird die in der
vergangenen Legislaturperiode eingeleiteten Maßnahmen zur Vermeidung von
Abschiebehaft und zur Verbesserung der Situation im Abschiebegewahrsam
weiterführen.
Der Senat wird insbesondere bei
Minderjährigen von Abschiebehaft absehen, wenn die Erreichbarkeit gesichert
ist.
Die medizinische Versorgung wird in
Zusammenarbeit mit der Landesärztekammer verbessert.
Die baulichen Verhältnisse des
Abschiebegewahrsams werden verbessert. Dazu gehören auch die Beseitigung
der Innengitter und die Umgestaltung der Besucherräume.
Die Koalitionsparteien werden sich
auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Abschiebung von Schwangeren zumindest
drei Monate vor und nach der Geburt ausgesetzt wird.
Flüchtlingspolitik
Der Umgang mit Flüchtlingen
orientiert sich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben an den Menschenrechten und der
Humanität. Berlin wird weiterhin Menschen helfen, die vor Krieg oder Verfolgung
fliehen mussten. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass es zu einer
gerechten Verteilung zumindest der fiskalischen Hilfen innerhalb
Deutschlands, aber auch innerhalb der Europäischen Union kommt.
Das Land Berlin wird bei seinen
Entscheidungen zu Flüchtlingen auch die aktuellen Einschätzungen des
Auswärtigen Amtes und des UNHCR berücksichtigen.
Das Land Berlin wird sich beim Bund
für ein dauerhaftes Bleiberecht für langjährig in Deutschland lebende Roma
einsetzen.
”Residenzpflicht”
Das Land Berlin wird die Ausnahmen
von den Regelungen zum Verlassen eines zugewiesenen Aufenthaltsbereichs nach §
58 AsylVfG flexibel handhaben, um unbillige Härten für Asylbewerberinnen und
-bewerbern zu vermeiden. Hierzu ist eine Vereinbarung mit Brandenburg
anzustreben.
Aufenthaltsrechtlich statuslose
Menschen (sans papiers)
Wir wollen die Situation
aufenthaltsrechtlich statusloser Menschen durch die Gewährleistung humanitärer
Mindeststandards verbessern.
Härtefallgremium
Die bisherige positive
Arbeit des Gremiums für ausländerrechtliche Härtefälle wird fortgesetzt.
8. Volksentscheid und bezirkliche Selbstverwaltung
Wir wollen die demokratischen Mitwirkungsrechte der
Bürgerinnen und Bürger verbessern.
Direkte Demokratie auf Landesebene soll durch eine
Vereinfachung der formalen Voraussetzungen für Volksinitiative, Volksbegehren
und Volksentscheid (vereinfachte Sammlungsbedingungen, angemessene Fristen),
erleichtert werden. Die Koalitionsparteien streben dabei auch eine Absenkung
der Quoren an. Zusätzlich prüfen wir, ob die Möglichkeiten für Volksbegehren
erweitert werden können.
Die direkten Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten der
Berlinerinnen und Berliner auf Bezirksebene werden erweitert. Bürgerentscheide
auf der Basis von Bürgerbegehren werden ermöglicht. Sammlungsbedingungen,
Fristen sowie Quoren werden zugunsten der Initiativen novelliert.
Wir werden das Bezirksverwaltungsgesetz ändern, um in den
Bezirksverordnetenversammlungen Bürgerfragestunden bzw. Bürgeranhörungen zu
ermöglichen.
Berlin wird die Bundesratsinitiative der Länder Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Schleswig-Holstein zum kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und Nicht-EU-Bürger unterstützen.
Die Koalition
ergreift eine Initiative zur Einführung des aktiven Wahlrechts ab 16 Jahren für
die Wahlen zu den Bezirksverordneten-Versammlungen.
Politisches
Bezirksamt
Wir werden
gemeinsam mit anderen Fraktionen des Abgeordnetenhauses eine Initiative
ergreifen, um die Bildung der Bezirksämter nach Proporz mit Beginn der nächsten
Wahlperiode zu beenden. Hierbei soll die Zahl der Bezirksamtsmitglieder in
Zukunft auf fünf begrenzt werden.
Bezirksamtsmitglieder,
deren Amt vorzeitig endet, sollen in Zukunft nur noch ein Übergangsgeld
erhalten und nicht mehr Amtsbezüge bis zum Ende ihrer ursprünglich vorgesehenen
Amtszeit beziehen.
Die Informationsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger über freiwilliges bürgerschaftliches Engagement sind zu verbessern. Die Arbeit der Berliner Freiwilligenagentur ist in diesem Sinne sicherzustellen und auszubauen. Die Berliner Verwaltung hat in ihrer moderierenden und aktivierenden Rolle die Vernetzung des Interesses der Bürgerinnen und Bürger mit der lebendigen Vielfalt bürgerschaftlichen Engagements im Umwelt-, Sozial-, Sport-, Kultur- oder Gesundheitsbereich zu ermöglichen. Die Arbeit z.B. von Sportvereinen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Bürgerinitiativen, Freiwilligen Feuerwehren, DRK oder THW, aber auch Agenda21-Gruppen ist einzubeziehen. Aufgabe des Staates ist es, die Rahmenbedingungen für das Bürgerengagement zu sichern und verbessern (z.B. Überlassung und Vermittlung von Räumen, Beratung beim Aufbau von Gruppen, Entbürokratisierung der Verfahren, Prüfung der Möglichkeiten der Verbesserungen im Versicherungsschutz).
Die Rechtspflege dient dem inneren
Frieden. Sie gewährleistet, dass Konflikte in unserer Gesellschaft in geordneten
und rechtsstaatlichen Bahnen entschieden werden. Jedoch muss die Justiz ihre
Entscheidungen auch schnell und für die Bürgerinnen und Bürger verständlich
treffen, um von den Betroffenen akzeptiert zu werden. Rechtsgewährung ist
Dienst für die Menschen in unserer Stadt.
Lange Verfahrensdauer, ausbleibende
Vollstreckungen, langatmige Registersachen untergraben nicht nur die Akzeptanz
der Justiz und das Rechtsstaatsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger, sondern
können sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Unternehmen zur
existenziellen Bedrohung werden. Eine stockende Justiz wird damit auch zu einem
Hemmschuh wirtschaftlicher Entwicklung.
Ausgehend von der unabweisbaren
Pflicht des Staates zur Rechtsgewährung für den Bürger und zur Sicherung einer
gleichmäßigen und qualitativ angemessenen Rechtspflege und einer wirksamen
Strafverfolgung vereinbaren die Koalitionsparteien, entschiedene Schritte zur
technischen und organisatorischen Modernisierung der Berliner Justiz in Angriff
zu nehmen.
Gerichtsbarkeit
Die zum großen Teil aus dem
vorletzten Jahrhundert stammende Organisation der Arbeitsabläufe in der
Gerichtsbarkeit bedarf dringend der Modernisierung. An einer nachhaltigen
Optimierung der Geschäftsprozesse u. a. durch die Bildung von Serviceteams und
durch den Einsatz von Gerichtsmanagern geht kein Weg vorbei.
Die Übernahme von Führungsfunktionen
darf nicht allein an die juristische Kompetenz geknüpft werden, sondern muss
verstärkt auch die Fähigkeit zur Personalführung und organisatorisches Geschick
berücksichtigen. Diesem Bedarf müssen auch Fortbildungsangebote und
-anforderungen gerecht werden.
Die Organisation der Gerichtsbarkeit
ist nach den im Verwaltungsreformgrundsätzegesetz bestimmten Prinzipien,
angepasst an die jeweils besonderen Erfordernisse, zu modernisieren. Am
Landgericht werden Leistungs- und Verantwortungszentren gebildet. Die
Amtsgerichte sind zu verselbständigen und mit Entscheidungsbefugnissen über
Personal- und Sachmittel auszustatten. Die konkrete Umsetzungsplanung wird im
Jahr 2002 vorgelegt.
Das Justizverwaltungsamt wird
aufgelöst.
Im Interesse der Bürgernähe der
Justiz ist zu prüfen, ob in den Bürgerämtern auch Rechtsantragsstellen der
Gerichte eingerichtet werden können.
Zur Entlastung der Zivilgerichte
wird die Einführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens angestrebt. Bei
Ausgestaltung des entsprechenden Landesgesetzes werden die Kompetenzen und
Fähigkeiten der ehrenamtlichen Berliner Schiedsleute angemessen berücksichtigt
sowie die Erfahrungen anderer Bundesländer ausgewertet.
Der Senat wird bis Mitte 2002 ein
Konzept zur Nutzung der
Experimentierklausel der ZPO durch das Land Berlin vorlegen.
Der Senat strebt zur
Vereinheitlichung und Effektivierung der Rechtsprechung eine Vereinbarung mit
dem Land Brandenburg über die Bildung gemeinsamer Obergerichte entsprechend der
im Einigungsstaatsvertrag mit dem Land Brandenburg erzielten Übereinkunft an.
Das derzeit noch vom Bundesverwaltungsgericht genutzte Gerichtsgebäude in der
Hardenbergstraße wird für ein gemeinsames Oberverwaltungsgericht vorgehalten.
Die Ausstattung der Gerichte mit
moderner Büro- und Kommunikationstechnik ist umgehend zu verbessern. Es wird
ein Sofortprogramm entwickelt und umgesetzt, das die Kommunikation innerhalb
der Justiz sowie mit der Polizei (auch länderübergreifend mit Brandenburg)
verbessert und eine Erstausstattung der Gerichte, insbesondere der
Geschäftsstellen, mit netzfähigen PCs, Faxgeräten, Kopierern und
Anrufbeantwortern sicherstellt. Dieses auch die Ausstattung der
Staatsanwaltschaft beinhaltende Programm ist unverzüglich zu entwickeln und
zeitnah umzusetzen. Dafür wären Haushaltsmittel in Höhe von 39 Mio. Euro
erforderlich. Die schrittweise Verbesserung der IT-Ausstattung bildet die
Voraussetzung für einen Konsolidierungsbeitrag der Gerichtsbarkeit im Bereich
der Personalkosten auf Grund der erzielten Effektivitäts- und
Rationalisierungseffekte.
Juristinnen- und Juristenausbildung
Die Juristinnen- und
Juristenausbildung und das Prüfungswesen sowie die Ausbildung für die anderen
Justizberufe sollte nach Möglichkeit von den Ländern Berlin und Brandenburg
gemeinsam durchgeführt werden.
Die Dauer des ersten Staatsexamens
(vom Beginn der 1. Klausur bis zur Zeugnisaushändigung) ist deutlich zu
reduzieren.
Referendarinnen und Referendare
sollen zukünftig nicht mehr verbeamtet werden.
Es soll für sie ein
Ausbildungsverhältnis mit einer entsprechenden Vergütung eingerichtet werden.
Strafverfolgung
Eine funktionierende Strafverfolgung
ist eine Voraussetzung effektiver Kriminalitätsbekämpfung und verdient daher
besondere Aufmerksamkeit.
Die Organisation und insbesondere
die technische Ausstattung der Staatsanwaltschaft sind kontinuierlich und
nachhaltig zu modernisieren. Die Verbesserung der Ausstattung der
Staatsanwaltschaft mit IuK-Technik ist Bestandteil des oben genannten
Sonderprogramms.
Die Raumsituation von Teilen der
Staatsanwaltschaft ist untragbar und so schnell wie möglich zu verbessern.
Die Anwendung des beschleunigten
Verfahrens als besonders nachdrückliche Reaktion auf leichtere Kriminalität
wird ausgebaut. Die organisatorischen Bedingungen für seine Anwendung werden
verbessert.
Geeignete Ermittlungsverfahren
sollen zur Entlastung der Staatsanwaltschaft verstärkt auf die Amtsanwaltschaft
übertragen werden.
Die Verfolgung von schweren
Wirtschaftsdelikten und Korruption bildet einen Ermittlungsschwerpunkt der
Staatsanwaltschaft. Dafür sind die notwendigen personellen und sachlichen
Voraussetzungen bereitzustellen. Die Arbeitsgruppe Korruption wird die
Qualifizierung der Innenrevision der Berliner Behörden verstärken und die
Umsetzung von allgemein anerkannten präventiven Maßnahmen in allen Verwaltungen
befördern. Es werden Regelungen geschaffen, mit denen die Firmen, die sich an
Korruptionshandlungen beteiligt haben, auf längere Zeit von der Vergabe
öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Die Bemühungen um Sicherstellung von
Vermögenswerten aus Straftaten werden intensiviert. Die Möglichkeit
einer Zweckbindung von Teilen dieser
abgeschöpften Mittel für die
Opfer- und Straffälligenhilfe ist zu prüfen.
Zur Verfolgung internationaler
Kriminalität ist die europäische Zusammenarbeit zu verstärken. Berlin wird sich
weiterhin aktiv am Aufbau einer institutionellen Zusammenarbeit von
europäischen Staatsanwaltschaften im Rahmen des EUROJUS -Projektes engagieren.
Dabei setzt sich die Berliner Justiz besonders für die Sicherung der
demokratischen Legitimation und Kontrolle des grenzüberschreitenden Wirkens
dieser Institution sowie für die Garantie der Bürgerrechte, für einen
zuverlässigen Datenschutz und für die Schaffung eines angemessenen
Rechtsschutzes der Bürgerinnen und Bürger ein.
Straftaten Jugendlicher vorbeugen
Insbesondere im Bereich der
Jugenddelinquenz ist die Schnelligkeit der Reaktion wichtig, damit diese einen
pädagogischen Zweck erfüllt. Die Koalitionspartner wollen daher das Projekt zur
Vermeidung weiterer Straftaten von Jugendlichen (Diversionsrichtlinie) in
Zusammenarbeit mit der Polizei fortführen. Staatsanwaltschaft, Polizei,
Jugendbehörden und freie Träger sollen wohnortbezogen stärker vernetzt werden.
Eine abgestimmte regionale Ausrichtung von Jugendstaatsanwaltschaft,
Kriminalpolizei und der Jugendgerichte ist anzustreben.
Die Staatsanwaltschaft soll dafür
sorgen, dass pädagogische Maßnahmen in geeigneten Fällen entsprechend dem
Jugendgerichtsgesetz stärkeres Gewicht erhalten. Strafverfolgungsmaßnahmen sind
insoweit stärker mit wohnortbezogenen Präventionsinitiativen zu verzahnen.
Die Koalitionsparteien werden eine
Initiative ergreifen, um die Sozialarbeit im Bereich der Jugenddelinquenz durch
Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts zu erleichtern.
Opferschutz
Die Opferhilfe muss verstärkt werden.
Das betrifft sowohl die praktische Hilfe für Opfer von Straftaten als auch
deren Betreuung als Zeuginnen und Zeugen vor Gericht und die Unterstützung bei
der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Schadenswiedergutmachung. Dabei ist die
Tätigkeit der freien Träger in der Opferhilfe unbedingt zu sichern.
Frauen ist in Gewaltsituationen -
auch auf der Grundlage des neuen Gewaltschutzgesetzes - größtmöglicher Schutz
zu gewähren. Frauenhäuser und andere Zufluchtsmöglichkeiten sind weiter
unverzichtbar.
Strafvollzug
Die anhaltende Überbelegung in den
Justizvollzugsanstalten Berlins ist ein auf Dauer nicht hinnehmbarer Zustand.
Da eine wesentliche Erweiterung der Haftplatzkapazität nicht in Aussicht steht,
ist dieser Situation mit unterschiedlichen Maßnahmen zu begegnen.
Maßnahmen der Haftvermeidung
sind auszubauen. Dazu gehört die
Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit. Die Erhöhung
des Anteils von Entlassungen zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der
Strafe wird angestrebt. Eine Entlassungsvorbereitung aller Häftlinge ist zu
sichern, um die Chance für ein straffreies Leben nach der Haftentlassung zu
erhöhen und die Rückfallquote zu senken. Die Bemühungen um die Schaffung von
Arbeits- und Ausbildungsplätzen für Strafgefangene werden verstärkt.
Strafgefangene mit
Migrationshintergrund sind entsprechend ihrer Fähigkeiten in alle
Resozialisierungsmaßnahmen im Strafvollzug einzubeziehen. Dabei ist die
Verbesserung der Vermittlung von deutschen Sprachkenntnissen von großer Bedeutung.
Die bisher schon vorhandenen
Möglichkeiten, dass ausländische Gefangene ohne soziale Bindung ihre Strafhaft
in ihrem Heimatland verbüßen, sollen verstärkt genutzt werden.
Für die Resozialisierung der Täter
ist es wichtig, die Sozialen Dienste der Justiz leistungsfähig zu erhalten.
Ebenso bedeutsam ist die Sicherung der Leistungen der freien Träger für
Betreuung von Straftätern bei der Vermeidung von Haft, bei der Betreuung in der
Haft, bei der Entlassungsvorbereitung sowie bei der Hilfe nach Verbüßung einer
Freiheitsstrafe beim Übergang in das Leben in Freiheit.
Der Prozess der Modernisierung des
Justizvollzugs wird fortgeführt. Insbesondere das Projekt zur Neuordnung des
Arbeitswesens ist zum Abschluss zu bringen und in geeigneter Weise in allen Justizvollzugsanstalten
umzusetzen.
Dabei ist auch die Kooperation mit
privaten Anbietern zu verstärken. Auch künftig werden
Interessenbekundungsverfahren bei privatisierungsgeeigneten Dienstleistungen
des Justizvollzugs weiterhin durchgeführt.
Sollte ein weiterer Anstieg der Zahl
der Strafgefangenen dennoch die Schaffung neuer Haftplätze zur Sicherung des
gesetzmäßigen Strafvollzugs gebieten, ist dies zwingend mit der Bereitstellung
zusätzlichen Personals zu verbinden. Bei derartigen Kapazitätserweiterungen ist
der offene Vollzug zu bevorzugen. Die Justizvollzugsanstalt Heidering bei
Großbeeren wird in dieser Wahlperiode nicht gebaut.
Der in der Justizvollzugsanstalt
Plötzensee vorgesehene Erweiterungsbau des Justizvollzugskrankenhauses wird
öffentlich ausgeschrieben und wegen seiner besonderen Priorität zeitnah
realisiert. Die Pläne für den Bau des Justizvollzugskrankenhauses Buch werden
daher nicht weiter verfolgt.
Im Interesse der Sicherheit der
Bevölkerung wird die sozialtherapeutische Einrichtung für Sexualstraftäter in
der Justizvollzugsanstalt Tegel zeitnah ihren Betrieb in vollem Umfang
aufnehmen.
Bildung ist die wichtigste
Voraussetzung für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Die neuen
Herausforderungen in der Wissensgesellschaft und Arbeitswelt erfordern die
Leistungsbereitschaft und das Engagement des Einzelnen. Chancengleichheit
bedeutet, dass alle Kinder und Jugendlichen entsprechend ihrer Begabungen und
Fähigkeiten gefördert und soziale und kulturelle Bildungsbenachteiligungen ausgeglichen werden.
Die Kinder und Jugendliche haben
einen Anspruch auf die bestmögliche Ausbildung. Die Berliner Schule muss so
ausgestattet sein, dass sie diesem Anspruch gerecht werden kann.
Ziel ist es, die Qualität der
Bildungseinrichtungen durch Neugestaltung der Rahmenpläne sowie durch stärkere
Profilbildung zu steigern. Die Schulen erhalten mehr Eigenständigkeit,
Handlungsfähigkeit und Verantwortung. Wir wollen die Schulen befähigen, sich
einem fairen Wettbewerb zu stellen.
Die Ergebnisse der PISA-Studie haben
die Koalition darin bestärkt, vorrangig und mit allem Nachdruck auf folgenden
Handlungsfeldern tätig zu werden:
1. Verbesserung der Sprachkompetenz bereits im
vorschulischen Bereich
2. Verzahnung von vorschulischem Bereich und
Grundschule, auch mit dem Ziel einer frühzeitigeren Einschulung in geeigneten
Fällen
3. Verbesserung der Grundschulbildung und die
durchgängige Verbesserung der Lesekompetenz und des grundlegenden
Verständnisses mathematischer und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge
4. Wirksame Förderung bildungsbenachteiligter
Kinder, insbesondere auch der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
5. Konsequente Weiterentwicklung und Sicherung
der Qualität von Unterricht und Schule auf der Grundlage von verbindlichen
Standards sowie einer ergebnisorientierten Evaluation
6. Verbesserung der Professionalität der
Lehrertätigkeit, insbesondere im Umgang mit der Heterogenität der Schülerschaft
und im Hinblick auf diagnostische und methodische Kompetenz als Bestandteil
systematischer Schulentwicklung
7. Ausbau von schulischen und außerschulischen
Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter Bildungs-, Lern- und
Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit
Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen
Alle Maßnahmen auf diesen
Handlungsfeldern setzen zwingend verlässliche Rahmenbedingungen zur Personal-
und Unterrichtsversorgung voraus.
Schulen brauchen für ihre Arbeit
verlässliche Rahmenbedingungen, um ihren pädagogischen Auftrag leisten zu können.
Für die kommenden fünf Schuljahre wird daher auf der Basis der in dieser
Vereinbarung festgelegten Ausstattungsbedingungen eine verlässliche
Unterrichts- und Lehrerbedarfsplanung erstellt.
Die im Schuljahr 2001/02 neu
begonnenen pädagogischen Verbesserungen (z.B. Fremdsprachenfrühbeginn,
Frequenzsenkung in Schulen mit einem hohen Anteil von Schülern nichtdeutscher
Herkunftssprache in sozial benachteiligten Gebieten, Ausweitung des
Schulversuchs ”Verlässliche Halbtagsschule” um 25 Schulen und Aufstockung des
Integrationsvolumens) werden fortgeführt. Hierfür stehen ab dem Schuljahr
2002/03 zusätzlich 320 Stellen zur Verfügung.
Trotz der schwierigen Haushaltslage
wird es darüber hinaus aufgrund der sinkenden Schülerzahlen in den Jahren 2002
bis 2006 zu weiteren pädagogischen Verbesserungen kommen, da von den durch
Schülerrückgang bedingten personellen Spielräumen zusätzlich insgesamt 1.040
Stellen für neue pädagogische Maßnahmen genutzt werden. Die zusätzlichen
Stellen werden u.a. verwendet für:
·
die Einrichtung
weiterer 30 Ganztagsgrundschulen
·
den
schrittweisen Ausbau der Grundschulen im Westteil zu verlässlichen
Halbtagsgrundschulen (VHG) und die schrittweise Verknüpfung mit dem offenen
Ganztagsbetrieb (OGB) zu einem einheitlichen Angebot in der ganzen Stadt
·
die
Verbesserung der Fördermöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler
nichtdeutscher Herkunftssprache
·
Integrationsunterricht
(gemeinsame Erziehung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung)
·
Frequenzabsenkungen
in Schulen in sozialen Brennpunkten und für Schulen der Sekundarstufe mit
besonders hohen Frequenzen
·
die
Umsetzung der Reformanforderungen an den Berliner Schulen.
Die Maßnahmen zur Verbesserung der
pädagogischen Bedingungen für Schulen in sozialen Brennpunkten werden in einem
Sofortprogramm zusammengefasst.
Der Stellenrahmen für das
pädagogische Personal der Berliner Schule wird für diese Legislaturperiode
verbindlich festgelegt. Grundlage für die Festlegung des Stellenrahmens ist die
aktuelle Lehrerbedarfsplanung.
Eine Veränderung des Stellenrahmens
gegenüber der Ursprungsplanung erfolgt lediglich aufgrund der auf der Basis der
jeweiligen Ist-Zahlen aktualisierten Schülerprognosen.
Die für die Anrechnungs- und
Ermäßigungsstunden zur Verfügung stehenden Stellen werden um 300 Stellen (das
entspricht 10 Prozent des Volumens im Schuljahr 2001/02) im nicht-pädagogischen
Bereich verringert. Die Anrechnungsstunden für Referendare/Studienanwärter
werden um eine Stunde pro Woche erhöht. Dies entspricht einem Volumen von 100
Lehrerstellen.
Mit diesen Festlegungen ist
sichergestellt, dass in dieser Legislaturperiode Einstellungsmöglichkeiten im
Umfang von über 4000 Stellen geschaffen werden.
Die Unterrichtsstundenguthaben aus den
Arbeitszeitkonten werden wie vereinbart vollständig zurück gegeben. Die
gegenwärtige Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte soll in dieser
Legislaturperiode nicht erhöht werden. Dies steht jedoch in Abhängigkeit zu den
Vereinbarungen im angestrebten Solidarpakt.
Frühpensionierungen sind
auszuschließen, sofern die Lehrkraft in anderer Funktion an der Schule
eingesetzt werden kann.
Das Schul- und Sportstättenprogramm
wird in der gesamten Legislaturperiode mit einem jährlichen Volumen von 52 Mio
Euro fortgeführt.
In der Legislaturperiode werden
umgehend die rechtlichen und verwaltungsorganisatorischen Voraussetzungen
geschaffen, um die folgenden Leitlinien einer erweiterten Selbständigkeit der
Schulen umzusetzen:
1. Gestaltung des Unterrichts und
des Schullebens
Die Schulen gestalten im Rahmen der
rechtlichen Vorgaben selbstständig und eigenverantwortlich ihre
pädagogische, personelle, finanzielle
und organisatorische Tätigkeit. Die Schulen öffnen sich gegenüber ihrem
sozialen und kulturellen Umfeld und kooperieren mit Trägern der öffentlichen
und freien Jugendhilfe sowie mit anderen außerschulischen Einrichtungen und
Institutionen (u.a. Nachbarschaftsschulen, Kooperation Schule-Wirtschaft).
Die Schulen legen pädagogische Ziele
und Schwerpunkte ihrer Arbeit mit dem Ziel fest, diese in einem Schulprogramm
für die Sicherung und Entwicklung der Qualität schulischer Arbeit
zusammenzuführen. In diesem Rahmen kann die Schule ein schuleigenes Curriculum
in Ausgestaltung der Rahmenpläne entwickeln und von Bestimmungen der
Stundentafel in einem definierten Umfang abweichen. Sie überprüfen regelmäßig
das Erreichen ihrer pädagogischen Ziele und die Umsetzung ihrer verabredeten
Arbeitsschwerpunkte oder ihres Schulprogramms und stimmen dies mit der
zuständigen Schulaufsicht ab.
Die Schulkonferenz wird
Leitbildgeber und Instanz für die pädagogischen und organisatorischen
Grundentscheidungen innerhalb der Schule. Sie entscheidet über ein Schulprogramm,
das Evaluationsprogramm, den Haushaltsplan der Schule sowie über Maßnahmen der
Schule zur Wahrnehmung ihrer pädagogischen Gestaltungskompetenz (Abweichungen
von der Stundentafel, Organisation besonderer Bildungs- und Erziehungsaufgaben
als Aufgabengebiete, Einrichtung von altersgemischten und
jahrgangsübergreifenden Lerngruppen an Grundschulen, u.a.m.). Zur Stärkung der
Schulkonferenz kann an allgemein bildenden Schulen eine nicht der Schule
angehörende Person, an beruflichen Schulen je ein Vertreter der Arbeitgeber und
der Arbeitnehmer zusätzlich in die Schulkonferenz mit Stimmrecht aufgenommen
werden.
Die Schulleiterinnen und Schulleiter
werden zu Führungskräften mit Ergebnisverantwortung. Sie tragen im Rahmen der
für ihre Schule geltenden Schulprogramme und Zielvereinbarungen Verantwortung
für die fachliche Leistungserbringung und den Einsatz der dafür bereit
gestellten personellen und sächlichen Mittel. Sie sind für die
Aufgabenerfüllung, die Qualität und Effektivität der schulischen Arbeit verantwortlich.
Die Schulleitungsaufgaben mit Ergebnisverantwortung werden auf fünf Jahre
befristet übertragen. Danach werden sie neu ausgeschrieben; erneute
Übertragungen sind zulässig.
2. Erweiterte Personalverantwortung
Die Schulen werden künftig an der
Auswahl ihres Personals beteiligt. Das heißt: geregelte und transparente
Verfahren von Ausschreibung und Auswahl, Anforderungsprofile als Grundlage für
dienstliche Beurteilungen, interne Evaluation zur Qualität der Dienstleistung
sowie Maßnahmen zur Personalentwicklung und zur Führungskräftequalifizierung.
Die Schulen erhalten die Befugnis, für pädagogische Projekte und Vertretungen
Verträge abzuschließen und dafür ihre Personal- und Sachmittel in Anspruch zu
nehmen.
Vom Schuljahr 2002/2003 an können die
Schulen über ein eigenes Personalmittelbudget in Höhe von mindestens 2 Prozent
der Personalzuweisung verfügen. Damit soll eine kurzfristige Vertretung bei
Unterrichtsausfall ermöglicht werden. Bei befristet eingestellten Lehrkräften
beschränkt sich das Recht der Beschäftigtenver-tretungen auf Mitwirkungsrechte.
Die Koalitionsfraktionen bringen umgehend ein entsprechendes Vorschaltgesetz
ins Abgeordneten-haus ein.
Die Schulleiterin bzw. der
Schulleiter entscheidet über den Einsatz des Schulpersonals in Unterricht und
Erziehung, Betreuung, Aufsicht, Technik und Verwaltung. Sie oder er ist
gegenüber allen an der Schule tätigen Personen weisungsbefugt und hat ein
Eingriffsrecht in die Unterrichts- oder Erziehungsarbeit bei Verstoß gegen
Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder Konferenzbeschlüsse sowie bei
schwerwiegenden Mängeln in der Qualität der pädagogischen Arbeit. Die
Schulleiterin oder der Schulleiter nimmt Aufgaben des oder der
Dienstvorgesetzten wahr.
Durch Kapitalisierung eines Teils
der bisher durch Abordnungen von Lehrerstellen angebotenen
Fortbildungsleistungen werden den Schulen spätestens ab 2003 Mittel für
schulinterne Fortbildung zweckgebunden zur Verfügung gestellt.
3. Neugestaltung der Arbeitszeit
Zur Sicherung des Unterrichts, aber auch
für die Gestaltung von Reformprojekten sollen Schulen eigenverantwortlich und
auch abweichend vom derzeitigen Pflichtstundenmodell im Rahmen ihres
Arbeitszeit- bzw. Personalkontingents sowie von Honorarmitteln die Arbeitszeit
flexibel gestalten können. Dafür werden die Rahmenbedingungen mit den
Lehrergewerkschaften und -verbänden vereinbart.
Ziel ist die Entlastung des
Schulalltags von zeitaufwändigen und bildungsfernen Tätigkeiten durch eine
Reduzierung der Regelungsdichte und den Abbau von Bürokratie. Die derzeitigen
Verwaltungsvorschriften, zum Beispiel über Stoffe von Klassenarbeiten, legen
kurzfristiges Einüben nahe und widersprechen dem Konzept schulischen Lernens
als Kompetenzerfahrung.
Aufgrund der unterschiedlichen
Arbeitsbelastungen der Lehrer in den verschiedenen Fächern (Umfang der Vor- und
Nachbereitungszeit) ist eine Differenzierung der Arbeitszeit anzustreben, um
mehr Gerechtigkeit herzustellen. In der laufenden Legislaturperiode wird ein
entsprechendes Modell entwickelt. Damit soll ein Umverteilungspotenzial
innerhalb der einzelnen Schule geschaffen werden.
Das pädagogische Personal in den
Berliner Bildungseinrichtungen wird künftig zur Teilnahme an Fortbildungen
verpflichtet. Diese erfolgen in der unterrichtsfreien Zeit und in den Ferien.
Es werden die rechtlichen
Voraussetzungen geschaffen, dass von der Einzelschule angeordnet werden kann,
dass alle Lehrkräfte drei Arbeitstage vor Beginn eines neuen Schuljahres in der
Schule anwesend sein müssen, um den reibungslosen und pünktlichen Schuljahresbeginn
sicher zu stellen.
Alle kostenneutralen Möglichkeiten
zur Erhöhung des Teilzeitanteils in allen Altersgruppen und insbesondere zur
Erhöhung der Altersteilzeitquote sind mit dem Ziel zu prüfen und zu
realisieren, den Einstellungskorridor für junge Lehrkräfte zu vergrößern.
4. Budgetierung und Flexibilisierung
Die Schulen verfügen über einen
eigenen Etatansatz. Ihnen werden im Sinne der Expertenkommission
Staatsaufgabenkritik zum Schuljahresbeginn 2003/04 alle vom
Haushaltsgesetzgeber für ihre Aufgaben beschlossenen Mittel - entsprechend
bezirklicher Zuweisung - auf ihr jeweiliges Schulkonto zur
Selbstbewirtschaftung zugewiesen.
Die Schulen erhalten beginnend mit
dem Schuljahr 2002/03 Lehr- und Lernmittel entsprechend der Zuweisung ungekürzt
zur Selbstbewirtschaftung. Die Schulen verfügen über diese Mittel in eigener
Verantwortung. Der Schulträger kann dabei Wertausgleichsmaßnahmen zur
bedarfsgerechten Ausstattung vornehmen.
5. Qualitätsentwicklung und
Standardsicherung
Bildungspolitik braucht Transparenz
über die Wirksamkeit und die Leistungen des Schulsystems. Regelmäßige
Qualitätsuntersuchungen (Systemmonitoring) müssen ergänzt werden durch den
Ausbau der Schul- und Unterrichtsforschung.
Dazu gehören die kontinuierliche
Beratung, Erfassung und Auswertung der Unterrichts- und Erziehungstätigkeit der
Schulen, ihrer Schulorganisation, ihres Schullebens und ihrer
außerunterrichtlichen Kooperationen sowie die Überprüfung der schulischen
Standards und der Umsetzung der Schulprogramme. Methoden der Qualitätssicherung
sind u.a. interne und externe Evaluationen sowie schul- und
schulartübergreifende Vergleiche. Um gestaltend tätig werden zu können,
wird durch Umschichtungen innerhalb des Haushaltes der Senatsschulverwaltung
der Titel für Qualitätsuntersuchungen und Schulforschung erheblich verstärkt.
Als erster Schwerpunkt der künftigen
Systemevaluation ist eine Untersuchung zur Effizienz und Wirksamkeit der
Jahrgangsstufen 5 und 6 vorzunehmen. Dazu werden als Querschnittuntersuchung
(in Analogie zu Hamburg) zum Beginn der Jahrgangsstufe 5 und 7 in Verbindung
mit allen relevanten Kontextbedingungen die Lernausgangslagen bzw.
Kompetenzstufen erhoben. Die Ergebnisse sind im Hinblick auf eine weitere
Qualifizierung der Jahrgangsstufen 5 und 6 zu bewerten.
Der bislang im
Schulverfassungsgesetz bestehende Landesschülerausschuss wird im neuen
Schulgesetz durch das in anderen Bundesländern, z.B. Brandenburg, bestehende
Modell der Landesschülervertretung ersetzt.
Als Beitrag zur Sicherung und
Entwicklung der Qualität im Schulsystem muß über die Schulen hinaus die
Wirksamkeit der Steuerungsleistungen der Schuladministration untersucht und in
einem eigenen Prozess der Qualitätsentwicklung unterzogen werden.
Die Ganztags- und Betreuungsangebote
für Grundschulkinder werden ausgebaut. Ziel ist es, allen Kindern eine bessere
Bildung, Erziehung und Betreuung zu garantieren und die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf zu gewährleisten.
Der Ausbau der Ganztagsangebote
erfolgt schrittweise. Vorrangig werden zunächst Schulen in Wohngebieten mit
sozial benachteiligenden Bedingungen und einem überdurchschnittlichen Anteil
von Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache berücksichtigt.
Die Verlässliche Halbtagsgrundschule
(VHG) ist Grundbaustein der
Ganztagsbetreuung, die durch den Offenen
Ganztagsbetrieb und außerschulische Angebote wie Kitahorte und Schülerläden in
Kooperation mit der Jugendhilfe ergänzt wird. Die Koalitionsparteien werden die
VHG in dieser Legislaturperiode flächendeckend einführen.
Die VHG bietet auf der Basis eines
integrierten Konzeptes von Unterrichts- und Erziehungsarbeit eine gesicherte
Betreuung in der Schule in der Zeit von 7.30 bis 13.30 Uhr.
Der Bildungs- und Erziehungsauftrag
ist durch neue Konzepte der Zusammenarbeit zwischen Eltern, Erzieher/innen und
Lehrer/innen zu sichern. Dazu muss über die Einführung einer Lehrerpräsenszeit
verhandelt werden.
1.2. Früh- und Nachmittagsangebote
Wird die Betreuung der
Grundschulkinder vor Beginn der VHG, nach Ablauf der VHG bzw. in Ferienzeiten
gewünscht, so erfolgt diese im Rahmen der bestehenden und bedarfsgerecht
auszubauenden Angebote im Offenen Ganztagsbetrieb, im Rahmen hortähnlicher
Betreuung bzw. in außerschulischen Angeboten wie in Kitahorten in öffentlicher
bzw. freier Trägerschaft und in Schülerläden in unmittelbarer Nachbarschaft der
VHG. Die Verantwortung dafür tragen die Grundschulen in Abstimmung mit dem
Jugendhilfeträger und der Jugendhilfeplanung. Schulische und außerschulische
Träger sollen ihre pädagogischen Konzepte aufeinander abstimmen. Diese
Kooperation ist im Umfeld der Schule im Interesse der Kinder und Eltern zu
sichern.
1.3. Ausbau der Ganztagsgrundschulen
In Berlin werden mindestens 30
weitere Ganztagsgrundschulen eingerichtet. Wegen ihrer besonderen
Aufgabenstellung erhalten sie 10% der zusätzlichen Personalkosten als Mittel zu
flexiblen Verwendung. Nahegelegene städtische Kitas sind in die Raumplanung
einzubeziehen. Auch bei den Ganztagsgrundschulen ist die Früh- und
Spätbetreuung abzusichern.
1.4. Profilierung der Gesamtschule
Die Gesamtschulen
sind weiter zu entwickeln. Ziel ist, die individuelle Förderung von
leistungsstarken wie leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern
gleichermaßen zu gewährleisten und damit Chancengleichheit besser zu sichern.
Der weitere qualitative Ausbau von Gesamtschulen wird durch die Verankerung von
gymnasialen Oberstufen an den Gesamtschulen, sei es durch eigene Oberstufen,
sei es im Verbund mit anderen Gesamtschulen oder Gymnasien, von der Koalition
unterstützt. Gesamtschulen bieten eine gute Voraussetzung für die Fortführung
der staatlichen Europaschulen.
2. Reform von
Unterrichtsinhalten, Lehr- und Lernformen
Die Koalition strebt eine umfassende
Reform von Unterrichtsinhalten, Lehr- und Lernformen der Berliner Schule an. In
der Wissensgesellschaft kommt es nicht länger auf die Vermittlung eines
(ständig wachsenden) Wissenskanons, sondern auf die Sicherung der Voraussetzung
des selbständigen Weiterlernens und die Anschlussfähigkeit des schulischen
Wissens für spätere Lernprozesse an. Damit kann die Schule sich öffnen für die
Vermittlung einer soliden Wissensbasis und für ein gut vernetztes, flexibel
einsetzbares, in unterschiedlichen Anwendungen erprobtes, kurz: intelligentes
Wissen.
In der Berliner Schule steht die
Reduzierung der Stofffülle und des Zeitdrucks, eine Stärkung der
Methodenvielfalt, die Überwindung der Dominanz des Frontalunterrichts durch
Gruppen- und Projektarbeit, die Stärkung des fächerübergreifenden Unterrichts
und die Modernisierung der Lerninhalte an.
Leitlinien sind unter anderem:
- ein
gutes, anwendbares Fundament von Allgemeinbildung.
- Unterricht in Lernbereichen, der
auf die Erarbeitung und Vermittlung von
Zusammenhängen, Komplexität,
Entwicklungen und Widersprüchen orientiert.
- das
gute und routinierte Beherrschen der Kulturtechniken (Lesen, Schreiben,
Rechnen).
- Schülerinnen
und Schüler, die das Lernen lernen und die wissen, wie man in kürzester Zeit
Informationen beschafft und gebraucht.
- eine
Stärkung von Projektunterricht, Gruppenarbeit, offenem Unterricht und
Lernwerkstatt.
- der
Aufbau von Schlüsselqualifikationen wie Erkundungs-, Handlungs- und Konfliktkompetenz, Teamfähigkeit und die
Fähigkeit zu vernetzendem Denken.
- die stärkere Einbettung des
Lernens in Bewegung, Spiel, Handeln, Musisches, Kooperatives und Mußevolles.
- Lehrerinnen
und Lehrer, die zu Lernberatern werden.
Um Raum für die eigenverantwortliche
Gestaltung des Unterrichts (pädagogische Profilierung und Schwerpunktsetzung)
und des Handeln der Schule zu geben, sollen die verbindlichen
Rahmenplanvorgaben von bis zu 70 % der Unterrichtszeit festlegen. Die
Bildungskommission Berlin-Brandenburg soll in Kooperation mit den Universitäten
und Forschungseinrichtungen ein Reformkonzept erarbeiten, das noch in der
Legislaturperiode in Berlin und Brandenburg diskutiert, beschlossen und
umgesetzt werden kann. Wir unterstützen, dass sich mehr Berliner Schulen am
Netzwerk innovativer Schulen und damit am bundesweiten Erfahrungsaustausch
beteiligen.
Wir wollen die politische Bildung
stärken. Demokratisches und zivilgesellschaftliches Engagement braucht
historische Orientierung. Berlin ist ein einzigartiger Lernort für den Umgang
mit der Geschichte des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkrieges und seiner
Folgen, der Spaltung und getrennten Entwicklung in Ost und West, der Repression
in der DDR und ihrer Überwindung und des gesellschaftlichen Wandels seit der
staatlichen Einheit. In Fortbildungsveranstaltungen und im Unterricht werden
verstärkt Zeitzeugen und Historiker einbezogen sowie die Kooperation mit
Institutionen und Gedenkstätten gesucht, die sich den Themen von politischer
Unterdrückung, Anpassung, Auflehnung und Widerstand stellen (u.a. Stiftung
Topographie des Terrors, die Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
der ehemaligen DDR).
3. Sicherung fachlicher Standards
Als Abschlüsse der
Sekundarstufe I werden der Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9), der
erweiterte Hauptschulabschluss und - neu - der mittlere Schulabschluss
(Jahrgangsstufe 10) vergeben. Der mittlere Schulabschluss gilt für alle
weiterführenden Schularten und soll die bundesweiten Standards zur Sicherung
der Grund- und Kernqualifikationen in den zentralen Fächern sichern. Er wird in
einem Abschlussverfahren erworben. Hierzu werden die Erfahrungen mit den im
Schuljahr 2001/02 bereits eingeführten freiwilligen Vergleichsarbeiten
ausgewertet und schrittweise in allen Oberschulen verbindlich eingeführt.
Mit dem Beginn des Schuljahres
2003/04 werden auch in den Jahrgangsstufen 6 und 8 Vergleichsarbeiten als
Instrument zur Qualitätssicherung eingeführt, hierfür werden rechtzeitig
Beispielaufgabensammlungen entwickelt und den Schulen zur Verfügung gestellt.
Für Schülerinnen und Schüler, deren bisherige Entwicklung
und Leistungen nicht erwarten lassen, dass sie auf dem bisherigen Weg den
mittleren Schulabschluss am Ende der Jahrgangsstufe 10 erreichen können, werden
Maßnahmen pädagogisch und curricular vorrangig praxisbezogen und
berufsorientiert gestaltet, um einen regulären Schulabschluss zu ermöglichen.
Dazu sollen insbesondere betriebliche Praktika, Kooperationen mit Betrieben und
Oberstufenzentren sowie außerschulische Lernorte genutzt werden.
4. Integration und
sonderpädagogische Förderung
Der gemeinsame Unterricht von
Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf hat
Vorrang. Hierfür sind verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich. In der
Legislaturperiode wird geprüft, ob die Finanzierung der sonderpädagogischen
Förderung grundsätzlich an der Gesamtzahl der schulpflichtigen Schülerinnen und
Schüler mit einer festen landesweiten Quote orientiert werden kann. Bei der
Prüfung ist die etatmäßige Zusammenfassung der Lehrerstellen für Sonderschulen
und für den gemeinsamen Unterricht zu berücksichtigen. Die Gesamtstellenzahl
ist auf das gegenwärtige Niveau zu begrenzen.
Ein Angebot für Schülerinnen und
Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Sonderschulen /
Sonderpädagogischen Förderzentren sollte zur spezifischen fachgerechten Förderung
für alle sonderpädagogischen Förderschwerpunkte erhalten bleiben.
Die Integration wird in der
Sekundarstufe I fortgeführt, für den gemeinsamen Unterricht in der
Sekundarstufe I ist eine Ressourcenbündelung notwendig. Es wird angestrebt, spezielle
Schwerpunktschulen für die Förderschwerpunkte ”Geistige Entwicklung”,
”Körperliche und motorische Entwicklung” jeweils in Kooperation mit den
zuständigen Sonderpädagogischen Förderzentren zu etablieren.
Die bisherige Schule für
Lernbehinderte soll für den Sekundarbereich I ein besonderes Unterrichtsangebot
zur Verbesserung des Übergangs von der Schule zur Arbeitswelt entwickeln. Die
Schulen erhalten die Möglichkeit, einen eigenständigen ”Berufsorientierten
Schulabschluss” vergeben können. Dazu wird die Schule für Lernbehinderte
verstärkt mit Betrieben der Privatwirtschaft zusammenarbeiten.
Schülerinnen und Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf erhalten unabhängig von der Organisationsform
sonderpädagogischer Förderung eine einheitliche Grundausstattung -
differenziert nach den jeweiligen Förderschwerpunkten. Für den Mehrbedarf im
gemeinsamen Unterricht wird ein Stellenpool für Integration festgelegt.
5. Interkulturelle Erziehung und
Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache
Einwanderung und multikulturelle
Einflüsse prägen Berlin. Andere Kulturen, Lebensweisen, Traditionen und
Geschichte gilt es als Bereicherung begreifbar und erlebbar zu machen.
Bildung und Ausbildung sind wichtig
für die soziale und gesellschaftliche Integration, ohne ausreichende
Deutschkenntnisse wird jede Integrationsbemühung scheitern. Ebenso ist es
erforderlich, jungen Migrantinnen und Migranten Chancengleichheit in Bildung
und Ausbildung zu sichern. Durch eine Qualifizierung der Fördermaßnahmen soll
erreicht werden, dass der Anteil der Kinder und Jugendlichen nichtdeutscher
Herkunftssprache, die die Schule ohne Abschluss verlassen, deutlich verringert
und der Anteil derjenigen, die einen Realschulabschluss und das Abitur
erreichen, erhöht wird. Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher
Herkunft zu vergleichbaren Schulerfolgen wie deutsche Schülerinnen und Schüler
zu führen.
Ein besonders hohes Maß an
Verantwortung für die Chance auf einen Bildungserfolg tragen Kitas und
Grundschulen. Ziel muss es sein, Sprachförderung als Schwerpunkt der
pädagogischen Arbeit in Kitas und Schulen festzuschreiben. Aus diesem Grund
wird eine Bildungsoffensive zur sprachlichen Integration dieser Schülerinnen
und Schüler vorbereitet, die Angebote an Sprachkursen für Kinder und ihre
Eltern nichtdeutscher Herkunft werden ausgebaut
Voraussetzung für eine erfolgreiche
Integration von Kindern, Jugendlichen und Eltern nichtdeutscher
Herkunftssprache ist die Beherrschung der deutschen Sprache.
Hierzu sind unter anderem folgende
Maßnahmen vorgesehen:
- Sprachstandserhebungen
für Kinder ab 4 Jahren im Kindergarten, zum Beginn der
Vorklasse und in den Klassen 3 und 6
der Grundschule,
- Fortsetzung der
Klassenfrequenzabsenkung an Schulen mit mehr als 40 Prozent
Schülerinnen und Schülern
nichtdeutscher Herkunftssprache,
- finanzielle Absicherung und Ausbau
der bewährten und erfolgreichen ”Mütterkurse” mit
dem Ziel, weitere Grundschulen und
Innenstadt-Kitas in das Programm aufzunehmen,
- die Angebote zur zweisprachigen
Erziehung werden erhalten und bewertet,
- quantitative Ausdehnung und
qualitative Verbesserung der Aus- und Weiterbildung von
Lehrkräften, die Deutsch als
Zweitsprache unterrichten,
- verstärkte Einstellung von
mehrsprachigem Erziehungs- und Lehrpersonal.
6. Neue Medien
Die Initiative ”Computer in die
Schulen - CidS!” wird fortgesetzt. Die dafür vorgesehenen Haushaltsmittel
werden in der bisherigen Höhe fortgeschrieben. Es wird sichergestellt, dass
auch in den kommenden Jahren Lottomittel zur Verfügung stehen. Neben der
Ausstattung mit Hard- und Software muss vor allem die Wartung und
Administration der in den Schulen vorhandenen Netzwerke verlässlich finanziert
werden. Der Einsatz des Computers im Unterricht trägt wesentlich zum Erwerb von
Medienkompetenz bei und sollte auch dazu genutzt werden, verstärkt Mädchen an
die Arbeit mit neuen Medien heranzuführen.
7. Zweiter Bildungsweg
Der zweite Bildungsweg gleicht
verpasste Bildungschancen aus und bietet allen, die einen Schulabschluss
nachholen wollen, ein adäquates Angebot. Die vorhandenen Ausbildungskapazitäten
im zweiten Bildungsweg werden erhalten. Zusammen mit den Kollegs soll zeitnah
ein Konzept zur Modernisierung des zweiten Bildungsweges erarbeitet werden.
8. Schulen in freier Trägerschaft
Das Verfahren der Genehmigung von
Schulen nach dem Privatschulgesetz wird entsprechend der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichts vom Juni 2001 (Feststellung der Unvereinbarkeit der derzeit
nach § 4 Abs. 5 Privatschulgesetz vorgesehenen vorläufigen Genehmigung) gesetzlich
neu geregelt. Für die Gewährung von Zuschüssen ist eine Wartezeit von 3 Jahren
beizubehalten.
9. Hochbegabtenförderung
Ab dem Schuljahr 2003/2004 können
ausgewählte Grundschulen an dem Modellversuch ”Förderung von Hochbegabten”
teilnehmen. Gemeinsam mit Experten wird ein Modell entwickelt, das die
Früherkennung von Hochbegabten ermöglicht. Es wird eine Konzeption erarbeitet
zur Förderung der Hochbegabten in der Grundschule. Die profilierten Oberschulen
für besonders Begabte werden fortgeführt.
Soziale Unterschiede reproduzieren
sich vor allem als Bildungsunterschiede. Deshalb muss die Förderung begabter
Kinder allen sozialen Schichten offen stehen.
10. Gleichstellung der Geschlechter
Alle Bildungseinrichtungen haben die
Aufgabe, die Gleichstellung zu fördern. Die Koalition setzt sich dafür ein,
dass Aus- und Fortbildung des pädagogischen Personals sowie die Lehrpläne und
Unterrichtsmaterialien auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Modellversuche
haben gezeigt, dass die zeitweise Aufhebung des gemeinsamen Unterrichts von
Mädchen und Jungen ein erfolgreiches Modell ist. Wir unterstützen Schulen, die
Modelle für getrenntgeschlechtlichen Unterricht in
naturwissenschaftlich-technischen und IT-Fächern sowie in Mathematik anbieten.
11. Kooperation von Schulen,
Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen
Berlin verfügt über eine
einzigartige Landschaft von Universitäten, Hochschulen und wissenschaftlichen
Einrichtungen. Ihre Angebote für die Beratung der Schulen und für die Fortbildung
der Lehrkräfte sollen gezielt genutzt werden. Die Zusammenarbeit von Schulen
und Hochschulen im Bereich der Entwicklung mathematisch-naturwissenschaftlicher
Kompetenzen, aber auch in anderen Feldern, so u.a. im musisch-kulturellen
Bereich, soll ausgebaut werden.
12. Berufsbildende Schulen
Das Schulnetz wird im Dialog
zwischen Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft modernisiert. Schwerpunkte sind
die Verzahnung technischer und kaufmännischer Berufe sowie die Einpassung einer
modernen Medien- und IuK-Ausbildung.
Die Sicherung des Personalbestandes wird durch eine Reform
der Lehrerbildung angestrebt. Öffnung, Effektivierung und Polyvalenz sind die
Eckpunkte der Reform. Die Koalition strebt die Aufnahme weiterer sogenannter
Seiteneinsteiger an.
Doppelt qualifizierende Bildungsgänge, wie sie in
bundesweiten Rahmenvereinbarungen formuliert werden, sollen auch in Berlin die
Verbindung zwischen Berufsausbildung und Studienqualifizierung knüpfen.
Notwendig ist die Heranführung derjenigen Jugendlichen, die noch nicht
berufsreif sind, an das System der Berufsbildung. Im regionalen
Berufsbildungsdialog sollen sich die berufsbildenden Schulen als der Ort
profilieren können, an dem Berufsbildungsnetztwerke unterschiedlicher
Trägerschaft ihre Kompetenzen bündeln und vielfache Formen der Erstausbildung und der Weiterbildung
unter dem gemeinsamen Dach regionaler Berufsbildungszentren miteinander
verknüpfen.
13. Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes
Das Ziel der schulrelevanten, praxisnahen und gestrafften Lehrerausbildung
soll durch eine umfassende Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes erreicht
werden. Dabei ist der Abschlussbericht der Berliner Expertenkommission
Erziehungswissenschaft und Lehrerbildung vom Januar 2001 einzubeziehen. In dem
neuen Lehrerbildungsgesetz werden die rechtlichen Voraussetzungen zur
probeweisen Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen und -Abschlüssen
geschaffen.
Zur Deckung des Lehrerbedarfs wird das Schullaufbahnrecht so
geändert, dass Hochschulabsolventen mit einschlägiger Berufserfahrung den
Zugang zu den Lehrämtern erhalten, wenn sie ihre Eignung in einer
berufsbegleitenden pädagogischen Ausbildung nachgewiesen haben.
Die Kapazitäten der Lehramtsstudiengänge an den
Universitäten sind stärker an den Lehrerbedarfsprognosen der
Senatsschulverwaltung auszurichten und insbesondere in Mangelfächern zu
erweitern.
Die sechsjährige Grundschule wird qualitativ
weiterentwickelt. Die Jahrgangsstufen 1 und 2 können zu einer
Schuleingangsphase zusammengefasst werden. Die Verweildauer ist flexibel, in
der Regel zwei Jahre. Ein Durchlauf in einem oder drei Jahren ist ebenfalls
möglich.
Bei den Eltern wird künftig stärker als bisher in geeigneten
Fällen für eine frühere Einschulung ihrer Kinder geworben. Wir werden eine
Qualifizierungsoffensive zur Verbesserung der Vorschulerziehung starten, denn
dort werden die Grundlagen für die Entfaltung von Begabungen und Chancen
gelegt.
2. Übergang in weiterführende Schulen
Für die Aufnahme in ein Gymnasium oder eine Gesamtschule ab
der Jahrgangsstufe 5 sind neben dem Wunsch der Eltern die Fähigkeiten,
Leistungen und Neigungen der Schülerin bzw. des Schülers maßgebend. Übersteigt
die Zahl der Anmeldungen für eine Schule die Aufnahmekapazität wird ein
Auswahlverfahren durchgeführt. Dabei wird die Eignung für den gewählten
Bildungsgang vor allem durch die bisherige Lernentwicklung und
Leistungsbereitschaft sowie durch den erreichten Leistungsstand ermittelt.
3. Sekundarstufe I
Zur Feststellung der Eignung einer Schülerin oder eines
Schülers für den Übergang von der Grundschule in eine weiterführende Schulart
wird eine Bildungsgangempfehlung auf der Basis der bisherigen Lernentwicklung
sowie des Leistungsstands und Leistungsvermögens erstellt. Das Recht der
Erziehungsberechtigten, ggf. auch abweichend von der Bildungsgangempfehlung
eine Schulart zu wählen, bleibt erhalten. Die Höchstfrequenz in den
aufnehmenden Klassen der Sekundarstufe I (Gymnasien, Realschulen und
Gesamtschulen) wird abgesenkt. Die Koalitionsfraktionen werden umgehend ein
Vorschaltgesetz zum Schulgesetz in das Parlament einbringen.
Der Status der existierenden verbundenen Haupt- und
Realschulen wird in kooperativer und integrativer Form rechtlich abgesichert.
4. Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur und Reform der
gymnasialen Oberstufe
Die Koalitionsparteien sind sich einig, die Schulzeit zu
verkürzen. Die Sekundarstufe I wird jedoch strukturell nicht verkürzt. Die
Durchlässigkeit zwischen den unterschiedlichen Schulformen soll nicht gefährdet
werden. Die Koalition will individuelle Formen der Schulzeitverkürzung durch
Erleichterung des individuellen Überspringens einer Jahrgangsstufe ermöglichen.
Hierzu wird eine systematische Beratung der Schülerinnen und Schüler und ihrer
Eltern durch die Schulen gewährleistet.
Die Koalitionsparteien vereinbaren, dass die Verkürzung der
gymnasialen Oberstufe verbunden ist mit der qualitativen Veränderung der
Inhalte, Anforderungsprofile, Zeitabläufe sowie Prüfungsinhalte und
Prüfungsorganisation. Dabei werden Modelle wie die ”Mainzer Studien-Stufe”
(Straffung der gymnasialen Oberstufe durch effektivere Unterichtsorganisation -
12,5 Jahre bis zum Abitur) oder die Organisation der gymnasialen Oberstufe in
zwei und dreijähriger Form (”Zwei Geschwindigkeiten”) zu Grunde gelegt, in
denen neben dem Weg zum Abitur nach 13 Schuljahren der systematische Weg zum
Abitur nach 12 Schuljahren eingeführt wird.
Eine Verkürzung der gymnasialen
Oberstufe bedarf der Zustimmung der Kultusministerkonferenz und ist
schulrechtlich spätestens zum 1. August 2003 in Kraft zu setzen. Ziel ist es,
dass Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 des Schuljahres 2003/04 am
Ende des Schuljahres 2005/06 ihr Abitur in einer verkürzten gymnasialen Oberstufe
ablegen können.
Im ersten Halbjahr 2002 wird ein Schulreformgesetz
eingebracht, das das Schulgesetz, das Schulverfassungsgesetz und das
Privatschulgesetz zusammenfasst und die vielfältigen Regelungsaufgaben für die
Berliner Schule vernetzt. Sofern die schulrechtlichen Neuregelungen
Veränderungen weiterer Gesetze (z.B. Personalvertretungsgesetz,
Landesgleichstellungsgesetz, Allgemeines Zuständigkeitsgesetz) erfordern,
werden diese entsprechend novelliert. Das neue Schulgesetz soll zum 1.8. 2003
in Kraft treten. Die Vorlage eines neuen Schulgesetzes berücksichtigt
insbesondere die in den Abschnitten II und III festgelegten Ziele und die
Verstärkung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule.
Die an der Bildungssteuerung und -verwaltung beteiligten
Behörden (Senatsschulverwaltung, Landesschulamt, LISUM, Landesprüfungsamt)
werden vor dem Hintergrund weiterer Aufgabenübernahmen durch selbständige
Einzelschulen durch ein neues Schulgesetz in ihrer Organisationsform und
Aufgabenwahrnehmung neu strukturiert. Dabei sollen die Schulämter der Bezirke
einbezogen werden.
Das Landesschulamt wird in seiner
jetzigen Struktur aufgelöst. Ein wesentliches Ziel der Umstrukturierung ist die
rechtzeitige und bedarfsgerechte Versorgung der Berliner Schulen mit
Lehrkräften, Abbau von Doppelzuständigkeiten und die Verlagerung von Aufgaben
an die einzelne Schule.
Als Organisationseinheit der Senatsschulverwaltung werden
die Außenstellen in den Bezirken gestärkt.
Die Senatsschulverwaltung ist verantwortlich für
- den zentralen Lehrerstellenplan
zum verlässlichen Ressourceneinsatz,
- die stadtweit koordinierte Lehrerversorgung,
- die Einstellungen zu gleichen
Standards durch die Aussenstellen,
- die zentrale
Personalaktenverwaltung und Gehaltszahlung zum sparsamen
Verwaltungspersonaleinsatz bei
gleichzeitiger Sicherung rechtsgleicher Verfahren.
Die Außenstellen bleiben bei eigenständigen Befugnissen
erhalten und werden nicht in die Bezirke reintegriert. Deshalb bedarf es
gesamtstädtischer schulaufsichtlicher Koordinierung. Diese Koordinierung wird
zentral erfolgen. Die Zusammenarbeit der bezirklichen Schulämter und der
Außenstellen wird intensiviert. Die Unterbringung der Ämter erfolgt in
räumlicher Nähe. Zur effizienteren Zusammenarbeit der Außenstellen mit der
Senatsschulverwaltung ist eine bessere PC-Ausstattung und Vernetzung
erforderlich.
Schulaufsicht in den Außenstellen wird sowohl
personalrechtlich, personalorganisatorisch in Arbeitgeberfunktion als auch
zugleich schulaufsichtlich/ schulfachlich tätig.
Bei der Erfüllung der Aufgaben soll mit den entsprechenden
Einrichtungen des Landes Brandenburg eng zusammengearbeitet werden.
Für die Schulen in der Trägerschaft der Hauptverwaltung
werden die Aufgaben des facility managements, wie Gebäudemanagementaufgaben,
die Bauunterhaltung, Aus- und Neubau sowie die Sanierung in eine selbständige
Organisation überführt.
Die Jugend und ihre Bildung sind für die Leistungsfähigkeit
der Stadt von grundlegender Bedeutung. Im Interesse der Jugend dieser Stadt liegt
ein konsolidierter Haushalt. Für die Koalitionspartner gilt das Prinzip: Wir
sparen für die Jugend, nicht an der Jugend!
Die Bildungsangebote für die Jugend in Kindertagesstätten,
in der schulischen und außerschulischen Bildung, in der Familienbildung, die
Freizeit- und Sportangebote und sonstige Hilfen für junge Menschen und ihre
Familien, müssen aufeinander aufbauen und aufeinander bezogen koordiniert
werden.
Die begonnene Kooperation zwischen den Arbeitsbereichen
Jugendhilfe, Schule und Sport soll verstärkt fortgeführt werden.
Familien sind alle Lebensgemeinschaften, in denen Kinder und
Jugendliche mit einem oder mehreren Erwachsenen zusammen leben. Die Stärkung
der Familien erfordert zuerst die Verbesserung ihrer materiellen Situation, vor
allem der Familien mit mehreren Kindern und der Alleinerziehenden. Dafür muss
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer vor allem durch
den Ausbau der Ganztagsbetreuung verbessert werden. Familien müssen in ihrem
Erziehungsauftrag nicht nur bei eingetretenen Problemen, sondern durch
vielfältige Angebote der Familienförderung schon im Vorfeld unterstützt werden.
Eine wesentliche Herausforderung für die Berliner
Jugendpolitik ist die Anpassung der Jugendhilfe, ihrer Inhalte und Strukturen
an die Erfordernisse der sich wandelnden Gesellschaft. Dies betrifft auch die
Verwaltung - von den Senatsverwaltungen über das Landesjugendamt bis hin zu den
bezirklichen Jugendämtern. Die Berliner Jugendämter müssen mit dem Ziel einer
qualifizierten Planung, Steuerung und Finanzierung der Jugendhilfe neu
organisiert werden.
Die Umsetzung dieser Ziele der Koalition bedeutet im
Einzelnen:
Die begonnene Kooperation Jugendhilfe-Schule muss u.a. in
den Arbeitsfeldern Tageseinrichtungen, Schülerclubs, Schulstationen und anderen
Angeboten der schulbezogenen Jugendsozialarbeit sowie Hilfen zur Erziehung
weiter entwickelt werden.
Die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule muss durch das
neue Schulgesetz verbindlich geregelt werden.
Jugendhilfe und Schule haben eigenständige Bildungsaufträge;
die Bildungsangebote und -ziele müssen in einer Gesamtplanung
(Jugendhilfeplanung und Schulentwicklungsplanung) koordiniert werden.
Angebote der Jugendhilfe müssen sich verstärkt auf den
Sozialraum unter Einbeziehung des Lebensortes Schule bzw. auf Schule als
Nachbarschaftszentrum beziehen.
Qualität der Vorschulerziehung verbessern
Der Senat wird die Kitas als Bildungs- und Erziehungseinrichtung
weiter entwickeln und die begonnene Qualitätsoffensive fortführen. Kitas sind
eigenständige Lebens- und Lernorte für Kinder, in denen die Erziehung in
der Familie unterstützt und ergänzt wird. Es sollen die Voraussetzungen
geschaffen werden, dass jedes Kind möglichst frühzeitig einen Kindergarten
besuchen kann und dort verlässliche Rahmenbedingungen vorfindet.
Ein bildungspolitischer Schwerpunkt ist die Intensivierung
der Sprachförderung, vor allem die Unterstützung der Kinder nicht-deutscher
Herkunftssprache beim frühzeitigen Erwerb der deutschen Sprache. Angebote zur
zweisprachigen Erziehung sollen in diesem Zusammenhang erhalten und
qualifiziert werden. Kita-Erzieher/innen sind durch Aus- und Fortbildung in
Methoden interkulturellen Lernens, Sprachförderung, Eltern- und
Gemeinwesenarbeit weiter zu qualifizieren. Die Parteien vereinbaren eine
verstärkte Einstellung von mehrsprachigem Erzieher/innen-Personal. Verbindliche
Empfehlungen und Materialien sind zu erarbeiten und allen Einrichtungen zur
Verfügung zu stellen.
Der Senat wird sich auf Bundesebene für eine Reform der
Erzieher/innen-Ausbildung einsetzen und prüfen, inwieweit in Berlin die
Voraussetzungen für einen entsprechenden Modellversuch geschaffen werden
können.
Für die Vorbereitung auf die Schule im letzten Jahr vor der
Einschulung entwickeln Kita-Bereich und Schule ein gemeinsames Konzept.
Verlässliche Ausstattungsstandards
Der Prozess der Übertragung der Kindertagesstätten auf freie
Träger wird fortgesetzt.
Von den zurzeit in kommunaler Trägerschaft befindlichen 852
Kitas werden in dieser Legislaturperiode 426 an freie Träger übertragen. Damit
verringert sich die Zahl der in öffentlicher Verantwortung betriebenen
Kitaplätze auf rund 45.000, während freie Träger ein Angebot von rund 90.000
Plätzen bereithalten.
Dies wird über einen Maßnahmekatalog realisiert. Über den
Maßnahmekatalog ist die Sicherstellung der Trägervielfalt, Fragen der
notwendigen Investitionen und Beschäftigungsverhältnisse zu klären, sowie
sicherzustellen, dass über die Kitaaufsicht gleichwertige pädagogische
Bedingungen und Ausstattungen gewährleistet sind.
Um den Kindern in allen Einrichtungen der Tagesbetreuung
unabhängig von der Trägerschaft vergleichbare Betreuungsbedingungen zu
garantieren und Kostentransparenz zu ermöglichen, wird geprüft, ob die
Finanzierung der öffentlichen Kitas über Platzgeld realisiert werden kann.
Die Koalitionsparteien setzen sich
für eine Verbesserung des baulichen Zustandes der Kitas ein. Es wird geprüft,
inwieweit das Land die Bezirke bei der Lösung dieses Problems unterstützen
kann, um schnellstmöglich die dringendsten Bedarfe zu decken.
Der Senat ergreift erneut eine Initiative, mehr Betriebe und sonstige
Arbeitgeber für die Mitfinanzierung von Plätzen in Tageseinrichtungen für
Kinder nach §25 KitaG “betrieblich geförderte Kindertageseinrichtungen“ zu
gewinnen.
Anmeldeverfahren, Kitacard und Kitagebühren
Wir werden die Anmeldung zur Kita und die Finanzierung durch
Einführung eines Gutscheinsystems stark vereinfachen (Kitacard). Wir werden
hierfür die Voraussetzungen schaffen, wie zum Beispiel die Finanzierung aller
belegten Plätze aller Träger über vergleichbare Kostensätze nach Überführung
der städtischen Kitas auf freie Träger und die Verknüpfung der Anmelde-Bescheide
mit den entsprechenden Kostensätzen. So wird die Finanzierung schrittweise an
die Eltern-Nachfrage angepasst. Wir werden prüfen, ob die Kostenbeteiligung
künftig grundsätzlich von den Jugendämtern eingezogen werden kann.
Das zum Betreuungsjahr 2003/04 beginnende Anmeldeverfahren
wird hinsichtlich Zugangsberechtigung und Verwaltungsvereinfachung evaluiert.
Ein Umsteuern im Bereich der Hilfen
zur Erziehung ist notwendig. Dazu gehört, Angeboten der allgemeinen Förderung
junger Menschen und der Prävention mehr Bedeutung beizumessen. Die Koalition
wird den Mitteleinsatz intensiver steuern. Entsprechend den Empfehlungen der
Expertenkommission Staatsaufgabenkritik sind die dazu erforderlichen Techniken
wie die “Integrierte Software Berliner Jugendhilfe“ (ISBJ) zu entwickeln und
einzuführen, die Hilfeplanung zu qualifizieren und durch Weiterbildungsangebote
die Fachkräfte der Jugendämter beim effizienten Einsatz der Hilfen zu
unterstützen.
Weniger Heimunterbringung für
Kleinkinder: Im Bereich der Fremdunterbringung von Kindern sollen künftig
mindestens 80% Neuunterbringungen 0-4 Jähriger in Pflegefamilien erfolgen.
Die Zahl der Heimplätze wird dementsprechend reduziert. Notwendige
Voraussetzung zur Erreichung dieses Zieles ist die Verbesserung der Situation
von Pflegefamilien durch die flächendeckende Verbesserung von Betreuung und
Hilfsangeboten für Pflegefamilien durch freie Träger. Mittelfristig muss auch
die Entlohnung der Pflegeeltern verbessert werden.
Der Landesträger für Hilfen zur Erziehung, Jugendaufbauwerk
(JAW), soll in dieser Legislaturperiode auch wirtschaftlich vollständig
unabhängig werden. Dazu sind das JAW bzw. Teile des JAW nach Prüfung der
Wirtschaftlichkeit ggf. in eine andere Rechtsform zu überführen. Das JAW-Gesetz
ist ggf. entsprechend anzupassen.
Im Rahmen der Konzentration staatlichen Handelns auf
Kernaufgaben im Bereich der Jugendhilfe wird den freien Trägern künftig eine
noch größere Bedeutung zukommen. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen
kommunalen und freien Trägern der Jugendhilfe ist zu stärken und insbesondere
freien Trägern und selbstorganisierten Gruppen junger Menschen mehr
Verantwortung zu übertragen. Eine Grundvoraussetzung dafür sind verlässliche
Finanzierungsbedingungen.
Das Zuwendungssystem wird unter Beachtung des Wettbewerbs
und der Selbständigkeit der Träger in Verträge analog Leistungsverträgen mit
mindestens dreijähriger Laufzeit überführt. Einrichtungen, die von Freien
Trägern übernommen wurden, und die im Rahmen der Jugendhilfeplanung
weitergeführt werden sollen, werden Zuwendungs- oder Leistungsverträge mit
einer Laufzeit von drei Jahren angeboten.
Mit disponiblen Mitteln sollen die Jugendämter einzelne Jugendgruppen
(oder Schülerclubs) auch mit kurzfristigen unbürokratischen Förderungen
unterstützen, um Eigeninitiativen von jungen Menschen zu fördern.
Die Koalitionsparteien treten dafür ein, den Interessen
junger Menschen in allen Politikbereichen künftig mehr Bedeutung beizumessen
und alle Entscheidungen auf Jugend- und Familienverträglichkeit zu prüfen.
Die Verbindlichkeit der Zusammenarbeit zwischen den Senatsverwaltungen
für Stadtentwicklung und Jugend wird erhöht, so z.B. bei der Festlegung von
besonders zu fördernden Stadtgebieten. Maßnahmen und Ressourcen z.B. im Rahmen
des Quartiersmanagements sind mit den
vorhandenen Strukturen der Nachbarschafts- und Selbsthilfearbeit sowie
Jugendarbeit stärker zu verknüpfen.
In der Jugendberufshilfe wird auf der Basis der Ergebnisse
des Modellprojektes “Jugendberufshilfe, Umsteuerung, Querschnittscontrolling“
bedarfsgerecht umgesteuert. Zur Verbesserung der Angebote wird die Kooperation
von Jugendberufshilfe und Oberstufenzentren (OSZ) intensiviert.
Die dem Kinder- und Jugendhilfegesetz gemäße Praxis des
Umgangs mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen ist im Haushalt des
Landesjugendamtes bedarfsgemäß zu berücksichtigen. Jugendlichen Flüchtlingen
sollen Qualifizierungs- und Ausbildungsmöglichkeiten geboten werden. Fragen des
Aufenthaltsstatus während ihrer Qualifizierung bzw. Ausbildung werden in Koordination
zwischen den Senatsverwaltungen geklärt.
Die erfolgreiche Arbeit zum Schutz von Kindern und
Jugendlichen gegen Gewalt, sexuellen Missbrauch und Vernachlässigung wird
weiterentwickelt. Dabei werden die Prinzipien einer gewaltfreien Erziehung
Eltern und jungen Menschen durch Information und Familienbildung nahegebracht.
Ein Zeugenschutzbegleitprogramm für Minderjährige wird entwickelt und ab 2003
umgesetzt.
Die Instrumente der Jugendstrafrechtspflege im Umgang mit
straffälligen Jugendlichen und Heranwachsenden haben sich bewährt. Es gilt, die
Kooperation aller Beteiligten - Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendrichter,
Jugendhilfe - im Hinblick auf die Möglichkeiten einer raschen,
normverdeutlichenden und sozialpädagogisch wirksamen Reaktion auf Straftaten
weiter zu verbessern. Wir werden die ambulanten Maßnahmen nach dem
Jugendgerichtsgesetz (JGG) als Alternativen zum Strafvollzug auf eine solide
rechtliche und finanzielle Grundlage stellen. Die Arbeit der Diversionsmittler
(JGG § 45.2) wird bis 2003 extern evaluiert. Die erfolgversprechende
verbindliche Betreuung strafunmündiger Kinder im Rahmen ambulanter und
stationärer Angebote wird weiterentwickelt und bei Bedarf ausgebaut.
Die Förderung junger Menschen ist eine gesetzliche Aufgabe
der Jugendhilfe. Deshalb haben die Koalitionsparteien die Absicht, gemeinsam
zwischen Land und Bezirken Mittel und Möglichkeiten zu finden, um auch unter
den eingeschränkten Haushaltsbedingungen Möglichkeiten der Jugendarbeit zu
verbessern:
Es wird ausgehend vom 1. Berliner
Kinder- und Jugendbericht und von den Empfehlungen der Expertenkommission
Staatsaufgabenkritik in einem Modellversuch eine veränderte Finanzierung von
Jugendhilfeausgaben erprobt. Innerhalb eines Gesamtbudgets Jugendhilfe sollen
alle Ausgabentitel gegenseitig deckungsfähig gestaltet werden, damit durch
höhere Qualität und Strukturveränderungen bei den Hilfen zur Erziehung
eingesparte Mittel in Förderung und Prävention investiert werden können.
Zur Absicherung der vielfältigen
Aufgaben der Jugendarbeit und ihrer präventiven Funktion ist der in der Satzung
der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin bis zum Jahr 2004 festgelegte
Anteil in Höhe von 25 Prozent der Zweckabgabe dauerhaft festzuschreiben.
Kinder und Jugendliche haben das Recht, an allen
Entscheidungen, die sie und ihre Zukunft betreffen, beteiligt zu werden. Dies
gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Interessen zu vertreten und demokratische
Bildung und Erziehung zu erfahren. Beteiligungs- und Mitentscheidungsrechte
müssen insbesondere in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld ausgebaut und die
Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement verbessert werden.
Die Koalitionsparteien werden in Berlin das aktive Wahlrecht
ab 16 Jahren für die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen einführen.
Das Programm !respect hat zu einer Mobilisierung junger
Menschen für Demokratie und Toleranz und gegen Rechtsextremismus beigetragen.
Zur Festigung der sich entwickelnden jugendlichen Kultur gegen
Rechtsextremismus wird das Programm mit einem Volumen von 500.000 Euro
gemeinsam mit den Stiftungen in seinen erfolgreichen Teilen fortgeführt.
Die Förderung und Entwicklung von Medienkompetenz von
Kindern und Jugendlichen ist gemeinsame Aufgabe von Jugendhilfe und Schule. Die
Programme ‚Computer in die Schulen CidS!‘ und ‚jugendnetz-berlin‘ werden
langfristig weitergeführt, um allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen
und Möglichkeiten zu geben, den Umgang mit den neuen Medien sinnvoll nutzen zu
können.
Der Super-Ferien-Pass wird fortgesetzt.
·
Bedeutung
der Familie im gesellschaftlichen Bewusstsein stärken
Die Koalition wird Maßnahmen ergreifen die Bedeutung der Familie stärker ins
Bewusstsein zu heben. Dabei gilt es, die verschiedenen Familienformen, seien
dies verheiratete oder nicht-verheiratete Eltern mit gemeinsamen Kindern,
Ein-Elternfamilien, Patchworkfamilien, Pflegefamilien oder
gleichgeschlechtliche Lebenspartner mit Kindern, an zu erkennen, ihre
Leistungen zu würdigen und sie gleichermaßen zu fördern. Jährlich wird eine
Auszeichnung für den familienfreundlichsten Betrieb Berlins vergeben.
·
Im
Rahmen einer gemeinwesenorientierten sozialen Infrastruktur für Jung und Alt
ist neben dem Ausbau von Nachbarschaftszentren die Unterstützung und Beratung
von Familien in Projekten der Nachbarschaftshilfe zu integrieren.
·
Kinderreiche
Familien sollen insbesondere bei der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum,
Angeboten der Familienerholung und Familienbildung und bei der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf unterstützt werden.
·
Angebote
der Familienerholung und Familienbildung werden in Kooperation mit den Bezirken
sichergestellt.
·
Familienpass:
Der Familienpass als Mittel zur Unterstützung der Familie und ihrer Teilnahme
am gesellschaftlichen Leben wird weitergeführt.
·
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf: Der Ausbau der Ganztagsbetreuung ist auch ein
wesentlicher Faktor für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die
Flexibilisierung der Arbeitszeiten vor allem in neuen Berufen, veränderte
Ladenöffnungszeiten aber auch der Ausbau Berlins als Dienstleistungsmetropole
mit der wachsenden Nachfrage nach qualifizierten weiblichen Arbeitskräften
erfordert eine qualitativ hochwertige, flexible und dem Bedarf entsprechende
Kindertagesbetreuung. Projekte, die Betreuungsleistungen außerhalb von
Kita-Öffnungszeiten anbieten, werden im Rahmen der möglichen Haushaltsmittel
ausgebaut. Die Koalition wird Projekte der Rund-um-die-Uhr-Kinderbetreuung
begleiten und unterstützen, so dass gerade für Kinder von Alleinerziehenden und
Eltern mit außerhalb der normalen Betreuungszeiten liegenden Arbeitszeiten die
bestmögliche Förderung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht
wird.
Die Koalitionsparteien werden eine moderne und wirksame
Drogenpolitik unterstützen. Zur Unterstützung des Nichtrauchens wird die
Prävention bei Kindern und Jugendlichen intensiviert. Nichtraucherprogramme für
Erwachsene werden unterstützt. Die Koalition wird bei den Kosten- und
Leistungsträgern für innovativere und erfolgreichere Alkoholtherapie werben.
An Brennpunkten, an denen Drogenprobleme soziale Probleme
nach sich ziehen, sind zur Problemlösung regionale Konzepte unter Einbeziehung
aller Beteiligter neu zu entwickeln. Suchtpolitik wird nur durch eine enge
Verbindung von Suchtprävention, ausstiegsorientierten Hilfen, Substitution,
Gesundheitshilfen sowie der konsequenten Bekämpfung von Handel und Schmuggel
erfolgreich sein. Zu einem solchen Konzept gehören auch - wenn durch die
Evaluation bzw. durch die Bundes- und Landesstudie bestätigt - mobile
Drogenkonsumräume sowie ärztlich verordnete Heroinverschreibung und die
Zulassung cannabishaltiger Arzneimittel. Eine ausreichende Zahl von Therapie-
und Nachsorgeplätzen ist für ein solches Konzept unverzichtbar.
Die Koalitionsparteien prüfen, inwieweit der Besitz einer
für den Eigenverbrauch bestimmten Menge sowie die Abgabe geringer Mengen
weicher Drogen entkriminalisiert werden können.
Die Koalition wird Artikel 10 der Verfassung von Berlin,
wonach niemand wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden darf,
mit Leben füllen und Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Lesben, Schwule
und Transsexuelle ihr Leben frei und selbstbestimmt gestalten können.
Mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz ist ein weiterer wichtiger
Schritt zur Gleichstellung von Schwulen und Lesben gegangen worden. Die
Koalition wird sich im Bundesrat für das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz
einsetzen. In wie weit weitere Berliner Antidiskriminierungsvorschriften zur
Ergänzung der bundesrechtlichen Regelungen notwendig sind, wird dann geprüft
werden. Ebenfalls wird geprüft, ob die Kampagne “Andersrum ist nicht verkehrt“
von Nordrhein-Westfalen für Berlin übernommen und finanziert werden kann.
Wohnberechtigungsscheine sollen zukünftig ohne Einschränkung
für eine gemeinsame Wohnung mehrerer Personen zusammengelegt werden können.
Die Koalitionsparteien werden alle Möglichkeiten prüfen,
Lesben und Schwulen die Adoption von Kindern zu erleichtern. Alleiniges
Entscheidungskriterium für eine Adoption soll das Wohl des Kindes sein.
Die Koalitionsparteien werden sich bei der Bundesregierung
für einen Gedenkort für die homosexuellen Opfer des NS-Regimes einsetzen. Sie
werden die Berliner Universitäten ermuntern, Forschungen zur Lebenssituation von
Lesben und Schwulen verstärkt in ihre Studiengänge und Projekte aufzunehmen.
12. Sportstadt Berlin
Sport hat in Berlin Verfassungsrang. Sportvereine sind wegen
ihrer Bürgernähe, ihrer Integrations- und Identifikationsmöglichkeiten
wesentliches Rückgrat einer sozial geprägten aktiven Stadtkultur.
Als sozialpolitische
Aufgabe ist der förderungswürdige Sport mit entsprechenden Mitteln
auszustatten.
·
Die
gemäß der Satzung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie für den Sport
festgelegten Mittel in Höhe von 25 % der Zweckabgabe werden dauerhaft
garantiert.
·
Die
unentgeltliche Nutzung von öffentlichen Sportanlagen durch
förderungswürdige Sportorganisationen, Kitas und Schulen wird als Fundament der
öffentlichen Sportförderung auch künftig beibehalten.
·
Es
wird im Rahmen der Abschichtung von Aufgaben der Verwaltung geprüft, ob die
Mittel der Sportförderung künftig durch den Landessportbund eigenverantwortlich
verwaltet werden können.
·
Die
öffentliche Förderung von Vereinsbaumaßnahmen wird abgesenkt.
Die vorhandene Sportinfrastruktur ist zu erhalten. Dazu gehören
die Sanierung und Modernisierung der Sporthallen und -plätze und der möglichst
weitgehende Erhalt der Sportanlagen von Schließung betroffener Schulen. Im
Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten des Landes Berlin sollen regionale
Unterversorgung mit Sportanlagen beseitigt und alternative Bewegungsräume zur
Ausübung von Trendsportarten geschaffen werden. Bei der Planung neuer und
Sanierung bestehender Sportanlagen sollen insbesondere die Belange von Menschen
mit Behinderungen berücksichtigt werden.
Das Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm wird in der
jährlichen Höhe von 52 Mio Euro in dieser Legislaturperiode fortgeführt.
Der Stellenwert des Sports für die wirtschaftliche
Entwicklung Berlins ist von großer Bedeutung. Von einer stärkeren Zusammenarbeit
zwischen Wirtschaft und Sport können beide Seiten profitieren. Daher ist diese
Zusammenarbeit auszubauen.
Es liegt im Interesse Berlins, auch in den nächsten Jahren
attraktive nationale und internationale Veranstaltungen in die Stadt zu holen.
Die Koalitionspartner messen der Entwicklung des
Breitensports und dem Erhalt und der Verbesserung seiner Rahmenbedingungen
große Bedeutung bei. Insbesondere der gemeinnützige Vereinssport und der
Freizeitsport sind zu fördern.
Die Berliner Bäderbetriebe (BBB) werden neu geordnet
und wirtschaftlich konsolidiert. Dem dienen folgende Maßnahmen:
·
Die
BBB legen ein Konzept vor, wie die Bäder attraktiver gestaltet und öffentliche
Mittel, z.B. durch Modernisierung der Anlagen, effektiver eingesetzt werden. Im
Rahmen dieses Konzeptes ist darauf zu achten, dass die Eintrittspreise sozial
verträglich bleiben und die Durchführung des Kita-, Schul- und Vereinssports
garantiert wird und entgeltfrei bleibt.
·
Private
Beteiligungen an Bädern in Form von Public-Private-Partnership müssen geprüft
werden. Bezirke und gemeinnützige Vereine sollen die Möglichkeit erhalten, sich
am Betrieb von Bädern zu beteiligen oder
Bäder in eigener Regie zu betreiben.
·
Zur
Konsolidierung der BBB ist eine Schließung von Bädern unumgänglich. Bei der
Entscheidung über Schließungen von Bädern sind neben der Wirtschaftlichkeit
folgende Kriterien zu berücksichtigen: Nutzungsgrad, Funktion und Bedeutung im
Sozialraum, baulicher Zustand und Investitionsbedarf.
·
Das
Sport- und Erholungszentrum (SEZ) wird für eine private Trägerschaft
ausgeschrieben. Ab 2003 stehen öffentliche Mittel für den zukünftigen Betrieb
nicht mehr zur Verfügung.
”Öffentliche Sportanlagen, Sportanlagen auf landeseigenen
Grundstücken, die in der Bauleitplanung für die Sportnutzung vorgesehen sind,
Flächen, die dem Freizeitsport dienen, sowie sonstige Sportanlagen auf
landeseigenen Grundstücken dürfen zugunsten anderer Nutzungen nur aufgegeben
werden, wenn das öffentliche Interesse an einer anderen Nutzung überwiegt und
das Abgeordnetenhaus dem zustimmt.”
Für das Olympia-Gelände außerhalb des Stadions soll
ein Nutzungskonzept entwickelt werden.
Die Zusammenarbeit von Schule, Jugendhilfe und Sport ist
auszubauen. Durch die Zusammenlegung von Ressourcen und Erfahrungen soll den
Interessen junger Menschen nach sportlicher Betätigung insbesondere in ihrer
Freizeit auch angesichts knapper öffentlicher Finanzen besser entsprochen
werden.
Folgende Maßnahmen werden umgesetzt:
·
Die
dritte Sportstunde bleibt erhalten und das schulsportliche Wettkampfwesen wird
weitergeführt.
·
Der
Ausbildung und dem bedarfsgerechten Einsatz von SportlehrerInnen wird besondere
Beachtung geschenkt.
·
Das
gemeinsam mit dem Landessportbund und der Sportjugend durchgeführte Programm
”Schule und Verein” wird fortgesetzt.
·
Die
Zusammenarbeit von Kitas und Sportorganisationen wird ausgebaut.
·
Bei
der Weiterentwicklung der Gesamtkonzeption der Schulen mit besonderem
Sportprofil ist eine enge Kooperation mit Brandenburg anzustreben.
Doppelangebote in der Region sind zu vermeiden. Für den Internatsbetrieb sind
kostengünstigere Lösungen zu entwickeln. Angesichts der rückläufigen
Schülerzahlen ist die Kapazität der Schul- und Internatsplätze in den
sportbetonten Schulen bis zum Jahr 2003
zu überprüfen.
Sport dient der Gewaltprophylaxe, ist Medium gegen Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit, Sport holt die Kinder von der Straße. Deshalb sind
Projekte aus dem ehemaligen Programm ”Jugend mit Zukunft” und das
Präventionsprogramm im Fußball dauerhaft fortzuführen.
In den obligatorischen Sportunterricht sind verstärkt Selbstverteidigungsprogramme
für Mädchen und Anti-Gewalt-Trainings für Jungen aufzunehmen, die
Fortbildungsangebote für Lehrkräfte sind entsprechend zu verstärken
Angesichts der problematischen Situation des öffentlichen
Haushalts und gleichzeitig wachsender Verantwortung des Sports für eine
bedarfs- und qualitätsgerechte Versorgung der Bevölkerung müssen neue Wege der
Zusammenarbeit auch mit Partnern aus der privaten Wirtschaft gefunden werden.
Öffentliche Sportförderung bleibt dem gemeinnützigen Sport
vorbehalten. Die bestehenden Entgeltregelungen für Profivereine u.a. im
Fußball, Eishockey und Basketball, die wichtige Imageträger Berlins sind,
müssen geprüft und konsequent angewendet werden.
Ohne die ehrenamtliche Tätigkeit wäre der Sport in Berlin
undenkbar. Auch künftig wird z.B. im Rahmen des angestrebten Ausbaus der
Schlüsselverantwortung durch gemeinnützige Vereine das Ehrenamt noch größere
Bedeutung erlangen. Angesichts dessen sind die Rahmenbedingungen für das
Ehrenamt zu erhalten und schrittweise auszubauen.
Auf neue Initiativen und Entwicklungen im Sport soll auch
künftig schnell reagiert werden. Entwickelt werden sollen z.B. Initiativen zur “Nutzung von Stadträumen für
Bewegung, Spiel und Sport”. Straßen, Plätze und Parkanlagen, aber auch
ehemalige Industrie- und Gewerbebrachen sollen für Sport, Bewegung und Spiel
reaktiviert werden. Auch künftig sollen
zeitlich begrenzt Straßen für den Autoverkehr gesperrt und von Fahrradfahrern,
Inline-Skatern und anderen gefahrlos zum Sporttreiben genutzt werden. Geeignete
Tempo-30-Straßen sind schrittweise für Inline-Skater freizugeben.
13. Arbeit
Leitbilder und Zielsetzungen der
Arbeitsmarktpolitik
Existenz sichernde Erwerbsarbeit ist
eine wesentliche Grundlage unseres wirtschaftlichen Wohlstands. Sie sichert den
Einzelnen den eigenen Lebensunterhalt, schafft soziale Sicherheit und bestimmt
gesellschaftliche Entwicklungschancen und soziale Anerkennung.
Vor dem Hintergrund wachsender und
sich ständig verändernder Anforderungen in Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft
werden die Schwerpunkte der Berliner Arbeitsmarktpolitik in der Vermittlung
zukunftsfähiger Qualifikationen im Rahmen eines Systems lebenslangen Lernens
und in der Schaffung von Übergangsarbeitsmärkten liegen.
Der Senat wird
·
im
Bündnis mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften unter Ausschöpfung aller
finanziellen und organisatorischen Unterstützungsmöglichkeiten dafür Sorge
tragen, dass allen Jugendlichen, die wollen und können, ein Ausbildungsplatz
angeboten wird,
·
kleinen
und mittleren Unternehmen helfen, ihre Belegschaften fit zu machen für neue Marktchancen
in der Informationsgesellschaft und einen globalisierten Wettbewerb,
·
Unternehmen
helfen, unbürokratisch und schnell geeignete und motivierte Arbeitskräfte für
Neueinstellungen zu finden,
·
Arbeitsuchenden
und Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern helfen, Fähigkeiten zur
Beschäftigung zu erwerben und einen Arbeitsplatz zu finden,
·
dazu
beitragen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, Familie und Beruf
besser zu vereinbaren und Müttern und Vätern im gewünschten Maß die Teilhabe am
Erwerbs- und Familienleben zu ermöglichen.
Die Koalitionspartner vereinbaren
folgende Grundsätze für die Arbeitsmarktpolitik:
a) Das Arbeitsmarktpolitische
Rahmenprogramm (ARP) des Landes wird gestrafft und neu konzipiert.
Dabei bezieht es sich auf die Forderungsgrundsätze
des Job-AQTIV-Gesetzes des Bundes:
- Vermittlung vor Weiterbildung vor
Beschäftigungsförderung,
- Fallmanagement mit individuell
zugeschnittener Qualifizierungs- und Beschäftigungsförderung,
- Fördern und Fordern.
b) ABM und SAM sind wegen ihrer
Entlastungswirkung auf dem Arbeitsmarkt und wegen ihrer strukturpolitischen
Einsatzfelder weiterhin wichtige Maßnahmen und sind deshalb zu verstetigen.
c) Ziel muss es sein, Landesmittel
dort einzusetzen, wo für den betreffenden Menschen ein individueller
Eingliederungs- oder Qualifizierungsplan erarbeitet worden ist (Profiling).
d) Gender Mainstreaming
Nach den Vorgaben des Amsterdamer
Vertrages machen wir Gender Mainstreaming zum Leitgedanken unseres politischen
Handelns.
Die Gleichstellung von Frauen und
Männern auf dem Arbeitsmarkt ist damit auch Aufgabe einer aktiven
Arbeitsmarktpolitik.
e) Controlling
Die Evaluierung von Förderprogrammen
und -instrumenten der Arbeitsmarktpolitik und der Ausbildungspolitik wird
effektiviert.
1. Qualifizierungsoffensive
In der Wissensgesellschaft des 21.
Jahrhunderts sind Bildung und Ausbildung die Schlüssel zum Erfolg. Wir
brauchen eine Bildungslandschaft, die alle Menschen mit ihren
unterschiedlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten optimal fördert. Chancengleichheit
für alle und individuelle Leistungsförderung sind dabei keine Gegensätze. Wir
wollen das Bildungsangebot mit deutlichen Akzenten auf Qualität, Leistungsorientierung
und Eigenverantwortung weiter entwickeln.
1. Ausbildung
In Berlin herrscht seit Jahren ein
Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen. Besonders Besorgnis erregend ist
die steigende Zahl der sogenannten ”Altnachfrager/innen" aus den
Vorjahren, also der Jugendlichen, die in berufsvorbereitenden Warteschleifen versorgt
werden. In einer solchen Situation ist die Berliner Landesregierung angehalten,
alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um möglichst
vielen Jugendlichen zu einem Ausbildungsplatz zu verhelfen.
1.1 Alle Jugendlichen sollen einen
Einstieg ins Berufsleben finden. Das wirksamste Instrument zur Bekämpfung der
Jugendarbeitslosigkeit ist die Sicherung eines ausreichenden
Ausbildungsplatzangebots. Berlin wird weiterhin mit der Verbundausbildung im
Rahmen der Bund-Länder-Sonderprogramme, der Förderung der betrieblichen
Berufsausbildung und mit der Fortführung der modular-dualen Qualifizierungsmaßnahmen
(MDQM) ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot in Berlin sicherstellen. Allen
Jugendlichen wird nach dem Vorbild des Job-AQTIV-Gesetzes in den
landesfinanzierten Maßnahmen - soweit erforderlich - eine Integrationsberatung
zur Verfügung gestellt. Wir brauchen flexible Programme, mit deren Hilfe
Jugendliche ihre individuelle Berufswegplanung gestalten können. Solange die
Privatwirtschaft keine ausreichende Zahl an Ausbildungsplätzen zur Verfügung
stellt, muss das Land versuchen, die Ausbildungsplatzprogramme entsprechend
finanziell auszustatten. Eine Rückführung der verschiedenen Zuschüsse in der
betrieblichen Ausbildungsplatzförderung mit dem Ziel, Mitnahmeeffekte und
Gewöhnungseffekte zu vermeiden, ist vorzusehen.
1.2 Auch beim Ausbildungsplatzangebot
des Öffentlichen Dienstes sind vermehrt Verbünde mit Schulen, Trägern und der
privaten Wirtschaft einzugehen. Gerade im Öffentlichen Dienst werden in den
nächsten Jahren verstärkt Fachinformatiker/innen benötigt. Im Rahmen der
bezirklichen Ausbildungsverbünde gibt es einige kompetente Träger, die als
Kooperationspartner zur Verfügung stehen.
1.3 Die personenbezogenen
Dienstleistungsberufe sind als qualifizierte Ausbildungs- und
Beschäftigungsbereiche weiterzuentwickeln.
1.4 Eine wesentliche Aufgabe ist es,
Jugendliche mit schlechteren Startchancen und ungelernte Erwachsene für den
Berufseinstieg zu qualifizieren. Wir wollen die sog. Warteschleifen durch
zielgruppenspezifische Maßnahmen ersetzen und mit einem novellierten
Schulgesetz den Einstieg in die Berufsausbildung verbessern.
1.5 Wir wollen allen eine Chance geben,
eine Ausbildung zu absolvieren, auch wenn es Brüche in der Ausbildung gibt. In
einem modularen Nachqualifizierungssystem können bereits in einer
Berufsvorbereitungsmaßnahme, in einer abgebrochenen Berufsausbildung oder in
Beschäftigung erworbene Qualifikationen schrittweise ergänzt werden und als
Ausbildung der zweiten Chance für den Aufbau der nachhaltigen
Beschäftigungsfähigkeit genutzt werden. Es sollen Pilot- und Modellprojekte
initiiert werden, die die Ansätze der Modularisierung in berufsvorbereitenden
Maßnahmen, Berufsausbildung sowie der beruflichen Weiterbildung und Qualifizierung
berücksichtigen. Mit einem Qualifizierungspass soll ein für die Externenprüfung
geeignetes Dokumentationssystem entwickelt werden.
Das in Berlin existierende Angebot
an Einrichtungen und Initiativen zur beruflichen und sozialen Förderung von Migranten/-innen
soll effektiviert und stärker aufeinander bezogen werden.
1.6 Fehlende Schulabschlüsse und
berufliche Qualifizierungsprobleme sind oft auf eine unzureichende
Sprachkompetenz zurückzuführen. Wir wollen in unmittelbarer Verbindung mit
beruflicher Qualifizierung Sprachmodule vermitteln. Insbesondere bedarf es der Ausweitung der Anstrengungen,
Jugendliche nichtdeutscher Herkunftssprache so zu qualifizieren, dass sie eine
Ausbildung absolvieren können. Jugendliche Flüchtlinge sollen Ausbildungsmöglichkeiten
erhalten, unabhängig davon, ob sie in ihr Heimatland zurückkehren oder nicht.
1.7. Der Senat wird einen Vorschlag für
eine Bundesratsinitiative prüfen, um eine qualifizierte Ausbildung für alle
Jugendlichen zu sichern und um einzelne Unternehmen und Wirtschaftsbereiche,
die ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, zur Herstellung eines
Lastenausgleichs an der Finanzierung der beruflichen Ausbildung zu beteiligen.
2. Berufliche Weiterbildung
2.1 Wir wollen dem sich abzeichnenden
Fachkräftemangel in der Region vorbeugen. Hierfür sind regelmäßige
Bedarfserhebungen in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachverbänden und
Institutionen erforderlich, die feststellen, in welchen Bereichen und mit
welchen Qualifizierungen Fachkräfte benötigt werden.
2.2 Der Ausbau der beruflichen
Weiterbildung muss mit Bildungsberatung und Qualitätssicherung einhergehen. Um
die Unternehmen besonders im Mittelstand sowie die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer für die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens zu sensibilisieren,
wird die Bildungsberatung intensiviert. Dabei kommt es auch darauf an, dass der
Nutzen von Qualifizierungsmaßnahmen für die Beschäftigungsfähigkeit deutlich
wird. Deshalb wird die Einrichtung einer Qualitätsagentur des Landes oder einer
”Stiftung Bildungstest” geprüft. Auch hat der Senat zu prüfen, inwieweit der
Einsatz von Qualifizierungsberatern bei den Kammern und Verbänden geeignet ist,
die betriebliche Personalentwicklung zu unterstützen.
2.3 Die Qualifizierungsangebote müssen
zukünftig nicht nur den betrieblichen Anforderungen entsprechen, sondern
gleichermaßen auch den Weiterbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmern den Weg
zu anerkannten Aus- und Weiterbildungsabschlüssen über modulare
Teilqualifikationen ebnen. Das Land Berlin wird sich für ein gemeinsam mit der
Bundesanstalt für Arbeit, den Kammern und Hochschulen zu entwickelndes
Zertifizierungssystem einsetzen, das den Markt der Weiterbildung transparenter
macht.
2.4 Das Land Berlin entwickelt die
politische Initiative zu einem Berlin-Brandenburger “Qualifizierungsfonds”, der
von den Tarifpartnern, den Ländern und anderen getragen wird. Der Aufbau von
“Lernzeitkonten” auf betrieblicher, sektoraler oder regionaler Ebene soll durch
”Qualifizierungsgutscheine” unterstützt werden. Bei der Vergabe solcher
Gutscheine sollen gering Qualifizierte sowie kleine und mittlere Betriebe
bevorzugt werden. Dabei sollen auch Mittel des Europäischen Sozialfonds
eingeworben werden.
2.5. Mit der im neuen Jobaqktivgesetz
verankerten Jobrotation besteht insbesondere für kleine und mittlere
Unternehmen die Chance, sowohl das Qualifikations- wie das Beschäftigungsniveau
anzuheben. Berlin kann dabei auf seine mit den Modellmaßnahmen gewonnenen
Erfahrungen zurückgreifen. Das Land unterstützt die Aktivitäten der Arbeitsämter
und der mit Jobrotation beauftragten Dritten (arbeitsmarktpolitische Träger,
Qualifizierungsgesellschaften u.a.) z.B. durch den Aufbau von Beratungsnetzen
mit Tarifpartnern, den Kammern und Trägerinstitutionen sowie die Anregung von
Qualitätsstandards.
2.6 Für nicht schnell vermittelbare
Arbeitsuchende und Sozialhilfeempfangende werden vorrangig auf den Arbeitsmarkt
ausgerichtete Qualifizierungsangebote gefördert, die mit einer Beschäftigung in
einem Betrieb verknüpft werden. Dieser Anforderung sollen sich auch öffentlich
geförderte Beschäftigungsträger stellen.
2.7 Berlin setzt sich auf Landes- und
Bundesebene für die Überprüfung der eingesetzten Förderinstrumente im Bereich
der beruflichen Qualifizierung auf Mitnahmeeffekte ein. Die Förderinstrumente
von Bundesanstalt für Arbeit, der EU und des Landes Berlin sind aufeinander
abzustimmen, vor allem im Hinblick darauf, welche Zielgruppen sie erreichen.
3. Reform und Finanzierung
arbeitsmarktpolitischer Instrumente
1. Kofinanzierung von Arbeitsbeschaffungs-
und Strukturanpassungsmaßnahmen (ABM und SAM)
ABM
und SAM sind verstärkt auf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt
auszurichten. Die Senatsverwaltung für Arbeit wirkt auf eine intensive
Orientierung auf Problemgruppen des Arbeitsmarktes hin, die ohne diese Hilfe
selbst keine Chance auf eine existenzsichernde Erwerbsbiographie hätten.
SAM in Landesträgerschaft läuft bis
2002, ABM in Landesträgerschaft läuft aus. Die durch die Bundesanstalt für
Arbeit für Berlin zugeteilten ABM-Kontingente werden in erforderlichem Umfang
kofinanziert. Die eingegangenen Verpflichtungen für die SAM von über
55-Jährigen sind beizubehalten. Darüber hinaus werden die SAM, soweit sie zum
Erhalt der soziokulturellen Infrastruktur Berlins notwendig und wichtig sind, erhalten.
Dabei werden freie Träger, die soziale, kulturelle und ökologische Arbeit sowie
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen anbieten, ebenso berücksichtigt wie
benachteiligte Menschen, deren Integrationschancen in den ersten Arbeitsmarkt
gering sind.
2. Fortschreibung des
Arbeitsmarktpolitischen Rahmenprogramms (ARP)
Bei der Fortschreibung des ARP
werden geregelt:
·
technische
und finanzielle Hilfe für freie Träger zur Einwerbung nationaler und
internationaler Programmmittel;
·
Einrichtung
eines Experimentiertopfes;
·
Jobrotation;
·
Bezirkliche
Bündnisse für Wirtschaft und Arbeit;
·
Stadtteil-/Produktivgenossenschaften.
Die ergänzende Förderung nach dem
arbeitsmarktpolitischen Rahmenprogramm des Landes Berlin für
arbeitsmarktorientierte Beschäftigungsträger (amob) wird für die Träger, die
über keine Drittmittel oder Eigenmittel verfügen, beibehalten.
Das Land Berlin schafft die
Voraussetzungen, dass die Auftragsvergabe im Rahmen der Beschäftigung
schaffenden Infrastrukturförderung (BSI) nach § 279 a SGB III genutzt werden
kann. Das Land kooperiert dabei mit den Berliner Bezirken, damit u.a. dringend
benötigte Sanierungsmaßnahmen (Schulen, Kitas) mit den neuen Möglichkeiten des
Gesetzes durchgeführt werden können.
3. Chancengleichheit im Erwerbsleben
Berlin hat traditionell eine hohe
Erwerbsquote von Frauen und ein hohes Niveau der Beteiligung von Frauen in den
Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Trotz hoher Motivation und
Qualifikation sowie der wachsenden Bereitschaft, neue berufliche Wege zu gehen,
bestehen für Frauen immer noch größere Hemmnisse als für Männer, einen Einstieg
in gut bezahlte Berufe mit Aufstiegschancen zu finden.
Das Problem der Vereinbarkeit von
Familienleben und Erwerbsarbeit ist ein Problem von Vätern und Müttern.
Um - wie in anderen europäischen
Ländern auch - Müttern und Vätern im gewünschten Maße eine Teilhabe am Erwerbs-
wie auch am Familienleben zu ermöglichen, müssen folgende Rahmenbedingungen
realisiert werden:
- verantwortliche Beteiligung von Männern an
der Erziehungs- und Familienarbeit,
- eine der Nachfrage gerecht werdende
Bereitstellung von Einrichtungen und Schulen zur ganztägigen Betreuung von
Kindern und
- organisatorische betriebliche Veränderungen
in Kooperation mit der Privatwirtschaft.
Diese verbesserten Rahmenbedingungen
sind auch eine Voraussetzung, um Alleinerziehenden die Chance zu geben, eine
eigenständige existenzsichernde Arbeit aufzunehmen bzw. fortzuführen.
Die Koalitionspartner stimmen darin
überein, dass die enge Verzahnung von Frauen-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-,
Ausbildungs- sowie Struktur- und Bildungspolitik dabei eine zentrale
Erfolgsbedingung ist. Wir verstehen Frauenförderung und Gender Mainstreaming
dabei nicht nur als Beitrag zur Erweiterung individueller Lebenschancen,
sondern auch als Wirtschaftsförderung und als Beitrag zu einer innovativen und
chancengerechten Strukturpolitik.
Eine qualifizierte Ausbildung legt
die Grundlagen für die späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Mädchen und junge
Frauen sind an zukunftsorientierten Berufen, beispielsweise im Informations-
und Technologiebereich, gleichberechtigt zu beteiligen und gezielt zu fördern.
Dies erfordert gezielte Informationen und Unterstützung schon in den Schulen.
Unser Ziel für diese Legislaturperiode ist es, den Anteil von Frauen - darunter
deutlich mehr Migrantinnen als bisher - in IT-Berufen von jetzt 13 auf 30 % zu
steigern.
Mit einem Internet-Portal für Frauen
wollen wir eine Berliner Plattform von und für Frauen in der virtuellen Welt
schaffen. Zum einen geht es hier um die gleichberechtigte Nutzung eines immer
wichtiger werdenden Mediums und zum anderen um den Abbau bzw. die Vermeidung
bereits zu beobachtender Ungleichheiten beim Zugang zu diesen Medien in der
Gesellschaft.
Die personenbezogenen
Dienstleistungsberufe sind als qualifizierte Ausbildungs- und
Beschäftigungsbereiche weiter zu entwickeln.
Die Koalitionsparteien verpflichten
sich zur Fortsetzung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungspolitik, die
Frauenförderung als ihren integralen Bestandteil begreift. Frauen sind -
unabhängig von ihrem Alter - weiterhin entsprechend ihrem Anteil an der
Arbeitslosigkeit an allen Beschäftigungsprogrammen des Landes Berlin zu
beteiligen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Steigerung des Anteils von
Frauen in den Programmen und Maßnahmen, die auf den ersten Arbeitsmarkt zielen
(z.B. Job-Rotation, Lohnkostenzuschüsse, etc.).
Sozialhilfeempfängerinnen,
Berufsrückkehrerinnen, Migrantinnen und behinderte Frauen sind Zielgruppen der
Arbeitsmarktförderung, denen unser besonderes Augenmerk gilt. Auch für die
finanzielle Förderung von arbeitslosen Schwerbehinderten (incl. der Verwendung
der Ausgleichsabgabe) gilt, dass die betroffenen Frauen entsprechend ihrem
Anteil an allen Schwerbehinderten zu berücksichtigen sind.
Die Diskussion um neue
geschlechtergerechte Arbeitszeitmodelle muss forciert werden. In diesem
Sinne wird der Senat an die Tarifvertragsparteien und die Unternehmen
herantreten. Es wird darüber hinaus geprüft, inwieweit bei der beratenden
Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen dieser Aspekt stärker
berücksichtigt werden kann.
4. Integration von Migrantinnen und
Migranten
Wie erfolgreich
Integrationsbemühungen sowohl für die schon hier lebenden Migrantinnen und
Migranten als auch für die zukünftigen Einwanderinnen und Einwanderer sein
werden, hängt in entscheidendem Maß von ihrer Teilhabe an Erwerbsarbeit ab.
Erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt wiederum steht in Zusammenhang zum
Qualifikations- und Bildungsniveau. Teilhabe an Arbeit und Ausbildung ist mehr
als ökonomische Unabhängigkeit. Sie bringen private Kontakte, stärken das
Selbstwertgefühl, erweitern den Horizont und vergrößern die Identifikation mit
dem Gemeinwesen. Hier sind die Betroffenen, aber auch die Politik, gefordert.
Maßnahmen:
Eine Verbesserung des Ausbildungs-
und Qualifikationsniveaus ist als Voraussetzung der Integration in den
Arbeitsmarkt zwingend erforderlich. Deshalb unterstützt das Land Berlin
entsprechende Initiativen auf Bundesebene, um den Zugang von Migrantinnen und
Migranten zu Aus- und Weiterbildung zu erleichtern.
In der Arbeitsförderung brauchen wir
die Einführung gruppenspezifischer Fördermaßnahmen. An öffentlich geförderten
(Land, Bundesanstalt für Arbeit und EU) Weiterbildungs- und
Qualifizierungsmaßnahmen sollen Migrantinnen und Migranten entsprechend ihrem
Anteil an der Arbeitslosigkeit beteiligt werden. Insbesondere, aber nicht nur,
für Aussiedlerinnen und Aussiedler müssen Anpassungsqualifizierungen entwickelt
und angeboten werden, da durch die Nichtanerkennung von Abschlüssen häufig eine
massive Dequalifizierung erfolgt.
Bei der Entwicklung von
Qualifizierungsmaßnahmen in den Bereichen Informationstechnik und neue Medien
sind Jugendliche nichtdeutscher Herkunft und hier insbesondere Mädchen und
junge Frauen besonders zu berücksichtigen.
Das Ausbildungspotential
ausländischer Unternehmen muss verstärkt genutzt werden. Für
Existenzgründerinnen und Existenzgründer nichtdeutscher Herkunft sollen die
Wege für eine Existenzgründung erleichtert werden (Anerkennung ausländischer
Berufsabschlüsse). Das Land Berlin prüft mit den beteiligten Institutionen, in
welchen Bereichen die Anerkennung der ausländischen Berufsabschlüsse realisiert
werden kann. Die Existenzgründerinnen und Existenzgründer müssen Unterstützung
beim Erwerb der Qualifikation als Ausbilder bekommen. Das Modellprojekt
”Ausbilderqualifizierung für ausländische Selbständige und nichtdeutsche
Arbeitnehmer” (in Zusammenarbeit mit der IHK) ist mittelfristig zu sichern und
auf den Bereich der Handwerkskammer auszudehnen. Ausländische Unternehmerinnen
und Unternehmer müssen motiviert und unterstützt werden, mehr auszubilden.
5. Bezirkliche Bündnisse für
Wirtschaft und Arbeit
In der Beschäftigungspolitik gewinnt
die regionale bzw. lokale Komponente als zusätzliches Wettbewerbselement an
Bedeutung.
An dem vom Land Berlin gewählten
Ansatz der bezirklichen Bündnisse wird unter dem Gesichtspunkt einer Stärkung
bezirklicher Verantwortung festgehalten. Dem Land obliegt die Verantwortung für
die gesamtstädtische Steuerung und Koordinierung.
Zielsetzung der Bündnisse ist es,
unter Mitwirkung der verschiedenen lokalen Akteure auf der Grundlage regionaler
Entwicklungskonzepte Handlungsfelder und Aktionspläne zu erarbeiten und umzusetzen,
um die Arbeitslosigkeit vor Ort zu bekämpfen. Den Bündnissen werden für ihre
Tätigkeit gesondert Mittel zur Verfügung gestellt.
Die Projektfinanzierung erfolgt in
enger Kooperation zwischen den beteiligten Senatsverwaltungen, um die
Aktivitäten zu einem Bezirklichen Bündnis für Wirtschaft und Arbeit zu
erhalten.
Es ist eine Vereinbarung zwischen
dem Land Berlin, dem Landesarbeitsamt und den regionalen Arbeitsämtern über
eine kontingentierte Beteiligung an der Projektförderung im Rahmen der
Bezirklichen Bündnisse zu schließen.
6. Bekämpfung von illegaler
Beschäftigung und Schwarzarbeit
Es gilt, die vorbeugende Abwehr und
Verfolgung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit auf hohem Niveau
fortzuführen und weiter zu intensivieren. Die Zusammenarbeit der zuständigen
Bundes- und Landesbehörden ist noch effektiver zu gestalten, um die vorhandenen
Störungen auf dem Arbeitsmarkt wie illegale Beschäftigung, illegale
Arbeitnehmerüberlassung, Schwarzarbeit, Leistungsmissbrauch, Verstöße gegen das
Arbeitnehmerentsendegesetz, Steuer- und Sozialabgabenhinterziehung wirksamer
zurückzudrängen.
6.1 Folgende landespolitische
Aktivitäten sollen realisiert werden:
·
Stärkung
der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit beim Landeskriminalamt (unter Einbeziehung
von Personal aus dem Überhang),
·
Stärkung
der für Wirtschaftsstraftaten zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft/Amtsanwaltschaft,
·
Vertiefung
der Kooperation bei Prävention und Verfolgung mit dem Land Brandenburg,
·
Herstellung
der automatisierten Datenübermittlung gemäß § 14 GeWO an das Landesarbeitsamt
Berlin-Brandenburg unter Mitwirkung des / der Datenschutzbeauftragten.
Bei der Vergabe von öffentlichen
Aufträgen durch den Senat wird der Hauptauftragnehmer/die Hauptauftragnehmerin
zur laufenden Überwachung der Einhaltung der Tariftreue durch die
Nachunternehmer/Nachunternehmerinnen verpflichtet und hat darüber einen
Nachweis zu erbringen.
6.2 Der Senat wird sich beim
Bundesgesetzgeber dafür einsetzen, die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen für
die Verfolgung von Arbeitsmarktdelikten durch folgende Regelungen zu ergänzen:
·
Haftung
des gewerblichen Generalunternehmers im Baubereich für
Sozialver-sicherungsbeiträge seiner Subunternehmer,
·
Mitführungspflicht
des Personalausweises oder Reisepasses für alle Beschäftigten in der
Bauwirtschaft,
·
Berechtigung
der Bundesanstalt für Arbeit und der Zollbehörden bei Straftaten gegen den
Arbeitsmarkt selbständig Ermittlungsverfahren durchzuführen und Strafbefehle
beantragen zu können,
·
die
Erweiterung der Verpflichtung der Finanzbehörden, für die Bekämpfung von
Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung sowie für den Nachweis von
Sozialversicherungsbetrug relevante Daten an die zuständigen Behörden zu
übermitteln,
·
den
Datenaustausch zwischen den Behörden zu erleichtern und Polizei sowie BGS zu
ermächtigen, Daten zu Arbeitsmarktdelikten zu erheben und den zuständigen
Behörden zu übermitteln,
·
den
öffentlichen Vergabestellen einen Auskunftsanspruch gegenüber dem
Gewerbezentralregister einzuräumen,
·
die
Ausschlussfrist bei öffentlichen Aufträgen im Falle von rechtswidrigen
Verhaltensweisen von zwei auf vier Jahre zu erhöhen und den sofortigen
Ausschluss zu ermöglichen,
·
Sanktionen
durch Strafbewährung und Anhebung der Bußgeldrahmen zu verschärfen.
7. Gründung von Stadtteil-/
Produktivgenossenschaften
In der Beschäftigungspolitik der
Europäischen Union bekommt der sogenannte 3. Sektor einen größeren Stellenwert.
Berlin will nationale und internationale Erfahrungen aufgreifen und in einem
Modellversuch "Stadtteil-/Produktivgenossenschaften" Arbeitslosen und
Sozialhilfeempfangenden Unterstützung anbieten, die sich über
genossenschaftliche Existenzgründungen Perspektiven selbstbestimmter Arbeit
erschließen wollen.
Das Land wird in diesem Zusammenhang
u.a. Gründungsberatungen anbieten, Mittel der EU-Strukturfonds einsetzen, die
Möglichkeit der Förderung nach § 10 SGB III durch die Bundesanstalt für Arbeit
anregen sowie den Einsatz von Existenzgründer/innenmittel
prüfen. Die Möglichkeiten der beschäftigungswirksamen Investitionsvergabe nach
SGB III sind auszuschöpfen.
8. Situation der Fachberufe im
Gesundheitswesen verbessern
Die vielfältigen Anstrengungen des
Landes zur Weiterentwicklung der Fachberufe im Gesundheits- und Sozialwesen, insbesondere
der Pflegeberufe, werden zügig und konzentriert weiter bearbeitet. Dies
beinhaltet im Wesentlichen folgende Grundsätze:
·
Bestandssicherung
der vorhandenen Ausbildungsplätze,
·
Förderung
des Prozesses zur Schaffung von Verbundschulen,
·
Verbesserung
der Datenlage über die Berufe und die berufliche Praxis,
·
Sicherung
einer zukunftsfähigen Finanzierung der Ausbildungen unter Beteiligung aller
Leistungserbringer von Pflege,
·
Etablierung
von Modellen der Ausbildung im tertiären Bereich.
Zur Weiterentwicklung der
Pflegeberufe ist eine grundlegende Reform der Ausbildung notwendig.
Darüber hinaus ist eine
Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildungsinhalte in den Gesundheitsberufen
im Sinne einer verstärkten Berücksichtigung geschlechterbezogener Besonderheiten
und interkultureller Kompetenzen notwendig.
Die beruflichen Chancen,
insbesondere die Aufstiegschancen, von Frauen im Gesundheitswesen müssen
wesentlich verbessert werden.
14. Soziales
Berlin ist dem Leitbild der sozialen Gerechtigkeit
verpflichtet.
Die Herstellung gleicher Lebensbedingungen und die gleichberechtigte
Teilhabe der Berlinerinnen und Berliner an sozialen und gesellschaftlichen
Ressourcen ist Ziel der Koalition. Dabei gilt das Prinzip der Nachhaltigkeit
für alle sozialpolitische Vorhaben.
Die künftige Entwicklung der Sozialstruktur ist für Berlin
von zentraler Bedeutung. Ziel bleibt der Ausbau von multifunktionalen
Einrichtungen und Verbundsystemen im Stadtteil, die Selbsthilfe und Engagement
ermöglichen sowie soziale Dienste für Jung und Alt anbieten und ein Höchstmaß
an Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger realisieren. Vor dem Hintergrund der
dramatischen Finanzlage der Stadt wird
sich auch der Bereich Soziales aufgabenkritisch dem Ziel der Haushaltskonsolidierung
stellen.
Kostenbewusstsein bei der Aufgabenwahrnehmung und
Ausgabenreduzierung schließen die
Weiterentwicklung des Sozialwesens zu einem modernen
Dienstleistungsangebot nicht aus. Entbürokratisierung und Liberalisierung
gehören zu dieser Entwicklung. Offenheit, Vielfalt und Innovationskraft sind
unverzichtbare Kennzeichen unserer Politik. Hierzu beizutragen sind die freien
Träger und Initiativen, die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem freiwilligen
Engagement sowie die Akteure aus den Bezirken und der Wirtschaft eingeladen.
1. Wege aus der Sozialhilfe - Steuerung für eine
beschäftigungsorientierte Neuausrichtung der Sozialhilfepolitik
Beschäftigung und Qualifizierung von arbeitsfähigen
Sozialhilfeempfangenden ist für die kommende Legislaturperiode eine Aufgabe
hoher Priorität. Der nachhaltigste und wirksamste Weg, Sozialhilfebedürftigkeit
bei Erwerbsfähigen zu überwinden, ist die Vermittlung in eine dauerhafte
tarifliche Beschäftigung. Für das Land Berlin sind die effektive Steuerung der
Sozialhilfeausgaben und das Controlling aller Integrationsmaßnahmen
unabdingbar.
Es ist ein Arbeits- und Ausbildungsangebot für alle
erwerbsfähigen Sozialhilfeempfangenden zu schaffen. Insbesondere den jungen
Menschen wird nach Erstellung eines
individuellen Eingliederungsplanes eine Beschäftigung geboten, die die Chancen
auf eine reguläre Beschäftigung unterstützt. Das gilt genauso für diejenigen,
die neu in den Sozialhilfebezug kommen und erwerbsfähig sind.
Landes- und Bezirksprojekte und Modelle zur Vermittlung
erwerbsfähiger Sozialhilfeempfangender in Arbeit werden weitergeführt. Ihre
Finanzierung wird sichergestellt.
Nach dem Grundsatz "Fördern und Fordern" ist dies
sowohl die Verpflichtung für die Sozialämter und Jugendämter, entsprechende
Angebote zu machen als auch die der Leistungsempfangenden, zumutbare Angebote
anzunehmen.
Mit der Umsetzung einer beschäftigungsorientierten
Sozialhilfepolitik setzt sich der Senat das Ziel, in der kommenden
Legislaturperiode in erheblichem Umfang Mittel für die Hilfe zum
Lebensunterhalt einzusparen.
Voraussetzung dafür ist, dass Überhangpersonal in den
Sozialämtern zusätzlich eingesetzt wird. Eine schrittweise Erhöhung der
Beschäftigungsmöglichkeiten für zunächst zusätzlich ca. 6.000
Sozialhilfeempfangende pro Jahr wird den Betroffenen wirksam helfen und bereits
nach einem Jahr eine deutliche Entlastung der Sozialhilfekosten des Landes
bewirken.
Das Land Berlin steigert deshalb die Maßnahmen zur
Beschäftigungsförderung in den Programmen zur Integration durch Arbeit
und der Hilfe zur Arbeit und stellt die Möglichkeiten der Existenzgründung aus
der Sozialhilfe heraus auf eine einheitliche und verlässliche Grundlage.
Zur weiteren Verbesserung der Zusammenarbeit mit den
Arbeitsämtern wird die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Senat und dem
Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg
erweitert. Über das Modell MoZArT und das LKZ-Programm für arbeitslose
Jugendliche hinaus sind die Kooperationen zwischen regionalen Arbeitsämtern und Sozialämtern weiterzuentwickeln.
Das Land Berlin unterstützt die Bezirke bei der Umsetzung
der Beschäftigungsinitiativen für Sozialhilfeempfangende und verbessert die
Steuerung der Sozialhilfe.
Zur wirksamen Steuerung der Bezirksausgaben und der
Beschäftigungsförderung nach dem BSHG sind Ausführungsvorschriften und
Rechtsvorschriften zu erlassen und verbindliche Ziel- und Qualitätsvorgaben
sowie Organisationsvorgaben des Senats für die Bezirksämter unumgänglich.
Zu diesem Zweck wird das AZG entsprechend novelliert.
Eine nach sozialstrukturellen Kriterien definierte
Datengrundlage für die Zumessung und die Steuerung des Sozialhilfebudgets
schafft Ausgabentransparenz. Die rechtlichen Grundlagen für die Datenerhebung,
die Budgetsteuerung und die mit dem Controllingverfahren verbundenen
fiskalischen Anreize bzw. Sanktionen sind zu schaffen.
Im Laufe der Legislaturperiode muss der Senat
Zuständigkeiten überprüfen und Doppel- oder gar Mehrfachbearbeitungen gleicher
Sachverhalte beenden.
Der Senat wird gemeinsam mit den Bezirken prüfen, ob durch
eine Neuorganisation der sozialen Dienste eine wirksamere Betreuungsqualität
gewährleistet werden kann.
Das interkommunale Benchmarking der Hilfe zum
Lebensunterhalt mit dem Ziel des Leistungsvergleichs wird weiter verbessert werden.
In den Bezirken müssen Instrumente wie Hilfeplanung,
Fallmanagement und Auswegberatung und daraus resultierende
Qualifizierungserfordernisse institutionalisiert und mit der notwendigen
Fallzahlreduzierung pro Sachbearbeiter verbunden werden. Das Personal in den
bezirklichen Sozialämtern ist entsprechend den neuen Aufgabenstellungen zu
qualifizieren und zu verstärken.
2. Soziale Stadtentwicklung und Perspektiven sozialer
Infrastruktur
2.1 Sozialberichterstattung qualifizieren
Die Parteien bekräftigen die Notwendigkeit einer
wissenschaftlich fundierten integrierten Sozialberichterstattung der Ressorts
auf einer einheitlichen und abgestimmten Datenbasis, die als externes
Controlling der Sozialpolitik verstetigt wird. Dazu wird die bisherige
Berichtstätigkeit koordiniert fortgesetzt und mit weiteren, auf gesetzlichen
Verpflichtungen beruhenden Berichtsprozessen (z.B. Kinder- und Jugendbericht in
jeder Legislaturperiode) im Senat abgestimmt.
Zur Analyse der
sozialräumlichen Strukturveränderungen werden regelmäßig Sozialdaten in
kleinräumiger Gliederung benötigt. Mit dem Statistischen Landesamt sind
entsprechende Maßnahmen zu vereinbaren.
Als Grundlage für zielorientierte Planungen erstellt Berlin
je Legislaturperiode einen Armutsbericht. Er muss politischen Handlungsbedarf
aufzeigen, aus dem geeignete Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und sozialen
Nachhaltigkeit in der Stadt abzuleiten sind.
2.2 Stadtteilorientierung
Zentrale Bedeutung hat die Weiterentwicklung des
Zuwendungsvertrages Stadtteilzentren. Regionale Gegebenheiten und außerhalb des
Vertrages stehende nachbarschafts- bzw. stadtteilorientierte Einrichtungen sind
hierbei zu berücksichtigen. Angebotsplanungen haben darüber hinaus in
Kooperation mit den Bezirken und in Abstimmung mit bezirklichen und freien
Trägern und Verbänden zu erfolgen. Dabei sind Selbsthilfeprojekte von Menschen
mit Behinderungen angemessen zu beteiligen.
In Anlehnung an Empfehlungen der ”Berlin Studie” sollen die
Strategieansätze und Erfahrungen der Aktivierung bürgerschaftlichen
Engagements, die im Rahmen des ”Aktionsprogramms Urbane Integration” für
Gebiete mit besonderem Handlungsbedarf (Quartiersmanagement) gewonnen wurden,
einbezogen werden und so zu einer abgestimmten Entwicklung beider führen.
Das von der UNO deklarierte Internationale Jahr der
Freiwilligen 2001 hat deutlich gemacht, mit wie viel Begeisterung Menschen sich
freiwillig engagieren und ehrenamtliche Arbeit leisten. Der Senat wird deshalb
auch weiterhin dieses ehrenamtliche Engagement nach Kräften weiter fördern und
unterstützen. Die Ergebnisse der Enquete-Kommission der Bundesregierung und die
Erfahrungen in Berlin im Jahr des Ehrenamtes zum bürgerschaftlichen Engagement
werden zeitnah bewertet und ggf. umgesetzt. Dazu erstellt Berlin zur
Mitte der Legislaturperiode einen Ehrenamtsbericht.
Bürgerschaftliches Engagement braucht Rahmenbedingungen und
eine Infrastruktur, um sich entfalten zu können. Der Senat wird deshalb alle
Bemühungen unterstützen, die in diesem Jahr begonnenen Maßnahmen und
Initiativen in den nächsten Jahren umzusetzen und fortzuführen. Berliner Unternehmer
sind aufgefordert, die Bereitschaft ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu
bürgerschaftlichem Engagement zu erhöhen.
2.3 Soziale Angebote und Zusammenarbeit mit Leistungserbringern
Freie Träger und Projekte sichern einen wesentlichen Anteil
des Angebots im sozialen Bereich. Für die Finanzierung freier Träger außerhalb
von Entgeltvereinbarungen sind verstärkt Tätigkeiten, die der sozialen,
gesundheitlichen oder allgemeinen Daseinsvorsorge dienen, zur Sicherung der
jeweiligen Grundversorgung nach Maßgabe
von Leistungs- und Qualitätsvorgaben auszuschreiben und zu vergeben.
Bestehende vertragliche Regelungen über die Vergabe von
Haushaltsmitteln des Landes Berlin im Bereich der sozialen und gesundheitlichen
Versorgung sollen zu Leistungsverträgen über quantifizierbare Leistungen
weiterentwickelt werden. Um die Sicherstellung der Qualität für die Nutzer und
die gerechte Beurteilung der Leistungen sozialer Dienste zu ermöglichen,
entwickelt das Land Berlin gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden und den
öffentlichen Trägern sozialer Dienste ein System der Qualitätsentwicklung.
Teile der Lottomittel dienen der laufenden Finanzierung
sozialer Zwecke. Diese Mittelbindung ist bei einer eventuellen Einstellung der
Lottomittel in den Landeshaushalt zu berücksichtigen.
Beim LIGA-Vertrag haben Senat und Verbände sich in der
jüngeren Vergangenheit auf eine Regelung verständigt, die verlässliche
Rahmenbedingungen für die freien Träger und Aufgabenreduzierungen miteinander
verbindet. Im Hinblick auf den Abschluss eines neuen Vertrages wird der Senat
gemeinsam mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege eine intensive
Bestandsaufnahme der Angebote mit dem Ziel einer sichtbaren Kostensenkung
durchführen. Der Ligavertrag wird mit dem Ziel weiter entwickelt, Zielvereinbarungen
für bestimmte Fördergruppen, Kriterien zur Evaluation im Rahmen eines einheitlichen Qualitäts- und
Dokumentationssystems und in diesem Zusammenhang auch Sanktionsmöglichkeiten zu
vereinbaren.
2.4 Umsetzung der Insolvenzrechtsreform
Im Rahmen der Betrachtungen zu den Armuts- und
Reichtumsverhältnissen innerhalb der
Bevölkerung nimmt die Ver- und Überschuldungssituation von Haushalten
einen wesentlichen Platz ein. Begrenzung des Schuldenanstiegs, Stabilisierung
der wirtschaftlichen Verhältnisse und Verbesserung der psychosozialen
Verfassung der Betroffenen helfen Auswirkungen von Ver- und Überschuldung zu
verhindern sowie entsprechende Folgekosten für den Sozialhilfeträger
einzusparen.
Im Rahmen der Umsetzung der Insolvenzrechtsreform wird der
Senat in Zusammenarbeit mit Schuldnerberatung und Kammern ein Konzept
entwickeln, mit dem eine effektive Beratung für überschuldete Gewerbetreibende
ermöglicht wird.
Die vorhandenen Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen
sind weiterhin finanziell abzusichern. Darüber hinaus ist der Einsatz von
Überhangkräften des öffentlichen Dienstes zu prüfen. Nach ersten Erfahrungen
mit der Novellierung der Insolvenzordnung und der damit zu erwartenden
Veränderung der Klientinnen-/Klientenzahl wird die bestehende Gesamtkonzeption
überprüft.
Durch Aufklärung über die Vermeidung und Hilfen zur
Überwindung von Überschuldung können kritische Lebenssituationen besser
bewältigt werden. Kenntnisvermittlung zur privaten Haushaltsführung und zum
Umgang mit Kredit- und Warenangebot ist deshalb bereits bei Jugendlichen in
Schulen und Berufsschulen geboten.
2.5. Wohnungslosenpolitik
Wohnungslosigkeit und Armutsentwicklung sind eng miteinander
verbunden. Sie betrifft vor allem sozial besonders belastete Teile von
Bezirken. Vorrang hat die Vermeidung des Wohnungsverlustes als sozial- und
fiskalpolitische Strategie. Die Verzahnung von bezirklichen und
gesamtstädtischen Maßnahmen sowie die Zusammenarbeit der Träger in der
Wohnungslosenhilfe sind zu verbessern; insbesondere sind die Angebote zur
niedrigschwelligen medizinischen Versorgung unter Berücksichtigung der
fachärztlichen und zahnmedizinischen Weiterbehandlung im Rahmen einer
Gesamtkonzeption zu sichern.
3. Integrations- und Migrationspolitik
Die Geschichte Berlins ist wesentlich durch Menschen geprägt
worden, die aus vielen anderen Ländern zugewandert sind. Sie sind ein
unverzichtbarer Teil der Gesellschaft geworden und tragen zur wirtschaftlichen
und kulturellen Bereicherung unserer Stadt bei. Zugleich ist Berlin Zufluchtsort für Menschen in Not, für
Kriegsflüchtlinge und für politisch Verfolgte. Unter Integration verstehen wir
das von gegenseitiger Achtung und Toleranz geprägte Zusammenleben und
Zusammenwirken von Menschen unterschiedlicher Herkunft. Rechtliche
Gleichstellung und gleiche Teilhabechancen an politischen und
gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen sind dafür Grundvoraussetzung.
3.1 Zur Verbesserung der ressortübergreifenden Zusammenarbeit wird
eine Landeskommission für Integrations- und Migrationsfragen (analog der
Landeskommission gegen Gewalt) errichtet. Sie berät den Senat und gibt den
Migrantenorganisationen, den Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen vor
grundsätzlichen, sie betreffenden politischen Entscheidungen mehr Informations-
und Anhörungsmöglichkeiten. Wir wollen die Stellung der Ausländerbeauftragten
zur Integrations- und Migrationsbeauftragten ausbauen und ihre Rolle stärken.
Dazu gehört auch die Übernahme der Aufgabe einer/eines
Aussiedlerbeauftragten.
3.2 Wir werden im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zur Förderung der Integration
die Qualität der Integrationsmaßnahmen für Neueinwanderer, junge und ältere
Migrantinnen und Migranten Aussiedlerinnen und Aussiedlern sowie
Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, Asylberechtigte und Flüchtlinge verbessern.
Wir wollen für die Neuankömmlinge, Asylberechtigten und
Flüchtlinge mit Daueraufenthalt Integrationskurse anbieten unter Nutzung der
Bundesmittel. Die Teilnahme wird mit einem Zertifikat bescheinigt. Zur Erhöhung
der Teilnehmerzahl werden wir Anreize schaffen.
Wir wollen nach Möglichkeit Modellversuche initiieren.
Eine Infrastruktur der Verbände, Vereine und Projekte der
sozialen und soziokulturellen Arbeit von und für Migrantinnen und Migranten und
Flüchtlinge, der antirassistischen und interkulturellen Arbeit ist in Berlin
unverzichtbar.
3.3 Die Koalitionsparteien haben sich darüber verständigt, Leistungsempfangende nach dem AsylbLG soweit
wie möglich die Unterbringung in Wohnungen zu gewähren.
4. Politik für, mit und durch Menschen mit Behinderungen
Eine Politik für, mit und durch Menschen mit Behinderungen
ist Bürgerrechtspolitik. Sie ist eine Querschnittsaufgabe. Ziel ist eine
tatsächliche und selbstverständliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am
gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Leben in
Berlin.
4.1 Berlin erklärt seinen Beitritt zur ”Deklaration von Barcelona - Die
Stadt und die Behinderten” und wird die Realisierung der Leitlinien zum Ausbau
Berlins als behindertengerechter Stadt mit Nachdruck verfolgen.
4.2 Das Prinzip der Barrierefreiheit gilt für alle Bereiche.
Barrierefreiheit umfasst auch die Kommunikation etwa mittels
Gebärdensprachdolmetschern und -innen oder über elektronische Medien. Die
Internetseiten des Senates sind behindertengerecht nachzurüsten.
Die Anerkennung der deutschen Gebärdensprache und die
Einrichtung eines Studienganges Gebärdensprache wird forciert.
Mit dem Wintersemester 2002/2003 wird es den Studiengang
Gebärdensprache geben.
Die Abendschau des SFB ist durch Gebärdensprachdolmetschen
als integrativem Bestandteil der ausgestrahlten Sendung zu übersetzen. Die
behindertengerechte Ausstattung aller Einrichtungen und Fahrzeuge des
öffentlichen Nahverkehrs wird auch bei Grundsanierungen durchgesetzt.
Zugangskontrollen dürfen die Barrierefreiheit nicht beeinträchtigen. Zur
Sicherung der Mobilität von Menschen mit Behinderungen ist der Sonderfahrdienst
weiterhin erforderlich. Unter Wahrung finanzieller Ausgewogenheit und
Transparenz wird im Zuge der Weiterentwicklung des behindertengerechten
öffentlichen Personennahverkehrs unter Einbeziehung des
Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen ein Gesamtkonzept zur
verkehrlichen Mobilität entwickelt.
4.3 Der/die Landesbeauftragte für Behinderte und der Landesbeirat werden
weiterhin bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt. Der Landesbeauftragte
für Behinderte soll das Rederecht im Abgeordnetenhaus zu den im
Landesgleichberechtigungsgesetz festgelegten Berichten erhalten. In allen
Senatsverwaltungen werden unter Beteiligung des Landesbeauftragten für
Behinderte und der Behindertenverbände Arbeitsgruppen eingerichtet, deren
Aufgaben und Kompetenzen sich an der Vernetzungsarbeitsgruppe zu Verkehrsfragen
orientieren.
4.4 Die Wohn- und Betreuungsformen für Menschen mit Behinderungen sind
orientiert an den individuellen Vorstellungen der Betroffenen im Zuge der
weiteren Reform der Einrichtungsfinanzierung weiterzuentwickeln.
Für Menschen mit pflegerischem Bedarf in vollstationären
Einrichtungen der Behindertenhilfe werden mit den Beteiligten (insbesondere der
AG der Pflegekassenverbände und der Verbände der Träger) praktische Lösungen
auf der Grundlage des § 40a BSHG entwickelt, damit diese Personengruppe Wunsch- und Wahlrecht besser wahrnehmen
kann.
Die Sicherstellung der Teilhabe der Menschen mit
Behinderungen am Arbeitsmarkt ist ein ganz wesentlicher Baustein zur sozialen
Integration und Gleichstellung. Zusammen mit der Fortschreibung der Netz- und Aufbauplanung für Werkstätten
für behinderte Menschen, Integrationsbetrieben und -abteilungen gilt es innovative
Ansätze und Maßnahmen zu erproben, um zu einer bedarfsgerechten Rehabilitation
und Integration von Menschen mit Behinderungen zu gelangen. Dabei sind
wohnortnahe Qualifizierungsangebote und Angebote zur beruflichen Rehabilitation
besonders zu fördern.
Im Sinne des Gender-Mainstreaming soll die spezifische
Situation behinderter Frauen berücksichtigt werden. Dazu zählt insbesondere die
Partizipation behinderter Frauen am Berliner Aktionsprogramm zur Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter, die Sicherung gleichgeschlechtlicher
Pflegeassistenz sowie die Einbeziehung in das Berliner Interventionsprojekt
gegen häusliche Gewalt. Zur Ermöglichung einer selbstbestimmten Lebensweise
behinderter Frauen und Männer wird das Arbeitgebermodell weiter gefördert.
Berlin wird die innovativen Möglichkeiten der
Leistungsbewilligung durch die Ermunterung der Träger zu Modellprojekten
(”persönliches Budget”) nutzen. Das Berliner Aktionsprogramm zur
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter wird weitergeführt. Nach
Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe
von Menschen mit Behinderung (SGB IX) sind zu den neuen Regelungen Lösungen im Sinne
einer gleichberechtigten Teilhabe zu Gunsten der betroffenen Menschen zu
formulieren.
5. Einer alternden Gesellschaft in der Stadt gerecht werden
Die demografischen Veränderungen der Bevölkerung erfordern
ein Umdenken in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. In wenigen Jahren wird
der Anteil der über 65-Jährigen in Berlin bei ca. 30% liegen. Die Rolle und
Lebensauffassung älterer oder alter Menschen in der Gesellschaft hat sich
gewandelt. Die Generation in der ”dritten Lebensphase” ist emanzipierter und
selbstbewusster geworden.
Es ist erklärtes Ziel, die politische und soziale Teilhabe
älterer Menschen in der Gesellschaft zu fördern und zu unterstützen.
5.1 Landesseniorenbeirat, Landesseniorenvertretung und die bezirklichen
Seniorenvertretungen werden weiterhin hohen Stellenwert bei der fachpolitischen
Willensbildung haben.
Die Erfahrungen und Sichtweisen Älterer sind in
Planungsprozesse einzubeziehen. Die Grundlagen ihrer Mitwirkungsrechte werden
dem Abgeordnetenhaus in aktualisierter Form vorgelegt.
5.2 Es sind die Möglichkeiten auszuschöpfen, die selbständiges Wohnen im
Alter fördern, z.B. Finanzierung seniorengerechter Maßnahmen im Rahmen von
Sanierungen und Modernisierungen von Altbauten sowie den Ausbau
niedrigschwelliger Betreuungsangebote,
z.B. Betreuungsgruppen für demenziell erkrankte Menschen.
5.3 Die sozialen Netzwerke der informellen Hilfe (Partnerschaft, Familie,
Verwandtschaft, Nachbarschaft, Freundeskreis) leisten nach wie vor den
Hauptteil der sozialen und gesundheitlichen Unterstützung im Alter. Dies bedarf
der gesellschaftlichen Anerkennung und Unterstützung.
Der Senat wird zusammen mit den verschiedenen Akteuren (MDK, Heimaufsicht, Träger u.a.) zur Sicherung der Pflegequalität und zur Prävention bzw. Hilfe bei Gewalt in der Pflege die Einrichtung eines zentralen verbraucherorientierten Reklamationsmanagements prüfen, das Pflegebedürftige und Angehörige unterstützt.
Die demografische Entwicklung wird auch die Zahl der Betreuungen erhöhen. Gerade hier ist ehrenamtliches Engagement nicht nur gesetzlich gefordert, sondern auch sozialpolitisch geboten.
Es ist daher Ziel der Koalitionsparteien, den Anteil
ehrenamtlicher Betreuungen mit professioneller Anleitung durch
Betreuungsvereine zu erhöhen.
5.4 Die Zahl der in Berlin lebenden und aus über 180 Staaten stammenden
alten bzw. alt werdenden Migrantinnen und Migranten wird sich künftig deutlich
erhöhen. Angesichts der quantitativen Entwicklung, aber auch der veränderten
Familienstrukturen zeichnet sich ab, dass sie zunehmend auf die Dienste der
ambulanten, aber auch der offenen und stationären Altenhilfe angewiesen sein
werden.
5.5 Der Senat wird sich im Zusammenwirken mit den Landesregierungen der
neuen Bundesländer um die Lösung noch offener Fragen der Rentenüberleitung
sowie der zeitlichen Perspektive der Angleichung bemühen.
Alle Dienste und Einrichtungen sind zur interkulturellen
Öffnung und Sensibilisierung für die Bedürfnisse der Migrantinnen und Migranten
aufgefordert.
Wichtig ist es insbesondere, die auf beiden Seiten - bei den
älteren Ausländern und bei den Diensten der Altenhilfe - bestehenden
Zugangsbarrieren weiter abzubauen.
6. Pflegepolitik
6.1 Das Land Berlin bekennt sich zu seiner Verpflichtung gegenüber den
pflegebedürftigen Menschen in Berlin, die auf Pflege in stationären
Einrichtungen angewiesen sind und wird für den weiteren Aufbau und die
Entwicklung einer leistungsfähigen pflegerischen Versorgungsstruktur Sorge
tragen.
Die zur Verfügung stehenden Finanzhilfen des Bundes nach Art.
52 PflegeVG für Einrichtungen der teil- und vollstationären Pflege werden für
eine deutliche Verbesserung der Situation von pflegebedürftigen Bewohnern im
Ostteil der Stadt in vollem Umfang ausgeschöpft.
6.2 Um Pflegeplätze in vergleichbarer Qualität und zu vergleichbaren Kosten
für alle pflegebedürftigen Menschen im Land Berlin bereitstellen zu können,
die Kosten für die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen zu senken
und damit eine möglichst weitgehende Unabhängigkeit der Pflegebedürftigen von
den Leistungen der Sozialhilfe zu erreichen sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen
für Träger von Pflegeeinrichtungen in allen Bezirken der Stadt zu schaffen,
können künftig Mittel auch für die dringend notwendigen Investitionen im
Westteil der Stadt vorgesehen werden.
In diesem Zusammenhang ist die Umstellung der
Investitionsförderung auf einkommensabhängige Subjektförderung zu prüfen. In
diese Prüfung ist einbezogen, wie die pflegerische Infrastruktur noch leistungsfähiger gestaltet werden kann.
6.3 Neben den stationären Pflegeeinrichtungen werden auch die
Wohngemeinschaften von an Demenz erkrankten Menschen mit ambulanter Pflege
unterstützt.
Der Senat wird auch dafür Sorge tragen, das die in der
Novelle zum Heimgesetz und den ergänzenden Vorschriften enthaltenen
Verbesserungen für Heimbewohner schnellstens umgesetzt werden.
Die Zuständigkeit für die Heimaufsicht soll dem Senat
zugeordnet werden.
7. Bekenntnis zu Berlin als zentralem Standort der
Rentenverwaltung / Fusion der Unfallkassen von Brandenburg und Berlin
In der Debatte um die Organisationsform in der gesetzlichen
Rentenversicherung setzt sich das Land Berlin mit ganzer Kraft für den Erhalt
der rund 16.000 Arbeitsplätze bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (BfA) ein, die nach den Beschlüssen der Unabhängigen
Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat Bestandteil der bundesweit
ausgewogenen Verteilung von Bundesbehörden sind. Wir haben nicht nur ein
überragendes arbeitsmarktpolitisches Interesse daran, sondern auch ein frauen-
und familienpolitisches Interesse, denn mehr als 70 % dieser Stellen werden von
Frauen besetzt, die vielfach durch ihre Familien an Berlin gebunden sind. Wir
werden uns genauso dafür einsetzen, die Zahl der Arbeitsplätze bei der LVA
Berlin auch nach der Fusion mit der LVA Brandenburg am Standort Berlin zu
behalten. Berlin muss eine zentrale Stätte der Rentenverwaltung in Deutschland
bleiben.
Wir wollen auf der Basis der dafür vorhandenen
bundesgesetzlichen Ermächtigung die Fusion der Träger der gesetzlichen
Unfallversicherung der öffentlichen Hand in Brandenburg und Berlin (Fusion der
Unfallkasse Brandenburg - zugleich Feuerwehrunfallkasse Brandenburg - mit der
Unfallkasse Berlin) und werden mit dem Land Brandenburg in Verhandlungen über
eine schnelle Umsetzung dieses Vorhabens eintreten.
15. Gesundheit
Die auf Zukunft ausgerichtete Gesundheitspolitik in Berlin
muss in Reformansätze und Präventionsstrategien eingebettet werden, die darauf zielen,
- die
gesundheitliche Lebensqualität der BerlinerInnen weiter zu verbessern;
- die
sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren;
- die
wirtschaftlichen Potenziale des "Wachstumsmarktes Gesundheit" zu
erschließen.
Politik hat zur Aufgabe, die Rahmenbedingungen für eine
gesunde Lebensweise, Vorbeugung vor Krankheiten, Überwindung von Krankheit
sowie die Pflege und dauerhafte Unterstützung bei chronischen Erkrankungen zu
sichern. Der gesundheitliche Verbraucherschutz gewinnt an Bedeutung und muss
zur Sicherheit der Bevölkerung weiterentwickelt werden.
Wichtige Strukturmerkmale und Voraussetzungen dafür liegen
in vernetzenden integrativen Arbeitsformen, die alle Gesundheitsbereiche von
der Gesundheitsförderung über die ambulante und stationäre Versorgung bis zur Pflege umfassen müssen.
1. Prävention und
Gesundheitsförderung
1.1 Die Koalitionspartner räumen der
Verbesserung des Gesundheitszustandes der Berliner Bevölkerung durch die
Stärkung von Gesundheitsförderung und Prävention eine hohe Priorität im Rahmen
ihrer Gesamtpolitik ein.
1 1.2 Gemeinsam mit den Krankenkassen
und anderen Akteuren im Gesundheitswesen wird ein Bündnis für
Gesundheitsförderung geschlossen, das insbesondere die Verbesserung der
gesundheitlichen Situation von Kindern und Jugendlichen und sozial schwächeren
Bevölkerungsgruppen in der Gesundheitsförderung zum Ziel hat sowie die
Unterstützung von chronisch Kranken verbessern soll mit dem Ziel, abgestimmte
und gemeinsam zu tragende Maßnahmen und Projekte schnell, koordiniert,
effizient und evaluierbar umsetzen zu können.
1. 1.3 Die Koalitionspartner vereinbaren
die Gründung eines Gremiums bei der für Gesundheit zuständigen Verwaltung unter
Beteiligung von Akteuren des Gesundheitswesens, das die Ergebnisse des
Jahresgesundheitsberichtes auswertet, gesundheitspolitische Ziele formuliert
und geeignete Maßnahmen zur Umsetzung empfiehlt.
Darüber hinaus ist eine
geschlechterdifferenzierte Gesundheitsberichterstattung zu gewährleisten, um
bessere Grundlagen für gesundheitspolitische Planungs- und
Entscheidungsprozesse zu erhalten.
1. 1.4 Die Koalitionsfraktionen
unterstützen ausdrücklich die Beteiligung und bessere Vernetzung von
Selbsthilfegruppen und Initiativen an
Vorhaben für eine gesunde Lebensweise. Auf diesem Weg sollen
Gestaltungsspielräume für vielfältige Aktivitäten und Innovationen geöffnet
werden.
1.5
Gesunde Städte-Netzwerk
Eine gesunde Stadt verbessert die
gesundheitlichen und sozialen Lebensbedingungen und fördert gemeinschaftliche
Aktions- und Unterstützungsformen. Sie trägt damit ganz wesentlich zur Erhöhung
der Lebensqualität bei und gibt den Menschen die Gelegenheit, als Betroffene in
ihrer Lebens- und Arbeitsumwelt eigenverantwortlich an Verbesserungen
mitzuwirken. Nachdem das Abgeordnetenhaus die Bereitschaft zur Mitgliedschaft
im Netzwerk beschlossen hat, soll diese umgehend beantragt werden. Wir wollen Leitlinien für eine gesunde Stadt entwickeln und die
Einrichtung einer Gesundheitskonferenz als Diskussionsforum und Plattform des
Netzwerks.
Im Rahmen der Mitgliedschaft im
”Netzwerk gesunde Städte” wird Berlin die unterschiedlichen
gesundheitspolitischen Ansätze und Projekte einem Vergleich unterziehen und
daraus eigene Strategien ableiten.
1.6 Stärkung des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes
Zur Zeit erlaubt es die Rechtslage
nicht, die Verbraucher und Verbraucherinnen zu Lebensmitteln und
Bedarfsgegenständen zu informieren, wenn keine gesundheitliche Gefahr besteht.
Deshalb wird Berlin ein Landesgesetz beschließen. Danach soll es zukünftig
möglich sein, Hersteller und Namen von Produkten öffentlich zu nennen, wenn sie
gegen geltendes Recht verstoßen.
Der Verbraucherschutz in Berlin
insgesamt wird bei der für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Frauen zuständigen
Verwaltung angesiedelt. Der Gesundheitsschutz der Berliner Bevölkerung bei
atomarer, biologischer oder chemischer Bedrohung ist unverzichtbarer
Bestandteil der Gesundheitspolitik und bleibt als Fachaufgabe bei der für das
Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung angesiedelt. Mit dem Ziel
”sichere Produkte - gesunde und zufriedene Verbraucher” sollen die Aktivitäten
zum Verbraucherschutz weiter intensiviert werden. Der Gesundheitsschutz von
Personen ist mit dieser Aufgabe untrennbar verbunden.
1.7 Stärkung der Patientenorientierung/Patientenrechte
im Gesundheitswesen
Die Eigenverantwortung der Menschen
für ihre Gesundheit darf nicht gegenüber den Akteuren im Gesundheitswesen
aufhören. Deshalb müssen die Patienteninformation und Patientenrechte soweit
wie möglich gestärkt werden. Im Rahmen der rechtlichen, finanziellen und
personellen Möglichkeiten des Landes sollen z.B. durch Modellvorhaben und
Absprachen mit einzelnen Akteuren im Gesundheitswesen die Patientenrechte
gestärkt werden:
- durch Prüfung aller Ansätze einer stärkeren
Einbeziehung von Patientenvertretern und Patientenfürsprechern in
Entscheidungsprozesse im Gesundheitswesen (institutionelle Erweiterung der
Patientenrechte),
- durch die Förderung anbieterunabhängiger
Beratungsstellen,
- durch Unterstützung der Koordinierung und
Abstimmung der vielfältigen vorhandenen Beratungsangebote von Krankenkassen,
Kassenärztlicher Vereinigung (KV), Kammern, Öffentlichem Gesundheitsdienst
(ÖGD) und Selbsthilfeorganisationen,
- durch Einbeziehung von Laien/Patientenvertretungen
in Ethikkommissionen.
2. Der öffentliche
Gesundheitsdienst (ÖGD)
2.1 Der öffentliche Gesundheitsdienst wird in seiner
sozialkompensatorischen Wirkung gestärkt. Er wird weiterentwickelt, um eine
stärker impulsgebende, koordinierende und steuernde Funktion sowie
Qualitätsmanagementaufgaben auf der bezirklichen Ebene wahrnehmen zu können.
2.2. Die Öffnung des ÖGD für die
Belange von Migrantinnen und Migranten ist zu fördern. Dabei wird die
Erweiterung der interkulturellen Kompetenz, insbesondere mehr Information über
spezifische Krankheitsbilder und deren Beachtung bei der Versorgung von Migrantinnen und Migranten gefördert.
2.3. Diese Modernisierung des ÖGD hat
auch Auswirkungen auf den Weiterbildungsbedarf und die Qualifikation der
Mitarbeiterschaft.
2.4. Ein moderner ÖGD hat die Aufgabe,
die Angebotsstrukturen gesundheitlicher Versorgung hinsichtlich ihrer Effizienz
zu prüfen und gegebenenfalls Veränderungen zu initiieren.
2.5. Unter Verzicht auf
Schulabschlussuntersuchungen wird eine gesetzlich vorgeschriebene
Früherkennungsuntersuchung im Vorschulalter durch den kinder- und
Jugendgesundheitsdienst (KJGD) gewährleistet, die insbesondere das Ziel
verfolgt, gesundheitliche, psychosoziale und sprachliche Defizite rechtzeitig
zu erkennen sowie den Impfstatus festzustellen, um die daraus resultierenden
notwendigen Maßnahmen einleiten zu können. Es wird darauf hingewirkt,
Impf-Lücken bei den Vorschuluntersuchungen zu schließen.
Dazu bedarf es einer Novellierung des
Gesundheitsdienstgesetzes (GDG).
2.6 Im Vorgriff auf das angestrebte
gemeinsame Land Berlin Brandenburg ist zu prüfen, wie ein gemeinsames
Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin geschaffen werden kann.
3. Psychiatrische
Versorgung
3.1
Die psychiatrische Versorgung in Berlin steht insbesondere vor folgenden
Aufgaben:
·
Weiterentwicklung
und Stabilisierung des regionalisierten Versorgungssystems in Richtung
gemeindepsychiatrische Verbünde in den Bezirken,
·
Entwicklung
eines gerontopsychiatrisch/geriatrischen Verbundsystems zur Sicherstellung der
pflegerischen Versorgung gerontopsychiatrisch und schwerst demenziell
erkrankter Menschen unter Einbeziehung der Angebote in die regionalisierte
Versorgung,
·
Aufbau
einer Landesgesundheitsberichterstattung für den Bereich Psychiatrie mit Blick
auf die Evaluation des Versorgungssystems,
·
die
gemeindenahe Versorgung wird nach dem inzwischen erreichten Stand der
Enthospitalisierung evaluiert. Der Psychiatrieentwicklungsplan (PEP) wird unter
Beachtung der Krankenhaus- und Landespflegeplanung entsprechend
fortgeschrieben. Flexible Handhabung der Betreuung bei Bezirkswechsel und der
sich daraus ergebenden finanziellen Fortschreibung (ein halbes Jahr) werden
gewährleistet.
3.2 Im Bereich des
Maßregelvollzuges besteht ein dringender Bedarf, die begonnenen Reformen
verstärkt fortzusetzen:
·
die
Anpassung der Kapazitäten im Bereich des Maßregelvollzugs an den vorzuhaltenden
Bedarf, wobei die Obergrenze der Belegungsplätze im örtlichen Bereich
Reinickendorf bei 400 Plätzen verbindlich festgeschrieben ist,
·
die
Weiterentwicklung des Sicherheitskonzeptes und entsprechende Umsetzung mit dem
Ziel einer erhöhten Sicherheit der Bevölkerung an den beiden vorhandenen
Standorten,
·
die
Schaffung eigener rechtlicher Grundlagen für den Maßregelvollzug
(Maßregelvollzugsgesetz) zur rechtsstaatlichen Absicherung;
·
es ist
zu prüfen, ob durch die Einrichtung einer forensisch-psychatrischen
Institutsambulanz eine verbesserte Versorgung ermöglicht wird.
4. Krankenhauspolitik
4.1 In der Berliner
Krankenhauslandschaft besteht nach wie vor Reformbedarf. Das
Landeskrankenhausgesetz, einschließlich der dazugehörenden Verordnungen werden
novelliert mit der Maßgabe, die Regelungsdichte zu vermindern.
4.2 Der Berliner Krankenhausplan wird
verändert mit der Maßgabe, eine hochwertige klinische Versorgung zu sichern,
die Kapazitäten den Bedarfen unter den Gesichtspunkten sozialer Verantwortung
und ökonomischer Vernunft anzupassen und eine wohnortnahe Basisversorgung
sicherzustellen.
Die
Senatsverwaltung wird die Einführung
von Fallpauschalen im Interesse
der Sicherstellung des Versorgungsauftrages fachkundig begleiten und lenkend eingreifen, um Lücken in der
Versorgung nicht entstehen zu lassen.
Im Zusammenhang
mit der Einführung der Fallpauschalen sind neue Instrumente zur
Krankenhausplanung zu entwickeln. Entscheidungen über Neubauinvestitionen,
einschließlich eines Ersatzbaues für das Krankenhaus Hellersdorf, können erst
nach Vorliegen eines neuen Krankenhausplanes Ende 2002 getroffen werden.
4.3 Es besteht Einvernehmen darüber,
dass die Krankenhausinvestitionen - wie sie im Programm Artikel 14
Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) dargestellt sind - auch künftig unter
veränderten Finanzierungsbedingungen (z.B.
Solidarpakt II) in
die Haushaltsplanung im notwendigen Umfang des
Landes Berlin eingestellt werden.
4.4.
Weiterentwicklung Vivantes
Für das Landesunternehmen Vivantes
ist das fachliche Beteiligungscontrolling und -management weiterzuentwickeln.
Das ”Kerngeschäft” Krankenversorgung verbleibt entsprechend dem
Krankenhausunternehmensgesetz zu 100 Prozent beim Land Berlin.
Im Zusammenhang
mit der Neustrukturierung der Rettungsstellen bei Vivantes muss mit allen
Beteiligten unter Einbeziehung der Pläne zur Neuorganisation der Rettungs- und Krankentransportdienste
ein Gesamtkonzept entwickelt werden.
Wir unterstützen die geplante
Bildung regionaler Gesundheitsnetzwerke unter Beteiligung regionaler Akteure.
Die
HIV-Tagesklinik am Krankenhaus Prenzlauer Berg bleibt bedarfsgerecht erhalten.
5. Politik für die ambulante Versorgung
5.1 Die Versorgung chronisch Kranker
ist zu verbessern. Es werden auf Bundes- und Landesebene alle Initiativen
unterstützt, ein disease-management einzuführen. Hierbei werden wir uns bei
allen Beteiligten dafür einsetzen, dass rheumatische Erkrankungen stärker
Berücksichtigung finden.
In diesem
Zusammenhang soll mit der Erarbeitung eines Landes-Rheuma-Planes unter
Einbeziehung der Betroffenen und Experten sowie der Krankenkassen ein Wegweiser
über bestehende Angebote in allen Versorgungsbereichen entstehen, der auch
Defizite und Ziele einer Angebotsoptimierung nennt.
Auch auf Bundesebene werden wir darauf hinwirken,
dass bei den im Risikostrukturausgleich (RSA) zu berücksichtigenden chronischen
Erkrankungen die Aufnahme der rheumatischen Erkrankungen mit geprüft wird.
Im Rahmen der
Krebsbekämpfung ist es dringend erforderlich, die Datengrundlage des
gemeinsamen Krebsregisters (GKR) zu verbessern. Diesem Ziel dient die
Entwicklung und Umsetzung eines Maßnahmeplans, einschließlich der Prüfung der
Einführung einer Meldepflicht zur Erhöhung der Melderate in Berlin.
Hier erwarten
wir auch eine enge Zusammenarbeit mit den klinischen Krebsregistern und dem
Tumorzentrum Berlin e.V.
5.2. Im Interesse der
Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und der Qualität der gesundheitlichen
Versorgung wird weiterhin der Sanierung und Beitragsstabilität bei den Berliner
Krankenkassen hohe Aufmerksamkeit gewidmet.
Eine
Weiterentwicklung der Berlinhilfevereinbarung mit den Spitzenverbänden der
Krankenkassen wird angestrebt, um weiterhin insbesondere bisher stationäre
Versorgungsformen durch ambulante zu ersetzen.
6.
Die Gesundheitsstandorte Buch und Moabit sollen weiterentwickelt werden
Mit dem
Trägerwechsel im Klinikum Buch und der gleichzeitigen Integrierung der
klinischen Teile der universitären Kliniken Robert-Rössle und Franz-Volhard ist
eine entscheidende Voraussetzung geschaffen worden für den weiteren Ausbau der
medizinischen Kompetenz und Leistungsfähigkeit des Klinikums (Helios -
Kliniken). Auf der Grundlage dieser Zusammenführung sowie der engen,
vertraglich gesicherten Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin
(Charité) und dem Max- Delbrück-Centrum soll der Standort Buch zu einer
Gesundheitsregion und einem wettbewerbsfähigen leistungsstarken
Biotechnologie-Zentrum weiterentwickelt werden. Für die Ansiedlung neuer
Biotechnologie-Firmen werden freigezogene Gebäude, die bisher von
Helios-Kliniken genutzt wurden, vom Land Berlin zur Verfügung gestellt. Auch
mit dem geplanten Krankenhausneubau der Helios-Kliniken soll der Standort auf
die anstehenden neuen Anforderungen im Gesundheitswesen vorbereitet werden.
Der Standort
Moabit soll auf der Grundlage eines abgestimmten Entwicklungskonzeptes (unter
Beteiligung externer Entwickler) unter Berücksichtigung wirtschaftlicher
Aspekte künftig vorrangig für gesundheitliche und soziale Versorgungsaufgaben
genutzt werden.
7.
Hospizbewegung/Palliativmedizin/Palliativpflege
Die weitere
Entwicklung der Hospizbewegung, insbesondere ihre ambulante, ehrenamtliche
Arbeit, die Arbeit der Zentralen Anlaufstelle Hospiz (ZAH), der
Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz Berlin (LAG) und der weitere Ausbau
stationärer Hospize (Ziel sind insgesamt 95 Plätze) durch das Land Berlin wird
ausdrücklich unterstützt und die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller in der
Hospizarbeit, Palliativmedizin sowie palliativen Pflege Tätigen gefördert.
Insgesamt ist
die Entwicklung der nächsten Jahre intensiv zu beobachten, um frühzeitig
korrigierend eingreifen zu können. Dies gilt sowohl für den Ausbau weiterer
Palliativstationen in Krankenhäusern als auch für stationäre Hospize. Die
Verabschiedung eines Gesetzes zur Förderung der ambulanten Hospizarbeit auf
Bundesebene stellt dabei eine wichtige Voraussetzung dar. Gleichzeitig sind
Verbesserungen in der Schmerztherapie zu erzielen, das Thema in Aus- und
Fortbildung zu integrieren und die Forschung zu intensivieren.
8. Förderung von Sicherheit und
Gesundheit bei der Arbeit
Die Koalitionsparteien unterstützen
den Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz, der die Bundesregierung
auffordert, ein Aktionsprogramm ”Gesundheit bei der Arbeit” zu initiieren.
Wesentliche Zielsetzungen hierbei sind die Überwindung getrennter Sichtweisen
auf die Felder Arbeit und Gesundheit, die Entwicklung übergreifender
Gesundheitsförderungsmaßnahmen und Präventionsstrategien sowie die
Koordinierung mit dem bereits existierenden Bundesprogramm ”Umwelt und
Gesundheit.
Die Koalitionsparteien wollen eine
intelligente Verknüpfung zwischen
Arbeitsschutz, Arbeitszeit- und Qualifizierungspolitik. Verstöße gegen
die höchstzulässige Arbeitszeit sind Ansatzpunkte für Angebote der Arbeitszeit-
und Qualifizierungspolitik. Wir werden Initiativen zur Weiterentwicklung der
rechtlichen Rahmenbedingungen für attraktive Arbeitszeitmodelle ergreifen. Es
müssen flexible, existenzsichernde Arbeitszeitmodelle entwickelt werden, die es
Frauen und Männern ermöglichen, Familie und Beruf zu vereinbaren.
9. Frauengerechte Gesundheitspolitik
Die Koalitionsparteien stimmen darin
überein, dass die Gesundheitsforschung und die Gesundheitsversorgung stärker
als bisher auf geschlechtsspezifische Belange ausgerichtet werden müssen. Die
zu geringe Beachtung geschlechtsrelevanter Bedürfnisunterschiede trägt u.a.
auch zur kostenintensiven Über-, Unter- und Fehlversorgung im Gesundheitswesen
bei. Erforderlich ist zunächst die Entwicklung eines Kriterienkatalogs zur
Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte im Rahmen der Fragestellung,
der Methoden, der Analyse und der Auswertung von
Gesundheitsforschungsprojekten, um gezielt geschlechtsspezifische
Gesundheitsaspekte aufgreifen und erhebliche Wissenslücken schließen zu können.
Darüber hinaus
- müssen auch die Angebote in der Prävention
verstärkt geschlechtsspezifisch ausgerichtet werden,
- wird das Frauennetzwerk Gesundheit weiterhin
positiv begleitet,
- ist eine verstärkt
geschlechter-differenzierende Gesundheitsberichterstattung erforderlich, um
dadurch bessere Grundlagen für gesundheitspolitische Planungs- und
Entscheidungsprozesse zu erhalten,
- ist eine Weiterentwicklung der Aus- und
Weiterbildungsinhalte in den Gesundheitsberufen im Sinne einer verstärkten
Berücksichtigung geschlechtsbezogener Besonderheiten notwendig und
müssen die beruflichen Chancen,
insbesondere die Aufstiegschancen von Frauen im Gesundheitswesen wesentlich
verbessert werden, zum Beispiel durch eine Weiterqualifizierung in den
Pflegeberufen an Fachhochschulen und Hochschulen (Pflegewissenschaften,
-pädagogik und -management).
Zentrales Politikziel dieser
Koalition ist ein tatsächlich gleichberechtigtes Verhältnis zwischen den
Geschlechtern in allen Lebens- und Arbeitsbereichen. Die Koalitionsparteien
werden Gender Mainstreaming als politische Querschnittsaufgabe und
gleichstellungspolitische Reformstrategie für Berlin ausgestalten. Die
Koalitionsparteien wirken darauf hin, dass sich insbesondere die höchste Führungsebene
aktiv für die Umsetzung dieser Reformstrategie einsetzt und in ihrem
Zuständigkeitsbereich die Voraussetzungen dafür schafft, dass Gender
Mainstreaming im alltäglichen Verwaltungshandeln wirkungsvoll berücksichtigt
wird.
1. Instrumente des Gender
Mainstreaming
Gender Mainstreaming, als
gesetzliche Grundlage im Amsterdamer Vertrag für alle Mitgliedsstaaten
verankert, werden die Koalitionsparteien auf Grundlage eines Senatsbeschlusses
kurzfristig für Berlin umsetzen. Dieser Senatsbeschluss enthält die
Verpflichtung, im Land Berlin das Politikziel der tatsächlichen Gleichstellung
der Geschlechter in allen Lebens- und Arbeitsbereichen durchzusetzen. Dazu
werden wir die von der Europäischen Union vorgeschlagenen Verfahren
ausdrücklich für alle Politikbereiche nutzen und mit den Instrumenten der
Verwaltungsmodernisierung und der Haushaltskonsolidierung verknüpfen.
Die Implementierung des Gender
Mainstreaming verlangt ein stufenweises Vorgehen und eine Rückkopplung mit
entsprechenden Initiativen in den Bezirken. Ziel ist es, dass spätestens zum
Ende der Legislaturperiode in allen Fachressorts und nachgeordneten
Einrichtungen Gender Mainstreaming praktiziert wird. Nach wie vor unverzichtbar
ist eine ressortübergreifende Politik mit zentraler Koordination und
Zielformulierung in der Frauenverwaltung und eine dafür zuständige Senatorin in
der Landesregierung.
Der öffentliche Dienst ist nicht nur
der größte Berliner Arbeitgeber, sondern auch der größte Leistungsanbieter für
Frauen. Aus dieser besonderen Verantwortung heraus muss der öffentliche Dienst
Fraueninteressen umfassend berücksichtigen und steht in besonderer
Verantwortung für die Umsetzung des Gender Mainstreaming. Gender-Training ist
in die Aus- und Fortbildung insbesondere der Führungskräfte der Verwaltung
aufzunehmen. Die Fachkompetenz von Beiräten ist einzubeziehen.
Gender Mainstreaming ist eine
Gemeinschaftsaufgabe des Berliner Senats, dem alle Ressorts auch in
finanzieller Hinsicht verpflichtet sind. Kein politisches Handlungsfeld ist aus
sich heraus geschlechtsneutral - auch nicht die Finanzpolitik.
Die Verwendung der öffentlichen
Ausgaben wird regelmäßig auf das Ziel Gleichstellung der Geschlechter
überprüft.
Statistiken sind dort, wo sie dadurch
aussagekräftiger werden, geschlechtsdifferenziert zu erheben und auszuwerten.
Als unverzichtbarer Bestandteil der
Berliner Verwaltungsmodernisierung ist Gender Mainstreaming im
Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz zu verankern und somit in den Zielkatalog
der Verwaltungsmodernisierung aufzunehmen.
Auf allen Feldern der
Verwaltungsmodernisierung, von der Aufgabenkritik über das Personalmanagement
bis zur paritätischen Besetzung ihrer Steuerungsgremien gilt es, die
Zielsetzung der Geschlechtergerechtigkeit zu beachten und das
Landesgleichstellungsgesetz konsequent umzusetzen.
Die Leistungen der Verwaltung dürfen
zukünftig nicht allein unter Kostengesichtspunkten betrachtet werden, sondern
sind auch daran zu messen, welchen konkreten fach- und gleichstellungspolitischen
Zielbeitrag sie leisten. Der Einsatz moderner Steuerungsinstrumente muss
deswegen auch dahingehend genutzt werden, erzielte Gleichstellungsfortschritte
oder -defizite erkennbar zu machen (Gleichstellungscontrolling).
2. Landesgleichstellungsgesetz
Das Landesgleichstellungsgesetz
(LGG) bleibt von zentraler Bedeutung für die Frauenförderung in Berlin. Die mit
dem LGG gesetzlich vorgeschriebene Steigerung des Frauenanteils im gehobenen
und höheren Dienst, insbesondere in Führungspositionen, und bei der
Gremienbesetzung ist weiter voranzutreiben und auch bei insgesamt sinkendem
Personalbestand des Öffentlichen Dienstes sicherzustellen.
Die Vorgaben des LGG zur
Frauenförderung in der freien Wirtschaft werden forciert und konsequent
umgesetzt. Die Vorgaben des § 13 des Landesgleichstellungsgesetzes sind von den
Vergabestellen konsequenter als bisher zu erfassen und Gegenstand des
jährlichen Berichts.
Die Koalitionsparteien fordern die
Bezirke auf, zur Einhaltung des § 21 LGG "Verwirklichung des Gleichstellungsgebots
in den Bezirken" die Arbeitsbedingungen der Frauen- und
Gleichstellungsbeauftragen den Anforderungen nach der Fusion der Bezirke
anzupassen.
3. Frauen-Projekte-Infrastruktur
Die Angebote und Leistungen der
Berliner Frauenprojekte sind unverzichtbare Bestandteile der kulturellen und
sozialen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger.
Die Koalitionspartner bekräftigen
ihre Absicht, die spezifische Infrastruktur der Frauenprojekte und -maßnahmen
zu unterstützen.
Die Koalitionsparteien werden die
Frauenprojekte kontinuierlich evaluieren und in diesem Zusammenhang auf
vorhandene Qualitätssicherungsprogramme aufbauen. Damit Veränderungen innerhalb
der Infrastruktur ermöglicht und Voraussetzungen geschaffen werden, sind neue
Wege zu gehen. Zur Verstetigung der Projekte zur Verbesserung der Lebens- und
Arbeitssituation von Frauen wird geprüft, inwieweit Träger Leistungsverträge
mit einer Laufzeit von drei Jahren erhalten.
4. Anti-Gewalt-Arbeit
Die Koalitionsparteien werden dafür
Sorge tragen, Frauen vor Gewaltsituationen größtmöglichen Schutz zu bieten.
Das Berliner Interventionsprojekt
gegen häusliche Gewalt (BIG) soll seine erfolgreiche und umfangreiche Arbeit
deshalb fort- und weitere Maßnahmen in die Praxis umsetzen. Die effektive
Kooperation von Justiz, Jugend- und Sozialämtern, medizinischen Einrichtungen
sowie Beratungs- und Schutzeinrichtungen (insbesondere vor Ort in den Bezirken)
soll weiter ausgebaut, intensiviert und verbessert werden. Maßnahmen der
mobilen Intervention, der Vernetzung und gezielten Information und Fortbildung
zur Sensibilisierung für "Gewalt gegen Frauen" in den Verwaltungen
sind weiterhin flächendeckend im Land Berlin bereit zu halten.
Die Koalitionsparteien verpflichten
sich, das neue Gewaltschutzgesetz, mit dem der Misshandler und nicht das Opfer
die gemeinsame Wohnung verlassen muss, in Berlin konsequent umzusetzen und in
das ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) aufzunehmen. Die
Koalitionsparteien unterstützen darüber hinaus die Entwicklung und Umsetzung
eines regionalen Aktionsplans gegen Gewalt gegen Frauen.
Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen
sind nach wie vor oftmals die einzige Rückzugsmöglichkeit für die betroffenen
Frauen und Kinder und deshalb unverzichtbar. Sie werden daher weiterhin gezielt
gefördert.
Das Modell-Projekt "Signal -
Hilfe für Frauen, eine Initiative gegen Gewalt gegen Frauen" im
Benjamin-Franklin-Klinikum soll in allen Berliner Krankenhäusern umgesetzt
werden. Die Koalitionsparteien wirken darauf hin, dass dieses Projekt Teil der
Grundversorgung jedes Krankenhauses - unabhängig von der Trägerschaft - wird.
17. Stadtentwicklung
Prioritäten der
Stadtentwicklungspolitik
Stadtentwicklungspolitik für Berlin muss
sich kritisch mit dem bisher Erreichten und den demografischen,
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen auseinander setzen: Eine
Fortschreibung der bisherigen Stadtentwicklungspolitik wird weder den
Grunddaten der wahrscheinlichen Stadtentwicklung noch den finanziellen
Möglichkeiten Berlins gerecht. Nur eine grundlegende Umorientierung auch in
diesem Politikfeld kann die Zukunftsfähigkeit Berlins sichern.
Stadtplanung und Stadtentwicklungspolitik
müssen den Dialog ermöglichen und einen Beitrag zur inneren Einigung der
Stadt leisten. Für die Stadtentwicklungspolitik sind die Stärkung der
Lebensqualität und Wirtschaftskraft der Stadt sowie die Verringerung
sozialräumlicher Unterschiede zentrale Ziele und Erfolgsvoraussetzung zugleich.
Stadtentwicklungspolitik muss zu privatem Engagement und Investitionen
einladen. Bei der Veräußerung städtischer Grundstücke sind
stadtentwicklungspolitische Ziele stärker zu berücksichtigen.
Die baulichen polyzentralen
Strukturen Berlins sollen im Sinne des Leitbilds der europäischen Stadt weiter
gestärkt und der Prozess der Suburbanisierung gebremst werden. Schwerpunkte der
Stadtentwicklungspolitik sind die Bestandsentwicklung und die Stärkung der
gesamtstädtischen Zentrenstruktur. Stadterweiterungen im Außenbereich stehen
nicht mehr an.
Eine stagnierende
Einwohnerentwicklung und gravierende Veränderungen in der Alters- und
Haushaltsstruktur erfordern die Neuorientierung der Stadtentwicklungsplanung.
Die wachstumsabhängigen Ziele des Flächennutzungsplans werden überprüft und
ggf. zurückgenommen, besonders dort, wo Ausweisungen als
Stadterweiterungsflächen und Gewerbestandorte auf nicht bebauten Arealen
vorgenommen wurden.
Für die Lebensqualität in der Stadt
ist es von allergrößter Bedeutung, dass die integrativen Orte der Stadt, die
öffentlichen Räume (Straßen, Plätze,
Parkanlagen) und Einrichtungen (Universitäten, Schulen, Schwimmbäder,
Kindertagesstätten, Rathäuser etc.) so beschaffen und ausgestattet sind, dass
sie ihrer Aufgabe gerecht werden können, den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft
zu gewährleisten.
Dem öffentlichen Raum kommt in der
modernen heterogenen Stadtgesellschaft eine herausragende Bedeutung zu.
Die Konzentration auf den
öffentlichen Raum und die öffentlichen Einrichtungen erfordert eine Änderung
des Einsatzes öffentlicher Mittel.
In den Stadterneuerungsgebieten
existieren Auf- und Abwertungsprozesse zeitgleich und räumlich nebeneinander.
Ziel der Koalition ist es, die soziale Mischung in den Quartieren zu schützen,
zu stabilisieren und ggf. neu zu etablieren. Dazu werden sowohl
angebotsorientierte als auch
ordnungsrechtliche Instrumente genutzt. Auch in Stadtgebieten mit hohen
privaten Sanierungsinvestitionen muss ein angemessener Bestand an bezahlbaren
Wohnungen erhalten bleiben.
Daher gilt der Grundsatz: Öffentliches
Geld für öffentliches Eigentum, privates Geld für privates Eigentum. Sicherung
öffentlicher Interessen durch öffentliche Förderung und ordnungsrechtliche
Steuerung privater Aktivitäten.
Private Initiativen müssen gestärkt
werden. Bürgerschaftliches Engagement muss für die Stadtentwicklung stärker
genutzt werden. Die Verwaltung muss sich auf die Kernaufgaben staatlicher
Steuerung und öffentliche Bauherrenaufgaben konzentrieren. Sie muss sich als
kooperativer Partner privater Interessen verstehen und der Wahrung öffentlicher
Interessen dienen. Im Rahmen strategischer Überlegungen konzentriert sie sich
auf die stadtentwicklungspolitisch gewollten Nutzungen und die Schaffung der
planungsrechtlichen Grundlagen.
Die Verwaltungsstruktur ist den
veränderten und zum Teil reduzierten öffentlichen Aufgabenbereichen
anzupassen. Hierbei sind die Abläufe
innerhalb der Verwaltung zu vereinfachen und zu straffen, die Konzentration auf
hoheitliche Aufgaben und unverzichtbare öffentliche Angelegenheiten
vorzunehmen, die Auflösung einzelner Abteilungen, Referate oder Ämter
einzuleiten und die Regelungsdichte zu verringern. Ziele der Koalition sind die
Einsparung von Kosten, die Beschleunigung von Verfahren sowie eine verbesserte
öffentliche Dienstleistung (Bürgernähe).
Berlin ist eine mobile Stadt und
verfügt im Vergleich zu anderen Metropolen über ein hervorragendes
Verkehrsnetz. Nachholbedarf gibt es jedoch bei Qualität und Verknüpfungen. Ein
wichtiges Ziel künftiger Verkehrspolitik ist die Schaffung einer
gleichberechtigten Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer.
Berlin ist dem Leitbild einer
barrierefreien Stadt zur gleichberechtigten Teilhabe am öffentlichen Leben
verpflichtet. Die ”Leitlinien zum Ausbau Berlins als eine behindertengerechte
Stadt” werden strikt eingehalten.
Die Umweltqualität Berlins ist ein
klarer Standortvorteil. Vom großstädtischen Grün bis zur deutlich verbesserten
Luftqualität erweist sich Berlin als lebenswerte Stadt. Die Umwelt- und
Klimaschutzpolitik bleibt ein wesentlicher Faktor der Modernisierungsstrategie
für die Stadt.
Die Koalition bekennt sich zu dem
globalen Leitbild der nachhaltigen Entwicklung gemäß den Verpflichtungen
der Rio-Deklaration. Dieses Ziel ist Grundlage für unser politisches Handeln.
Stadt-
und Landesplanung
An die Qualität von Planungskultur,
Städtebau und Architektur sowie an die der öffentlichen Debatte in Berlin
werden hohe Erwartungen geknüpft. Weit reichende stadtentwicklungspolitische
Entscheidungen werden öffentlich erörtert und unter Berücksichtigung
bezirklicher Interessen getroffen.
Das Stadtforum als
stadtentwicklungs- und planungspolitisches Instrument muss neu ausgerichtet,
politisch aufgewertet und geschärft werden. Es soll ein Ort für eine breite
Fachdiskussion komplexer Themen der Stadtentwicklung sein, der eine
interessierte Öffentlichkeit mit einbezieht.
Bürgerschaftliche
Beteiligungsprozesse zur
Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements (z.B. Bürgerinitiativen,
Betroffenvertretungen) müssen unterstützt und mit gesamtstädtischen Prozessen
verknüpft werden, um die Identifikation der Menschen mit der Stadt zu stärken.
Die Kooperation von Senat und
Bezirken in Planungsfragen wird verbessert. Die Aufstellung von bezirklichen
und teilräumlichen Planungen mit breiter Bürgerbeteiligung und
ihre Abstimmung mit gesamtstädtischen Zielstellungen wird unterstützt.
In einem Stadtentwicklungsbericht
wird regelmäßig über Tendenzen der Stadtentwicklung und den
Anpassungsbedarf gesamtstädtischer Planungsinstrumente berichtet (Planwerke,
Stadtentwicklungspläne, Leitlinien z.B. zu Großsiedlungen, Zentren, Einzelhandel, Wohnen).
Die Genehmigung weiterer Einzelhandelszentren
ist restriktiv zu handhaben.
Der Senat betreibt ein aktives
Industrieflächenmanagegment.
Die Veräußerung öffentlicher
Grundstücke orientiert sich neben dem zu erzielenden Verkaufserlös an
stadtentwicklungs- und wirtschaftspolitischen Zielen:
·
der
Aktivierung von Flächen für Dienstleistungen, Wissenschaft und Gewerbe zur
Schaffung neuer Arbeitsplätze,
·
der
Entlastung des Haushalts von Planungs- und Infrastrukturkosten,
·
der
Verhinderung der Stadtflucht sowie Qualifizierung des städtischen Lebensraums
und einer stadtverträglichen Bewohner- und Nutzungsstruktur,
·
der
Erhaltung und Schaffung bezahlbaren Wohnens in der Innenstadt und den
entwickelten städtischen Bereichen.
In der Innenstadt sollen Wohnen und
Arbeiten, Kultur und Kommunikation gestärkt werden, um die Voraussetzungen für
ein urbanes Leben zu erhalten und auszubauen.
In den vergangenen zehn Jahre sind
wichtige Bereiche des historischen Zentrums neu gestaltet worden.
Erhebliche stadträumliche und funktionale Defizite verbleiben jedoch entlang
des Straßenzugs Leipziger Straße - Spittelmarkt - Molkenmarkt - Grunerstraße,
auf dem Friedrichswerder, auf der Spreeinsel südlich des Schlossplatzes bis
zur Gertraudenstraße, im Bereich des ehemaligen Schlossareals selbst und im
Parochialviertel.
Gestaltungsbedarf besteht darüber
hinaus im Umfeld des künftigen Lehrter Zentralbahnhofes sowie im Bereich
Gleisdreieck.
Das Planwerk Innenstadt bildet eine
Grundlage für die Konkretisierung der Planung der Bezirke. In Kooperation mit
den Bezirken und unter Beteiligung des Abgeordnetenhauses erfolgen die
Festlegung von Realisierungsstufen und die Aktualisierung der Planungsziele.
Die Realisierung des weiteren
Stadtumbaus, insbesondere die Verlegung der Grunerstraße, die Bebauung des
Molkenmarktes, der Neubau der Gertraudenbrücke und die Umgestaltung der
Leipziger Straße muss mit Ausnahme des Straßenbahnbaus haushaltsneutral
erfolgen. Voraussetzung soll sein, dass die erzielten Erlöse aus dem Verkauf
neu entstehender Baugrundstücke und der Einsatz von Mitteln aus der
Entwicklungsmaßnahme Hauptstadt Berlin Parlaments- und Regierungsviertel die
Kosten für die Baumaßnahmen decken. Die Maßnahme muss insgesamt haushaltsneutral
sein. Vorher sind mit dem Bund Gespräche über Prioritäten und Maßnahmenumfang
im Rahmen der Entwicklungsmaßnahme ”Parlaments- und Regierungssitz” zu führen.
In der Leipziger Straße wird
eine Straßenbahntrasse eingebaut, soweit ihre Wirtschaftlichkeit nachgewiesen
wird. Durch die Neugestaltung der Leipziger Straße soll eine höhere Wohn- und
Aufenthaltsqualität gesichert werden.
Bei der Bebauung des Friedrichswerder soll eine große
zusammenhängende, stadtklimatisch wirksame Parkanlage entstehen.
Die Umgestaltung der Straße Unter
den Linden zwischen Schlossbrücke und Pariser Platz wird zügig umgesetzt.
Die Schinkelsche Bauakademie soll in
ihrer historischen Gestalt realisiert werden. Das Projekt ist privat zu
finanzieren. Berlin strebt eine öffentliche Nutzung des Gebäudes (z.B.
Architekturforum) an und wird eine solche öffentliche Nutzung durch Einbringung
des Grundstücks fördern.
Auch die City-West um
Kurfürstendamm, Gedächtniskirche und Tauentzienstraße ist für die Identität von
Berlin außerordentlich wichtig. Dabei sollen die städtebauliche Struktur und
die Nutzungsmischung behutsam weiter entwickelt werden.
Die städtebaulichen Ziele der
Entwicklung des Alexanderplatzes wurden in den letzten Legislaturperioden
rechtsverbindlich fixiert. Die Investoren sind gefordert, die zeitliche Abfolge
und Umsetzungskonzepte ihrer Vorhaben zügig darzustellen. Gegebenenfalls
erforderliche Veränderungen und bedarfsgerechte Anpassungen werden im
Einvernehmen vorgenommen. Dabei sind Ersatzzahlungen des Landes auszuschließen.
Die stadtverträgliche Realisierung
des Vorhabens und dessen öffentliche Begleitung wird durch Informationen vor
Ort und den Dialog zwischen Investoren, Politik und Fachöffentlichkeit
gestärkt. Für die Neugestaltung des Stadtplatzes wird kurzfristig und unter
Einbeziehung einer breiten Stadtöffentlichkeit ein begrenztes Verfahren
durchgeführt.
Der Bereich zwischen Fernsehturm und
Spree wird als innerstädtischer, grün geprägter Freiraum erhalten und
weiterentwickelt.
Die Koalition tritt dafür ein, die
Mitte der Spreeinsel, die alte Staatsmitte zu einem lebendigen kultur- und
wissensgeprägten Zentrum zu entwickeln, das der Geschichte des Ortes gerecht
wird und die neue bürgerschaftliche Mitte der deutschen Hauptstadt darstellt.
Dies geschieht bei Erhaltung des Staatsratsgebäudes durch die Bebauung des
Schlossareals und die Neugestaltung des Schlossplatzes sowie der Breiten
Straße.
Der Vorschlag, die außereuropäischen
Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin (SPK), Teile der Zentral- und Landesbibliothek sowie die
wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität an dieser Stelle im
Rahmen eines integrierten Konzeptes anzusiedeln, beinhaltet nach Auffassung der
Koalitionsparteien großes Potenzial. Die Diskussion muss in dieser
Legislaturperiode fortgeführt werden. Zur Sicherung des zeitgenössischen
Kulturaustausches soll die Einbeziehung des Hauses der Kulturen der Welt in das
Gesamtkonzept geprüft werden.
Die Entwicklung eines der
Museumsinsel zugeordneten und in den Dimensionen vergleichbaren Pendants auf
der Spreeinsel ist nur als gesamtstaatliche Aufgabe zu bewältigen. Als ein
zukunftsgerichtetes Projekt soll die Neugestaltung der Mitte der Spreeinsel der
inneren Einheit Deutschlands Ausdruck verleihen.
Über die Gestaltung des Ensembles
und die mögliche Einbeziehung nutzbarer Teile des Palastes der Republik soll
erst im Ergebnis eines städtebaulichen und architektonischen Wettbewerbes
entschieden werden.
Für das Kulturforum wird im Dialog mit
den Anliegern und dem Bezirk zügig ein Konzept entwickelt, das eine
schrittweise Verbesserung des öffentlichen Raumes und eine Ergänzung
besucherorientierter Nutzungen erlaubt.
Die Gestaltung des Parkes
Gleisdreieck soll zügig begonnen werden. Die Gesamtplanung für das Areal soll
angesichts der herausgehobenen stadtstrukturellen Bedeutung und unter
Berücksichtigung des Erweiterungsbedarfs des Technikmuseums in Kooperation mit
den Bezirken, den Grundstückseignern und -nutzern, den Bewohnergremien und Investoren
weiter qualifiziert werden.
Zur Sicherung Berlins als
bedeutender Messe- und Kongressstandort sind die Planungen von
ergänzenden Nutzungen der Messe in ihrem Umfeld und die Einbeziehung der
Deutschlandhalle in ein Gesamtkonzept für die Messeentwicklung weiter
fortzuführen und zu einem zügigen Abschluss zu bringen.
Berlin-Buch gehört aufgrund
vorhandener Synergien mit namhaften Wissenschafts- und Gesundheitseinrichtungen
zu den bevorzugten Standorten der Medizin und Biotechnologie in der Region und
hat daher hohe Prioriät in der künftigen Stadtentwicklungspolitik. Die Nutzung
der freiwerdenden Klinikstandorte bietet die Chance, weitere Unternehmen der
Biotechnologiebranche anzusiedeln und den Erhalt der historischen Gebäude zu
sichern. Die Verbesserung des Wohnortes
und der Landschaftspotenziale darf dabei nicht vernachlässigt werden. Um die
Entwicklung Berlin-Buchs angemessen steuern zu können, ist unter Federführung
des Senats ein abgestimmtes Handeln mit Bezirk und ansässigen Institutionen im
Rahmen eines Regional-Managements erforderlich.
Für den Spreeraum
Friedrichshain-Kreuzberg wird gemeinsam mit dem Bezirk ein Planungskonzept
entwickelt, das dem Spreeraum als Wohn- und Arbeitsort eine neue Identität
gibt, die Bezüge zur Spree wieder herstellt, die Uferbereiche stadträumlich und
funktionell stärkt, Vorsorge für
erforderliche öffentliche Infrastruktur trifft sowie neue Grünflächen und
Grünvernetzungen schafft. Der Osthafen wird langfristig aufgegeben. Der Wiederaufbau
der ehemaligen Brommy-Brücke wird angestrebt.
Die beabsichtigte Entwicklung der
Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) in Karlshorst und
Oberschöneweide eröffnet Entwicklungschancen für beide Stadtteile und den
gesamten Südost-Raum. Neben der Klärung offener Finanzierungsfragen muss im
Rahmen eines Gesamtkonzeptes die Entwicklungsfähigkeit beider Standorte sowie
die Nachnutzung der aufzugebenden Flächen gesichert werden.
Nach der Schließung des Flughafens
Tempelhof wird das Flugfeld zu einer großen Freifläche umgestaltet. An den
Rändern werden Wohn- und Gewerbegebiete ausgewiesen.
Die Kleingartenanlagen Berlins
bilden eine historisch gewachsene, kulturelle, ökologische und soziale
Ressource. Sie sind vielfach ein wichtiger Ersatz für fehlende wohnungsnahe
Grünflächen. Der kurzfristig fertigzustellende Kleingartenentwicklungsplan muss
einen Ausgleich zwischen der Erholungsfunktion für die Berlinerinnen und
Berliner und den wirtschaftlichen Erfordernissen des Landes Berlin herstellen.
Für Kleingartenanlagen, die gemäß FNP ´94 für Projekte der sozialen und
technischen Infrastruktur in Anspruch genommen werden sollten, wird im Rahmen
der Erarbeitung des Kleingartenentwicklungsplanes geprüft, ob im Einzelfall
eine Schutzfrist gewährt werden kann. Wenn einzelne Kleingärten für wichtige
Infrastrukturvorhaben in Anspruch genommen werden müssen, ist eine nahräumliche
Kompensation anzustreben.
Stadtentwicklung muss so gestaltet
sein, dass Frauen die Chance haben, sich wirkungsvoll einzumischen und
Veränderungen durchzusetzen. Die immer noch stark männliche Domäne des Bauens
und Stadtgestaltens muss mehr von Frauen in führenden, entscheidenden und
planenden Funktionen beeinflusst werden.
Der Frauenbeirat in der Senatsbauverwaltung
ist in seiner Arbeit intensiv zu unterstützen. Seine Aufgabe ist es nicht nur,
auf Defizite in der Stadtentwicklung zu reagieren, sondern er ist - im Sinne
des Gender Mainstreaming - in die Prozesse der Bau-, Stadt- und Verkehrsplanung
einzubeziehen. Der Frauenbeirat ist insbesondere bei modellhaften Vorhaben der
Stadtplanung von Beginn an aktiv zu beteiligen.
Unterstützt werden Ansätze und
Modelle von “Zeiten der Stadt" auf der kommunalen Ebene. Mit diesem
zeitpolitischen Ansatz werden Maßnahmen initiiert, die eine
menschenfreundlichere Organisation und Abstimmung der Zeiten von Ämtern,
Geschäften, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, des öffentlichen
Personennahverkehrs etc. ermöglichen.
Soziale Stadtentwicklung heißt auch,
dass sich die Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Alter frei und
ohne Angst bewegen können. Hierfür werden wir mit vielfältigen Mitteln Sorge
tragen.
Wohnungs-
und Baupolitik
Zur Sicherung der Wohnraumversorgung
bleibt ein angemessener Anteil des Gesamtwohnungsbestandes im Eigentum der
mehrheitlich städtisch beeinflussten Wohnungsbaugesellschaften einschließlich
verbundener Unternehmen, zur Mietpreisdämpfung für breite Schichten der
Bevölkerung unter besonderer Berücksichtigung derjenigen Haushalte, die sich am
Markt nicht selbst mit bezahlbarem Wohnraum versorgen können.
Eine Neuordnung der
Wohnungswirtschaft ist zur wirtschaftlichen Gesundung der städtischen
Wohnungsbaugesellschaften dringend erforderlich. Diese soll zugleich zusätzliche
Einnahmen für den Landeshaushalt ermöglichen und finanzielle Mittel für die
Sanierung von Wohngebäuden freisetzen. Dadurch können zahlreiche Arbeitsplätze
in der Bauwirtschaft gesichert und auch die Steuerkraft des Landes gestärkt
werden.
Aus Gründen der Vermögensaktivierung
ist die Veräußerung einer Wohnungsbaugesellschaft oder von Wohnungsbeständen
unumgänglich.
Der Senat wird die Bildung einer
Holding für die kommunale Wohnungswirtschaft auch unter der Maßgabe prüfen,
dass insbesondere folgende Ziele erreicht werden: Senkung der Personal- und
Sachkosten durch gemeinsame Verwaltung und Straffung der Organisationsstruktur,
Schaffung eines cash-pools für Liquiditätsmanagement, Verbesserung der
Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten einzelner Gesellschaften, Verminderung der
Steuerbelastung.
Weiter ist zu prüfen, ob mit der
Gründung einer Verkaufsgesellschaft für Wohnungen aus dem Bestand städtischer
Gesellschaften (ca. 80.000 WE) der Verkauf vorrangig an Mieter und
Genossenschaften, aber auch an mittelständische Investoren besser realisiert
werden kann. Damit ist beabsichtigt, einen finanziellen Beitrag für den
Landeshaushalt zu erzielen und das selbstgenutzte Wohneigentum zu fördern.
Hierfür sollen für Selbstnutzer und Genossenschaften Preise aufgerufen werden,
die den Paketabschlag enthalten, der bei sonstigen Investoren vereinbart wird.
Die Gründung neuer Genossenschaften
wird durch Fortführung der Genossenschaftsförderung auch in der nächsten
Legislaturperiode unterstützt. Mit den sichtbar positiven Folgen
genossenschaftlichen Wohnens in der jeweiligen Nachbarschaft können
Stadtquartiere sozial stabilisiert werden. Städtischen
Wohnungsbaugesellschaften kommt hierbei eine besondere Verantwortung zu. Sie
sollen geeignete Wohnungsbestände vorrangig und zu angemessenen Bedingungen an
Genossenschaften und Mieter verkaufen, so dass eine Subventionierung des
Kaufpreises durch Bestandserwerbsförderung entfallen kann.
In der Legislaturperiode 2002-2006 endet
die Förderung von mehr als 10.000 WE des Sozialen Wohnungsbaus. Die Koalition
wird prüfen, in welchem Umfang die Anschlussförderung sozial
erforderlich und für den Landeshaushalt finanziell tragfähig ist. Soweit
erforderlich werden durch die Bereitstellung von Anschlussförderungen weiterhin
sozial vertretbare Mieten und die Grundlagen für eine nachhaltige und
auskömmliche Bewirtschaftung der Objekte gewährleistet. Gleichzeitig wird auch
geprüft, inwieweit eine stärkere Beteiligung von Eigentümern mit dem Ziel einer
Absenkung der Anschlussförderung erreicht werden kann. Eine
Nach-Subventionierung von Wohnungen des 2. und 3. Förderweges ist
ausgeschlossen.
Bezüglich der Altverpflichtungen
Sozialer Wohnungsbau werden Gespräche mit dem Bund über eine Übernahme von
Verpflichtungen als teilungsbedingte Sonderlast geführt.
Die städtischen
Wohnungsbaugesellschaften müssen ihre Geschäftspolitik unter Wahrung ihres
Auftrags so ausrichten, dass sie eine angemessene Eigenkapitalverzinsung
gewährleisten können. Um Personalkosten zu senken, sind dazu die
innerbetrieblichen Abläufe zu rationalisieren, Dienstleistungen, sofern sie
preiswerter erbracht werden, nach außen zu vergeben, die Vermietungsaktivitäten
zu stärken und Außenstände frühzeitig zu bearbeiten.
Mietenpolitik
Die Rechtssicherheit für Mieter und
Vermieter in nicht preisgebundenen Wohnungen soll durch Erstellung eines
qualifizierten Berliner Mietspiegels erhöht werden. Die Aufstellung eines
Betriebskostenspiegels wird angestrebt.
Zur Sicherung des Sozialwohnungsbestandes
als Wohnort für breite Schichten der Bevölkerung ist in Berlin auf die Erhebung
der Fehlbelegungsabgabe zu verzichten.
Angesichts der gegenwärtigen
Wohnungsmarktlage in Berlin sind
Belegungsbindungen im bestehenden Umfang zur Zeit nicht erforderlich.
Befreiungen werden angestrebt, indem das Belegungsbindungsgesetz novelliert und
die Zahl der gebundenen Wohnungen zurückgenommen wird. Zugleich sollen
Belegungsbindungen auf vertraglicher Grundlage in die Zukunft verlagerbar sein.
Das Angebot der BBU-Mitgliedsunternehmen über die vorzeitige Rückzahlung von
Wohnungsbaufördermitteln wird unter diesen veränderten Bedingungen geprüft.
Das Programm "Soziale
Stadt" wird im Einklang mit dem Konzept Stadtteilzentren fortgesetzt und
die ressortübergreifende Kooperation weiter ausgebaut. Das ehrenamtliche
Engagement in den Stadtquartieren soll durch öffentliche Mittel für aktive
Bürgerinitiativen gestärkt werden. Beim Quartiersmanagement wird die
Zusammenarbeit von für den Stadtteil arbeitenden Verwaltungen und der im
Stadtteil lebenden und arbeitenden Menschen fortgesetzt. Regelmäßig ist über
den Entwicklungsstand in den Gebieten, die durchgeführten Maßnahmen und notwendige
Anpassungen des Handlungskonzeptes zu berichten.
Flüchtlinge und Asylbewerber sollen
künftig vorrangig dezentral in Wohnungen untergebracht werden, um öffentliche
Kosten zu sparen und soziale Konflikte zu entschärfen.
Angesichts der veränderten Situation
auf dem Wohnungsmarkt und der angespannten Haushaltssituation Berlins ist eine
Neuorientierung der Förderstrategien der Stadterneuerung notwendig. Die
Fördermittel werden schwerpunktmäßig zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur,
für Wohnumfeldmaßnahmen, für die Plattenbausanierung in den Großsiedlungen Ost
und für den genossenschaftlichen Bestandserwerb vorrangig in den Gebieten der
Stadterneuerungskulisse eingesetzt.
Durch eine neue Fördersystematik
soll ein effizienter Einsatz der knappen öffentlichen Mittel garantiert werden.
Dabei sind steuerliche Begünstigungen zu berücksichtigen. Durch die Sicherung
der öffentlichen Infrastruktur sowie durch die erhöhte steuerliche Förderung in
den Sanierungsgebieten und für Baudenkmale entstehen Anreize für private
Investitionen.
Berlin ist
dringend auf die Bundes- und Europafördermittel der Städtebauförderung und des
Europäischen Regionalfonds angewiesen. Deshalb werden diese Programme durch die
Bereitstellung der jeweiligen Kofinanzierungsmittel
entsprechend der Haushaltsmöglichkeiten voll ausgeschöpft.
Berlin wird sich beim Bund dafür
einsetzen, die der Stadt zustehenden Bundesmittel nach gesamtstädtischen
Prioritäten zu nutzen. Beim Einsatz der Gelder soll dabei die teilende
Ost-West-Fördergebietskulisse überwunden und die besondere Berliner Situation
berücksichtigt werden.
Die Stadterneuerung ist auf den
Einsatz privaten Kapitals angewiesen. Dies bedingt eine auskömmliche Rendite
und den Einsatz steuerrechtlicher Vergünstigungen. Sanierungen, die über den
Gebietsstandard hinaus gehen, können zu einer generellen Verteuerung der Miete
im Gebiet führen und sind deshalb an die Sanierungsziele anzupassen. In
Altbaugebieten mit hohen privaten Sanierungsinvestitionen sind Mietobergrenzen
dann einzuführen, wenn andernfalls unvertretbare soziale Verdrängungsprozesse
stattfänden.
Die rechtlichen Möglichkeiten zur
Einführung eines Genehmigungsvorbehaltes bei der Umwandlung von Miet- in
Eigentumswohnungen werden genutzt.
Der Senat wird prüfen, ob die sich
aus der Mietrechtsreform ergebende Möglichkeit genutzt wird, eine
Kündigungssperrfrist von 10 Jahren gemäß § 577a Abs. 2 BGB bei Umwandlung von
Miet- in Eigentumswohnungen festzulegen.
Angesichts eines Überangebots an
Wohnungen wird die Förderung des Wohnungsneubaus in der kommenden
Legislaturperiode ausgesetzt.
Berlin wird sich ab 2002 am
Bund-Länder-Programm Stadtumbau Ost beteiligen. In Verhandlungen mit dem Bund
muss es jedoch an die speziellen Berliner Bedingungen angepasst werden, damit
die Mittel prioritär für die Verbesserung des öffentlichen Raumes sowie für den
Umbau, die Sanierung und den Abriss nicht mehr benötigter öffentlicher
Einrichtungen eingesetzt werden können. Wohngebäude sollen nur im Einzelfall
aus städtebaulichen Gründen abgerissen werden. Umbaumaßnahmen haben Vorrang vor
Abriss.
Öffentliche Aufträge sind ein
wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Stabilität kleiner und mittlerer
Unternehmen. Daher wird bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an der Pflicht
zur kleinteiligen und fachlosbezogenen Ausschreibung festgehalten, um kleinen
und mittleren Unternehmen eine Chance zu geben. Generalunternehmer sollen für
die Abführung der Sozialabgaben der von ihnen eingesetzten Subunternehmer
haften.
Die Kontrolle des Einsatzes von
Subunternehmern und der Tariftreue bei der Auftragsvergabe und -durchführung
wird verstärkt. Der Senat wird auch bei den Unternehmen mit Landesbeteiligungen
auf eine kleinteilige und fachlosbezogene Auftragsvergabe drängen. Öffentliche
Bauaufträge werden bevorzugt an ausbildende Betriebe vergeben und an die
Einhaltung ökologischer Standards geknüpft.
Die erfolgreiche
Korruptionsbekämpfung im Baubereich im Zusammenwirken mit den Berliner
Behörden und der Arbeitsgruppe Korruption der Staatsanwaltschaft wird
fortgeführt. Über die Ergebnisse ist öffentlich zu berichten.
Der Senat unterstützt das
ökologische Bauen. Ökologische Standards für öffentliche Bauvorhaben werden
kontinuierlich dem neuen Wissensstand angepasst. Bestehende Fördermöglichkeiten
werden effizienter genutzt. Die Informationen für private Bauherren werden
verbessert.
Nachhaltige Entwicklung
Die
Koalition bekennt sich zu dem globalen Leitbild der nachhaltigen Entwicklung
gemäß der Verpflichtungen der Rio-Deklaration. Dieses Ziel ist Grundlage
für unser politisches Handeln. Dabei sollen vor allem die Ergebnisse der
Enquetekommisionen ”Zukunftsfähiges Berlin” I und II aufgegriffen und deren
Vorschläge umgesetzt werden. In diesem Rahmen soll geprüft werden, ob die
Einsetzung einer weiteren Enquete-Kommission erforderlich ist.
Für Berlin
soll die Erarbeitung einer Lokalen Agenda 21 in den nächsten 2 Jahren unter
Beteiligung des Agendaforums und unter Koordinierung des Agendabüros der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zügig zum Abschluss gebracht werden. Die
Bezirke sollen in diesen Prozess ihre Ergebnisse, Erfahrungen und Vorschläge
einbringen.
Die Agenda
21 für Berlin soll eine konkrete Umsetzung der Ziele in Form eines vom
Abgeordnetenhaus zu beschließenden Nachhaltigkeitsplans und eines
entsprechenden Umsetzungsprogramms beinhalten. Die Koalition befürwortet die
Einrichtung von Agenda-21-Beauftragten in den Bezirksämtern und ihre
zusätzliche Unterstützung über geeignete Beschäftigungsmaßnahmen. Die
Bevölkerung wird in diesen Prozess aktiv eingebunden. Die Koalition wird auf
der Diskussionsgrundlage eines Ziel- und Indikatorensystems (vgl. Bericht der
Enquete-Kommission 2001) eine öffentliche Debatte über Nachhaltigkeitsziele
führen, die die Zukunftsfähigkeit der Stadt sichern und die Lebensqualität
erhalten sollen.
Klimaschutz - geringerer
Energieverbrauch und erneuerbare Energien
Die Koalition hält an dem Ziel fest,
bis zum Jahr 2005 die CO2-Emissionen um 25 % (bezogen auf das
Basisjahr 1990) pro Einwohner zu reduzieren. Die Koalition hat sich darauf
verständigt, dass dafür zukünftig auch der Verkehr einen messbaren Beitrag
leisten muss.
Die Energiepolitik des Landes Berlin
ist darauf gerichtet, Energieeinsparungsmöglichkeiten umzusetzen, den
Primärenergieverbrauch zu senken und die Energieeffizienz zu verbessern,
regenerative Energieerzeugung und Kraft-Wärme-Kopplung zu fördern und die
Energieerzeugung zu dezentralisieren.
Das Landesenergieprogramm wird als
Berliner Klimaschutzprogramm umgesetzt und weiterentwickelt. Der
Primärenergieverbrauch in Berlin soll durch Ressourcenschonung und eine
nachhaltige Wirtschaft gesenkt werden.
Als gutes Instrument einer
wirkungsvollen Energie- und Klimapolitik wird der Berliner Energiedienstleistungstandard
(B.E.ST.) für öffentlich geförderte Wohnungen eingeführt und für private
Immobilien empfohlen.
Die Koalition setzt sich für den verstärkten
Einsatz regenerativer Energien ein und hält an dem Vorsatz fest, Berlin zur
Solarhauptstadt zu machen. Berlin zeigt, dass auch in hochverdichteten
Ballungsgebieten Solartechnologie der Umwelt nützt und qualifizierte
Arbeitsplätze sichert. Die Koalition wird ein umfassendes Monitoring zur
Umsetzung des Kooperationsvertrages des Senats mit der ”Initiative der Berliner Wirtschaft zur CO2-Minderung und zur Verbreitung von Solaranlagen”
veranlassen. Aus Gründen des Klimaschutzes und der Technologieentwicklung
sollen die in der Solaranlagenverordnung vorgegebenen Werte durch
weiterführende Maßnahmen und geeignete Instrumente sowohl beim Neubau als auch
bei der Modernisierung erreicht werden. Die Koalition wird die erforderlichen
Handlungsaufträge rechtzeitig veranlassen.
Die
Berliner Solarkampagne wird unterstützt. Die Koalition wird sich dafür
einsetzen, dass das Förderprogramm SolarInvest für Solaranlagen
weiterentwickelt wird. Dachflächen landeseigener Gebäude werden exemplarisch
für photovoltaische oder solarthermische Anlagen privater Investoren kostenfrei
zur Verfügung gestellt.
Das Facility-Management für die
öffentlichen Gebäude und Einrichtungen wird um ein Umweltmanagement ergänzt,
das sowohl zur Entlastung der Umwelt als auch zur Reduktion der Betriebskosten
beitragen wird. Für alle in öffentlicher Nutzung befindlichen Gebäude wird ein
Energiecheck durchgeführt und ein Energiemanagement aufgebaut.
Als besonders wirkungsvoll haben
sich die Energiesparpartnerschaften erwiesen. Sie sollen fortgeführt,
ausgedehnt und um Anreize zur Erschließung der verhaltensbedingten
Kosten- und Einsparpotentiale (z.B. Beratung, finanzielle Anreize für die
NutzerInnen) ergänzt werden. In das Energiespar-Contracting sind
Gebäudesanierungsmaßnahmen zu integrieren und zum Bestandteil des
Vergabeverfahrens zu machen. Die Koalition strebt Energiesparpartnerschaften für alle öffentlichen Gebäude an.
Das “Projekt 50:50” wird fortgeführt
und ausgeweitet. Die anteilige Auszahlung der eingesparten Gelder an die
betroffenen Einrichtungen ist sicherzustellen. Die Beratung und Betreuung von
teilnehmenden und an der Teilnahme interessierten Einrichtungen wird verbessert
und aus den eingesparten Bewirtschaftungskosten finanziert.
Berlin wird für die vom Land
genutzten Gebäude nur mit Unternehmen Stromlieferungsverträge abschließen, die
keinen Atomstrom, mindestens 50% aus Kraft-Wärme-Kopplung und einen jährlich um
mindestens 2 Prozentpunkte steigenden (zertifizierten) Anteil aus erneuerbaren
Energien anbieten. Hierbei soll ein jährlich steigender Anteil von Berliner
Solaranlagen stammen.
Die Kraft-Wärme-Kopplung ist ein
wichtiger Bestandteil der Berliner Energieerzeugung und stellt ein erhebliches
Arbeitsplatzpotenzial dar. Dies gilt auch für dezentrale Blockheizkraftwerke.
Berlin wird sich auch weiterhin im
Bundesrat und bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Umweltvorteile
der Kraft-Wärme-Kopplung und regenerativer Energieträger durch entsprechende
energiewirtschaftliche Regelungen angemessen berücksichtigt werden, damit sich diese im Wettbewerb
behaupten und ihre Marktposition weiter ausbauen können. Die modernen
Kraft-Wärme-Anlagen der Bewag und anderer Energiedienstleister sowie die damit
verbundenen Arbeitsplätze in der Stadt müssen erhalten bleiben.
Ökologische Weiterentwicklung der
Wirtschaft
Die Koalition setzt sich dafür ein,
dass Berliner Unternehmen möglichst umweltfreundlich produzieren und sparsam
mit Ressourcen umgehen. Dies wird nur gelingen, wenn neben den
ordnungsrechtlichen Vorgaben verstärkt marktwirtschaftliche Anreizinstrumente
die Entscheidung für Umwelt- und Ressourcenschutz im Betrieb unterstützen.
Deshalb werden bewährte Ansätze wie das Öko-Audit oder die Umweltkampagne
ÖKOPROFIT Berlin fortgesetzt. Die Koalition unterstützt auch Öko-Audits für
Schulen, Kitas etc. als Modellprojekte der öffentlichen Verwaltung. Bei der
Auftragsvergabe und in der öffentlichen Beschaffung werden Unternehmen, die ein
Umweltmanagement auf dem Niveau des EU-Öko-Audits nachweisen können, bevorzugt
berücksichtigt. Dazu sind z.B. die Ausführungsvorschriften für
umweltfreundliche Beschaffungen und Auftragsvergabe nach der Verdingungsordnung
für Leistung (AVUm VOL) an die neusten Entwicklungen des europäischen
Vergaberechts anzupassen, die jetzt weitergehende Möglichkeiten zur
Berücksichtigung von Umweltbelangen eröffnen.
Mit dem Umweltentlastungsprogramm
(UEP) sollen verstärkt umweltentlastende Infrastrukturmaßnahmen realisiert
werden.
Auch die Wirtschaftsförderung muss den
Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen, d. h. Wirtschaftlichkeit,
Chancengleichheit und Ökologie müssen
einen gleichrangigen Stellenwert haben. Es ist ein Kriterienkatalog zu
entwickeln, der Umweltgesichtspunkte gemäß der EU-Strukturfondsverordnung
berücksichtigt.
Die Koalition fördert regionale
Wirtschaftskreisläufe; dies nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten, sondern
auch im Sinne einer Zukunftsaufgabe in Vorbereitung der Fusion von Berlin und
Brandenburg. Ökologische Produktion aus der Region, ökologische Logistik und
Veredelung sowie Vermarktung in der Region sind Zielstellungen der Koalition,
die sie auf vielfältige Weise initiieren und fördern will. In diesem Konzept
ist auch die Vorbildfunktion der Berliner Stadtgüter auszugestalten. Bei einem
Eigentümerwechsel sind diese Grundsätze zu beachten.
Die Koalition wird sich dafür
einsetzen, dass bei Großveranstaltungen ökologische Standards eingehalten
werden.
Freiräume in Berlin - Naturschutz in
der Stadt
Berlin soll im Sinne der
Nachhaltigkeit einen ökologischen Ausgleich in der Stadt anstreben und
nicht zu Lasten des Umlandes seine Ausgleichs- und Freiraumbedürfnisse
befriedigen.
Das Landeswaldgesetz von 1979 wird
novelliert mit dem Ziel der Anpassung an heutige fachliche Rahmenbedingungen
und die noch eindeutigere Ausrichtung an Natur- und Umweltzielen. Dabei sollen
die naturgemäße Waldwirtschaft durch Naturverjüngung, eine verbindliche
Forstliche Rahmenplanung in Berlin und im engeren Verflechtungsraum sowie ein
hoher Schutz gegenüber Waldzerstörungen durch Umwandlungen in z.B. Bauland
festgeschrieben werden.
Zum Schutz des Waldes innerhalb
Berlins und in den Berliner Stadtgütern in Brandenburg ist die zertifizierte
naturgemäße Waldwirtschaft flächendeckend auf Grundlage von FSC und
Naturland weiterzuführen. Dabei sollen bis zu 10 % sich natürlich
entwickelnde Waldgebiete ausgewiesen werden.
Die 9. Novelle zum Berliner
Naturschutzgesetz ist ebenfalls kurzfristig zu verabschieden, um eine
fristgerechte Umsetzung europarechtlicher (FFH und Zoo-RL) und
bundesrechtlicher Vorgaben zur Schaffung eines kohärenten europäischen Netzes
besonderer Schutzgebiete (Natura 2000) auch in Berlin zu gewährleisten. Ein
regelmäßiges Monitoring gemäß der FFH-Richtlinie wird sichergestellt. Eine Erweiterung
der Kartierung z.B. für die Waldbiotope
wird geprüft.
Eine grundlegende Novelle des
Berliner Naturschutzgesetzes erfolgt noch im Laufe dieser Legislaturperiode in
Zusammenhang mit der Umsetzung des neuen Bundesnaturschutzrechts. Eine frühzeitige
Beteiligung der Verbände wird sichergestellt.
Das Landschafts- und Artenschutzprogramm
als übergeordnete Zielplanung des Naturschutzes und der Landschaftspflege soll
fortgeschrieben werden mit dem vorrangigen Ziel, eine gesamtstädtische
Steuerung und Lenkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu gewährleisten, die ökologisch
nachvollziehbar sind und der Umsetzung von Zielen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege dienen (Ausgleichskonzeption). Dabei findet das Prinzip der
Gleichwertigkeit Anwendung. Die mit den Naturschutzverbänden abgestimmte
Konzeption für Ausgleichsflächen soll die Verfügbarkeit sowie das Aufwertungs-
und das Biotopverbundpotenzial der Flächen sichern. Die Bezirke bestimmen
weiterhin eigene Ausgleichsmaßnahmen.
Das Prioritätenkonzept zur Ausweisung von Naturschutz- und
Landschaftsschutzgebieten wird unter Einbeziehung der Vorstellungen der Bezirke
umgesetzt, aktualisiert und fortgeschrieben.
Gemeinsam mit dem Land Brandenburg
wird ein vernetzter Grüngürtel von acht Regionalparks und dem Naturpark Barnim
geschaffen. Berlin wird gemeinsam mit den betroffenen Brandenburger Kreisen und
Gemeinden die Arbeit der Fördervereine und der Werkstatt Barnim unterstützen.
Die Berliner Außen-Bezirke werden in
den Prozess eingebunden und entwickeln enge Kooperationsbeziehungen zu den
Umlandgemeinden.
Die Koalition setzt sich angesichts
der herausragenden Bedeutung des öffentlichen Grüns für die Lebensqualität und
Attraktivität Berlins für die schrittweise Überwindung der Defizite und neue Wege
seiner Pflege, Unterhaltung, Planung und Entwicklung ein. Die Grün- und
Erholungsanlagen, die Stadtplätze, die Spiel- und Sportplätze, die Freiflächen
der Schulen und Kitas und die städtischen Friedhöfe sind ein hoher ökologischer
und gartenkultureller Wert für unsere Stadt, teilweise mit hauptstädtischer
Bedeutung. Die Koalition setzt sich für die Erarbeitung eines
Maßnahmenkataloges ein, in dem gemeinsam mit den Bezirken differenzierte
Qualitätsziele und Prioritäten für die Unterhaltung und Pflege definiert
werden. Dabei sollen auch Kooperationsmodelle mit Privaten, mit
beschäftigungswirksamen Maßnahmen sowie mit Sozial- und Bildungseinrichtungen
entwickelt werden. Die Koalition unterstützt
bürgerschaftliches Engagement bei der Unterhaltung von städtischem Grün.
Es ist ein Entwurf für einen
Friedhofsentwicklungsplan zu erarbeiten. Eine ökologische, extensive Nutzung
von nicht mehr benötigten Flächen als Parkanlagen wird angestrebt.
Die Sauberkeit der Stadt ist eine wichtige
Bedingung für attraktive Lebensverhältnisse. Die Gruppe ”Saubere Stadt” bei der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung initiiert einen “Runden Tisch
Stadtpflege”, um mit den Bezirken gemeinsam Problemlösungen zu entwickeln.
Dabei werden die Möglichkeiten der Arbeitsförderung genutzt. Die
ordnungsrechtliche Kompetenz der Bezirke wird gestärkt (z.B. Umweltstreifen).
Abfallwirtschaft
Der im Juli 2001 vom Senat
verabschiedete Abfallwirtschaftsplan wird im Rahmen des aufzustellenden
Abfallwirtschaftskonzepts konkretisiert.
Spätestens ab Juni 2005 dürfen keine unbehandelten Abfälle mehr
deponiert werden. Die BSR soll sicherstellen, dass mindestens 70% der
hochkalorischen Fraktion einer stofflichen Verwertung - z.B. als Ausgangsstoff für die Methanolerzeugung
- zugeführt werden. Die Koalition ist sich einig über den Verzicht auf den Bau
einer weiteren Müllverbrennungsanlage.
Die Koalition wird über das
Beteiligungscontrolling sicherstellen, dass die BSR die abfallwirtschaftlichen Leitlinen
des Senats umsetzt.
Sie setzt sich für eine zeitnahe
Verabschiedung der Gewerbeabfallverordnung ein.
Es ist zu prüfen, ob und wie
Straßenreinigungsgebühren für öffentliche Großflächen wie Grünanlagen,
Spielplätze, Schulen und Sportplätze angemessen reduziert werden können.
Um die unsachgemäße Lagerung von
Abfällen (z.B. Bauabfälle), sog. ”illegale Deponien”, weiter
einzuschränken, wird die Koalition das Rechtsinstrument der Anordnung von
Sicherheitsleistungen in Berlin zügig und konsequent nutzen.
Nachhaltiger Schutz des Bodens und
des Wassers
Die Belastungen der Böden sind zu
verringern, ihre Versiegelung zu
begrenzen. Der sparsamere Umgang mit Flächen soll eine höhere Priorität
erhalten. Dies wird erreicht durch Flächenrecycling und Entsiegelungskonzepte.
Berlin wird ein Entsiegelungskonzept entwickeln, das auf Einsparungen
von Regenwasserentgelt setzt.
Auf lange Sicht sollte im Sinne der
Zukunftsfähigkeit nicht mehr Fläche neu bebaut werden als gleichzeitig
entsiegelt und renaturiert wird. Daher hat ein konsequentes Flächenrecycling
Vorrang.
Die vom Berliner Abgeordnetenhaus
beauftragte Erarbeitung einer Bodenschutzkonzeption wird abgeschlossen. Mit der
Umsetzung wird begonnen.
Die wesentlichen
wasserwirtschaftlichen Ziele Berlins für die folgenden Jahre sind die
dauerhafte Sicherung einer autarken Trinkwasserversorgung (Grundwassergewinnung
im Stadtgebiet), der Qualität des Grundwassers durch entsprechende
Vorsorgemaßnahmen und die Qualitätsverbesserung der Berliner
Oberflächengewässer entsprechend der Gewässergüteklasse II. Hierzu ist die
Sicherung der Trinkwasserbrunnen und die Verhinderung von Bodenverunreinigungen
unerlässlich.
Das Grundwassermanagement wird auf
der Grundlage des Berliner Wassergesetzes und der Grundwassersteuerungsverordnung
zur Gewährleistung eines stadtweit siedlungs- und umweltverträglichen
Grundwasserstandes konsequent fortgesetzt. Grundwasserentnahmebewilligungen
werden nur auf dieser Grundlage erteilt.
Die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie
wird in enger, länderübergreifender Zusammenarbeit mit der
Flußgebietsgemeinschaft Elbe erfolgen. Dabei ist auch eine umfassende
Öffentlichkeitsbeteiligung vorzusehen.
Beim Bau von Bundeswasserstraßen
wird sich die Koalition beim Bund für eine Berücksichtigung der Belange des
Naturschutzes in Uferbereichen und bei der Uferbefestigung einsetzen.
Der Anschluss aller Grundstücke an
die Abwasserkanalisation ist voranzutreiben. Die Genehmigungsfähigkeit von
Kleinkläranlagen ist zu prüfen. Die Sanierung der Mischwasserkanalisation mit
dem Ziel, die Oberflächengewässer bei starken Regenfällen von der Einleitung
aus den Überläufen der Mischwasserkanalisation zu entlasten, wird
kontinuierlich fortgesetzt.
Lernen und Forschen für die Umwelt
Das Thema Umweltbildung ist in den
schulischen Rahmenplänen zu verankern. Auch in der vorschulischen Bildung und
bei der offenen Jugendarbeit muss Umweltbildung künftig Eingang finden. Die
Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern und Lehrerinnen und Lehrern auf diesem Gebiet muss gesichert
sein. Außerschulische Lernorte, wie z.B. Gartenarbeits- und Waldschulen sind zu
erhalten, ihre Öffnungszeiten sind flexibler zu gestalten. Das Projekt ”Grün
macht Schule” wird fortgeführt. Die Senatsverwaltungen für Bildung und für Jugend sollen künftig eine aktivere
Rolle bei der Förderung umweltpädagogischer Projekte spielen.
Das Projekt “Freiwilliges
Ökologisches Jahr” wird auch künftig
gesichert.
Die vorhandenen Potenziale der
Umwelt- und Energieforschung in Berlin
werden weiter entwickelt.
Umwelt und Gesundheitsschutz
Die Koalition setzt sich
bundespolitisch für einen verbesserten Verbraucherschutz ein. Sie stärkt den
Verbraucherschutz im Sinne der Nachhaltigkeit und sichert eine verlässliche
Information und Beratung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Es wird dabei
ein integrierter Ansatz verfolgt und eine Vernetzung von Gesundheits- und
Umweltschutz gewährleistet.
Die Koalition wird sich dafür
einsetzen, mit den Mobilfunkbetreibern eine Vereinbarung zu schließen, nach der
sich diese verpflichten, die “Schweizer Vorsorgewerte” einzuhalten und diese
gegenüber dem Land Berlin nachzuweisen.
Im Hinblick auf die angestrebte
Länderfusion von Berlin und Brandenburg werden die Umweltstandards unter
Beteiligung der Verbände angeglichen und die jeweils fortschrittlichere
Gesetzgebung wird zur Grundlage gemacht.
18. Städtische Mobilität
und Verkehr
Im Vergleich der europäischen und deutschen
Großstädte hat die Mobilität in Berlin einen hohen Standard. Die
Rahmenbedingungen und die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung, aber auch
Veränderungen der Mobilitätsnachfrage, erfordern einen Paradigmenwechsel in der
Infrastrukturpolitik: Die Koalition
konzentriert sich auf die Substanzerhaltung und -pflege.
Netzerweiterungen werden nur noch in Ausnahmefällen möglich sein.
Eine kosteneffiziente Organisation
des Verkehrs mit marktwirtschaftlichen und ordnungsrechtlichen Instrumenten
soll die vorhandenen Kapazitäten ausschöpfen und damit politische Ziele der
Stadt unterstützen. Sie hat Vorrang vor weiterem Ausbau. Bei allen
Baumaßnahmen, ob Neubau oder Sanierung, müssen die zu Grunde gelegten
Ausbaustandards einer strengen Kosten-Nutzen-Analyse standhalten.
Eine lebenswerte Stadt erfordert
eine hohe Aufenthaltsqualität im Straßenraum. Dies ist eine wesentliche Vorgabe
für das verkehrspolitische Handeln der Koalition.
Grundlage für die
Stadtentwicklungspolitik ist der »Stadtentwicklungsplan Verkehr«
(StEP-Verkehr), der in Zusammenarbeit mit den Akteuren am Runden Tisch Verkehr
zügig fertiggestellt sowie mit einem Maßnahmenplan untersetzt und umgesetzt
wird. Den Belangen von Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen
sowie die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede im
Mobilitätsverhalten wird im StEP Verkehr Rechnung getragen.
Im Hinblick auf das prognostizierte
Verkehrswachstum in der Stadtmitte und weiteren innerstädtischen Zentren sind
die Angebote so zu optimieren, dass die Wege im Verhältnis von 80 % der Wege
mit dem öffentlichen Personennahverkehr sowie zu Fuß bzw. mit dem Fahrrad und
zu 20 % mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) bewältigt werden
können.
Die Verkehrssicherheit in der Stadt
ist weiter zu erhöhen, damit die Zahl der Verkehrsunfälle reduziert wird.
Notwendige Einzelmaßnahmen werden in einem »Aktionsprogramm Verkehrssicherheit
Berlin« vereinbart.
Das Land Berlin setzt sich dafür
ein, dass die Koordinierung der Verkehrsplanung und der Verkehrsangebote mit
dem Land Brandenburg weiter vorangetrieben sowie ein gemeinsames
Verkehrskonzept für die Region erarbeitet wird.
Öffentlicher Personennahverkehr
(ÖPNV)
ÖPNV muss attraktiv und bezahlbar
sein. Pünktlichkeit, Sicherheit, Sauberkeit und guter Service müssen von den
Berliner Verkehrsunternehmen sichergestellt werden. Ziel ist es, alle Berliner
Bahnhöfe mit Personal zu besetzen. Die Taktfrequenzen, Linienführungen und die
Anschlusssicherung sind im Interesse der Fahrgäste zu optimieren. Die Koalition
wird sich für die Einführung neuer flexibler und intermodaler Formen der
Verkehrsbedienung einsetzen.
Entsprechend den Leitlinien des
Senats für ein behindertengerechtes Berlin werden die Fahrzeuge und
Einrichtungen des ÖPNV schrittweise behindertengerecht ausgestattet. Dazu
gehört die behindertengerechte Ausstattung von U-Bahnhöfen sowie die
Verbesserung der Sicherheitsstandards.
Grundlage für die Ausgestaltung des
ÖPNV-Verkehrsangebotes in Berlin ist der Nahverkehrsplan mit den darin
enthaltenen Vorgaben zum Verkehrsangebot sowie für qualitätssichernde und
attraktivitätssteigernde Maßnahmen. Für die Fortschreibung des Nahverkehrsplans
werden vorhandene oder neu zu schaffende Möglichkeiten eines Kundenmonitoring
integriert. Eckpunkte des Nahverkehrsplanes werden vom Abgeordnetenhaus
beschlossen.
Die Effizienz des ÖPNV wird durch
eine Fortsetzung des Beschleunigungsprogramms für Busse und Straßenbahnen
verbessert, z.B. durch Busspuren und durch kostengünstige
Ampelvorrangschaltungen.
Die Koalition setzt sich dafür ein,
das Tarifsystem des ÖPNV mit dem Ziel der Gewinnung neuer Kunden grundlegend zu
vereinfachen. Zielgruppenorientierte Tarifangebote müssen vor allem die Zahl
der Stammkunden erhöhen. Dazu gehören Job-, Semester-, Schüler-,
Arbeitslosentickets sowie innovative Modelle, um die Tarife dauerhaft zu
reduzieren. Einfache Guppenangebote, insbesondere für kleine Gruppen, sind
wieder einzuführen. Zur Förderung der umweltfreundlichen Kombination von
Fahrrad und ÖPNV ist die kostenlose Fahrradmitnahme für alle Zeitkarten-Inhaber
wieder zu ermöglichen.
Attraktivitätssteigerung des ÖPNV
bedeutet auch, die Verknüpfung vorhandener Linien weiter zu verbessern. Im
Rahmen der Substanzpflege sind die Umsteigewege zu verbessern und zu verkürzen.
Die Substanzerhaltung und -verbesserung des vorhandenen ÖPNV-Netzes werden
durch EU- und Bundesmittel sowie die erforderlichen Komplementärmittel Berlins
finanziert. Dies hat Vorrang vor Netzerweiterungen.
Vorrangige Netzergänzungen bei der
Straßenbahn sind, soweit ihre Wirtschaftlichkeit nachgewiesen wird:
Alexanderplatz -Potsdamer Platz
-Kulturforum (einschließlich Alex II)
Eberswalder Straße - Bernauer Straße
- Nordbahnhof - Lehrter Bahnhof
Eckernfördernplatz - Beusselstraße -
Moabit (Turmstr.) - Lehrter Bahnhof
Adlershof - Wissenschaftsstadt -
Sterndamm
Planerisch sind weitere
Netzwerweiterungen auf Grundlage des StEP Verkehr vorzubereiten.
Bis zur Inbetriebnahme des Lehrter
Bahnhofs soll der 1. Abschnitt der S 21 realisiert (Nordeinführung der S 21 vom
Nordring zum Lehrter Bahnhof) und über das GVFG-Bundesprogramm finanziert werden
(Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetz).
Die Koalition setzt sich gegenüber
dem Bund für die zeitnahe Realisierung der S-Bahnlückenschlüsse Lichterfelde
Süd - Teltow Stadt und Spandau - Falkensee ein. Weitere Projekte, auf deren
dringende und längst überfällige Umsetzung hinzuwirken ist, sind der Umbau und
die Sanierung der S-Bahnhöfe Ostkreuz und Warschauer Straße, der S-Bahnhof
Kolonnenstraße und der S-Bahnhof Buch-Süd.
Die Sanierung des Ostkreuzes hat
nach der Fertigstellung des S-Bahn-Rings Priorität. Der Senat wird sich
gegenüber der DB AG für einen schnellstmöglichen Beginn der Arbeiten einsetzen
und seinerseits alle Maßnahmen ergreifen, damit weitere Verzögerungen
verhindert und die notwendigen Finanzmittel des Bundes sichergestellt werden.
Im Rahmen des laufenden
Planfeststellungsverfahrens muss bei der angestrebten Verbesserung der
Verknüpfung von U- und S-Bahn am Bahnhof Charlottenburg eine städtebaulich verträglichere
Lösung erreicht werden.
Die für den Regionalverkehr
vorgesehenen Mittel werden für die Regionalbahnstrecken
Lichtenberg-Ostkreuz-Ostbahnhof und den Bahnhof Karow eingesetzt. Der Ausbau
der “Heidekrautbahn” nach Wilhelmsruh soll in Kooperation mit der
Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) erfolgen. Der Wiederaufbau der Stammbahn wird
angestrebt.
Der Senat wird sicherstellen, dass
die Mittel aus dem Bundesschienenwege-Ausbaugesetz (BSchwAG) aus der Periode
1998-2002 in die Folgejahre übertragen werden.
Bei der Wiederinbetriebnahme von
Bahnstrecken im Berliner Stadtgebiet ist auf umwelt- und umfeldverträgliche
Lösungen zu drängen. Für die Dresdner Bahn ist dabei für die Fernbahn im Zuge
des Planfeststellungsverfahrens eine unterirdische Führung im Bereich
Lichtenrade zu erreichen. Für die Anhalter Bahn ist Lärmschutz nach aktuellen
Standards durchzusetzen.
Die Koalition wird sich
nachdrücklich für Verbesserungen im Eisenbahnfernverkehr, insbesondere für
höhere Fahrgeschwindigkeiten,
einsetzen. Zu realisierende Projekte sind: Der Ausbau der Strecken
Berlin-Rostock, Berlin-Kostrzyn (Küstrin), Berlin-Warschau,
Berlin-Stralsund/Szczecin (Stettin), Berlin-Wroclaw (Breslau) und
Berlin-Hamburg.
Die Koalition setzt sich für eine
Optimierung des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg (VBB) mit dem Ziel ein,
eine Vermeidung von Doppelarbeiten, eine Stärkung der Koordinierungsfunktionen
der Verbundorganisation sowie die Beteiligung der Fahrgäste zu erreichen. Dies
wird dazu beitragen, den Landeshaushalt zu entlasten. In diesem Zusammenhang
ist das Vertragswerk des VBB kurzfristig zu reformieren. Das Land Berlin bleibt
Aufgabenträger für den Schienenpersonen-Nahverkehr (SPNV) und den übrigen ÖPNV.
Die BVG leistet einen wesentlichen
Beitrag zur städtischen Mobilität. Die Koalition erkennt die
Sanierungsbemühungen der vergangenen Jahre an. Die BVG muss zu einem starken
und wettbewerbsfähigen Unternehmen entwickelt werden, damit ein attraktives
Verkehrsangebot bei rückläufiger öffentlicher Förderung gesichert werden kann.
Die Gespräche mit der Deutschen Bahn AG zur Frage einer Fusion von BVG und
S-Bahn sind unter Beteiligung beider Koalitionspartner ergebnisoffen
fortzusetzen.
Bei allen Prüfschritten werden die
Gesamtinteressen des Landes Berlin gewahrt.
Mit dem BVG Sanierungs- und
Umsetzungskonzept (BSU 2000) hat der
Senat der BVG die Möglichkeit eröffnet, sich zu einem wettbewerbsfähigen
Unternehmen zu entwickeln. Um den Sanierungsprozess auch im Bereich der
Personalentwicklung voranzubringen, sind
·
realistische
und einvernehmlich nachvollziehbare Personalkostenrechnungen vorzulegen,
·
freie
Stellen vorrangig mit vorhandenem Personal zu besetzen und
·
der
Dienstleistungsorientierung auch im Hinblick auf den Personaleinsatz absoluter
Vorrang einzuräumen.
Dies heißt auch, dass die Zahl der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vornehmlich im Verwaltungsbereich verringert
werden muss. Die Koalition wird Initiativen aus den Reihen der Gewerkschaften
zur Beschleunigung des Sanierungsprozesses miteinbeziehen. Die nach dem BSU angestrebte
Personalkostenentwicklung ist notwendig, gerade um betriebsbedingte Kündigungen
zu vermeiden.
Das aufgestaute
Instandhaltungsdefizit bei Straßen (einschl. Geh- und Radwege) und Brücken soll
abgebaut werden. Dabei sind auch Fahrbahndeckensanierungen in Wohngebieten mit
höherer Verkehrslärmbelastung zu berücksichtigen. Um zu gewährleisten, dass die
Straßen mit dem höchsten Sanierungsbedarf prioritär saniert werden, wird die
Senatsverwaltung einen Kriterienkatalog erarbeiten. Über die Mittelvergabe für
die Sanierung von Hauptverkehrsstraßen entscheidet die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung, über die Mittel für die Erschließungsstraßen entscheiden die
Bezirke unter Zugrundelegung des Kriterienkataloges.
Folgende Straßenbaumaßnahmen werden
realisiert:
·
die
Teltowkanalautobahn BAB A 113 bis Landesgrenze (finanziert aus Bundesmitteln).
Die Koalition wird sich für eine Erhöhung des Lärmschutzes an der
Anschlußstelle Johannisthal sowie für eine durchgehende Tunnelführung in
Altglienicke beim Bund einsetzen.
·
die
Altstadtumfahrung Köpenick von Straße an der Wuhlheide bis Glienicker Straße (teilfinanziert aus EFRE-Mitteln) bei
gleichzeitiger Verkehrsberuhigung der Altstadt Köpenick. Die Finanzierbarkeit
des 2. und 3. Bauabschnitts der Tangentialverbindung Ost (TVO) durch GA-Mittel
, einschließlich des Ausbaustandards, wird geprüft.
·
Die B
101 wird von der Landesgrenze bis zur Hildburghauser Straße und die B 96 von der Landesgrenze bis zur Goltzstraße
vierspurig erweitert.
Diese Maßnahmen des Bundesstraßenbaus können allerdings nur
realisiert werden, wenn - wie auf Brandenburger Seite - eine vollständige
Finanzierung aus Bundesmitteln erfolgt.
Gegenwärtig wird die BAB A 100 bis
zum Anschluss Dreieck Neukölln fertiggestellt. Die Fortführung bis Treptower
Park ist abhängig von der Finanzierung durch den Bund. Diesbezügliche Planungen
werden erst nach Sicherung der Bundesfinanzierung eingeleitet.
Die Planungen für die
Tangentialverbindung Nord (TVN) und für die B 101 im Bereich Lankwitz werden
aufgegeben. Die Koalition setzt sich für einen
zügigen Abschluss der Planung und Realisierung der Ortsumgehungen in
Ahrensfelde und Malchow ein.
Das Ost-West-Straßennetz in der
Innenstadt wird mit einer Durchbindung der Französischen Straße von der
Mauerstraße zur Ebertstraße ergänzt. Damit sollen die Leipziger Straße sowie
die Straße Unter den Linden entlastet und das Holocaustmahnmal erschlossen
werden. Die Realisierung ist abhängig von der Finanzierungsmöglichkeit im
Rahmen des Investitionsplafonds.
Der Boulevardcharakter der Straße
Unter den Linden ist zu stärken. Die Durchbindung der Dircksenstraße zur
Grunerstraße wird nicht weiterverfolgt
Das Land Berlin wird analog zu
Regelungen in allen anderen Bundesländern ein Straßenbaubeitragsgesetz
einführen, das die Finanzierung der erstmaligen Erstellung von Straßen und des
Ausbaus bestehender Straßen regelt. Die betroffenen Bürger sind an Planungen
zum Ausbaustandard wirksam zu beteiligen. In den Verwaltungsvorschriften sind
die Ausbaustandards abzusenken. Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit
fallen nicht unter dieses Gesetz. Im Rahmen der Ausgestaltung des Gesetzes sind
soziale Härten zu vermeiden.
Straßenbauplanungen des Landes und
der Bezirke, die durch GA-Mittel bzw. EU-Mittel finanziert werden, werden von
der für Verkehr zuständigen Verwaltung nochmals kritisch auf ihre Notwendigkeit
überprüft.
Der Autoverkehr ist durch ein
intelligentes Verkehrsmanagement stadtverträglich zu gestalten. Die
Parkraumbewirtschaftung liegt in der Verantwortung der Bezirke. Eine Ausdehnung
der Parkraumbewirtschaftung erfolgt dort, wo eine starke Parkraumnachfrage dies
erfordert. Die Festlegung der Bewirtschaftungszeiten soll den konkreten
Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Die Gebühren der Anwohnervignette
werden auf die von der Rechtsprechung akzeptierte Höhe von 60,- DM pro Jahr
erhöht. Davon erhalten die jeweiligen Bezirke ein Drittel für die Finanzierung
der Parkraumüberwachung.
Die Sicherheit, Bewegungsfreiheit
und Aufenthaltsqualität für Fußgänger sind zu fördern. Dazu sind Maßnahmen z.B.
im Rahmen des Quartiersmanagements,
wie Ausweisung verkehrsberuhigter
Bereiche, kleine Stadtplätze und Errichtung von Querungshilfen zu ergreifen. Der Erhöhung der Verkehrssicherheit
für Fußgänger insbesondere in Kreuzungsbereichen ist verstärkte Aufmerksamkeit
zu widmen.
Die Koalition wird verstärkte
Anstrengungen zur Erfüllung der Leitlinien für ein behindertengerechtes Berlin
unternehmen.
Grundlegende Voraussetzung für eine
spürbare Verbesserung der Verkehrssicherheit und eine Reduzierung von
Umweltbelastungen ist die Intensivierung der Verkehrskontrollen. Ohne eine
konsequente Kontrolle der Einhaltung von Verkehrsregeln können wesentliche
Schutzmaßnahmen wie Geschwindigkeitsbeschränkungen vor Schulen und an
Unfallschwerpunkten nicht greifen.
Der Senat wird einen Radverkehrsplan
erarbeiten und umsetzen. Darin enthalten ist die Schaffung von Fahrradabstellanlagen
an Bahnhöfen, öffentlichen Einrichtungen und Einkaufsstandorten.
Die Berliner Abschnitte der
touristischen Radrouten Berlin-Usedom, Berlin- Kopenhagen, Berlin-Erkner und
der Berliner Mauerweg sollen unter Verwendung von GA-Mitteln realisiert werden.
Angesichts der hohen Effizienz von
Maßnahmen zur Förderung des Fahrradverkehrs wird angestrebt, den Haushaltstitel
mit einem Finanzvolumen von jährlich 5 Millionen Euro durch Umschichtung
auszustatten.
Initiativen zur Schaffung von autofreien
oder autoarmen Stadtquartieren werden unterstützt.
Es werden Modellprojekte zur Nutzung
neuer Fortbewegungsmittel (z.B. Inlineskater) im öffentlichen Straßenland
eingerichtet. Die zeitlichen und räumlichen Wochenend-Angebote für
Trendsportarten werden ausgeweitet.
Ergänzend zum Stadtentwicklungsplan
Verkehr ist ein integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept auf Grundlage einer
verbesserten Datengrundlage bis 2004 zu erarbeiten und umzusetzen:
Bestandteil des Wirtschaftsverkehrskonzepts
ist ein Maßnahmenprogramm, das u.a. die Förderung von stadtverträglichen Lkw, die Verringerung der lokalen Immissionen
durch Veränderungen an der Fahrbahn, die Ausweisung schützenswerter Bereiche und
ein Lkw-Routennetz für den Fernverkehr zum Inhalt haben soll.
Berlin wird sich auf Bundesebene
dafür einsetzen, dass die Chancengleichheit umweltverträglicher Verkehrsträger
durch den Abbau ungleicher Wettbewerbschancen hergestellt wird.
Berlin wird eine
Bundesratsinitiative entwickeln, um die Einführung von Benutzervorteilen für
emissionsarme LKW zu ermöglichen.
Zur Belebung des
Schienengüterverkehrs in der Region sind in Zusammenarbeit mit Brandenburg alle
Potenziale zur Verlagerung von Güterverkehr auf die umweltfreundliche Schiene
zu nutzen und ein diskriminierungsfreier Zugang für alle Anbieter zu sichern.
Hierbei sind neben der DB-Cargo auch die Privatbahnen (NE-Bahnen) und die
verladende Wirtschaft einzubeziehen. Der Schienengüterverkehr muss durch
Sicherung der notwendigen Infrastruktur unterstützt werden. Die Funktion des
Hamburg-Lehrter-Güterbahnhofs soll zum Westhafen verlagert werden.
Für die Binnenschifffahrt liegt mit
dem Hafenentwicklungskonzept bereits ein wichtiger Baustein vor. Er soll
umgesetzt werden.
Lärm und Abgase beeinträchtigen die
Lebensqualität in der Stadt. Eine nachhaltige Verkehrspolitik muss hier einen
Schwerpunkt setzen, um die Belastungen deutlich zu senken.
Zur Verringerung der Lärmbelastung
wird ein umfassendes Maßnahmenkonzept umgesetzt, das u.a. folgende Schritte
vorsieht:
·
Verringerung
der Fahrzeuggeschwindigkeit in belasteten Wohngebieten auch an
Hauptverkehrsstraßen
·
Programm
für die Lärmsanierung von Straßenbahnen
·
Initiierung
von Modellprojekten zur Lärmminderung in den Bezirken (Lärmminderungspläne).
Es muss in Berlin gelingen, die
anspruchsvollen Grenzwerte der neuen europäischen Luftqualitätsrichtlinien zu
unterschreiten. Dies gilt insbesondere für die Reduzierung der Feinstaubbelastung.
Effiziente Strukturen im Verkehr
Zur Stärkung einer gesamtstädtischen
Verkehrspolitik ist es erforderlich, die Kompetenzen der beteiligten
Verwaltungsstellen klarer voneinander abzugrenzen und auf wenige Stellen zu
konzentrieren. Es gilt der Grundsatz, dass örtliche Angelegenheiten soweit
bezirklich entschieden werden, wie sie nicht übergeordneten Verkehrskonzepten
entgegen stehen. Die detaillierte Aufgabenzuweisung im Bereich des
Straßenverkehrs zwischen Bezirken und Hauptverwaltung ist binnen eines Jahres
neu zu ordnen. Die Zuständigkeit der Prüfung straßenverkehrsrechtlicher Belange
sind vom Polizeipräsidenten auf die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung zu
übertragen.
Bei allen Baumaßnahmen, ob Neubau
oder Sanierung, müssen die zu Grunde gelegten Ausbaustandards einer strengen
Kosten-Nutzen-Analyse standhalten.
Grundlage dafür ist eine systematische Erfassung des
Infrastrukturzustandes. Einbezogen wird ein effizientes
Unterhaltungsmanagement.
Mit dem Ziel, ein effektives und
kostengünstiges Management (Errichtung, Wartung, Umprogrammierung) der Berliner
Lichtsignalanlagen zu garantieren, wird geprüft, diese derzeit in der
Hauptabteilung Tiefbau angesiedelte Aufgabe zu privatisieren. Die Steuerung der
Lichtsignalanlagen verbleibt als wichtige öffentliche Aufgabe bei der
Senatsverwaltung.
Die vorhandene Infrastruktur enthält
noch erhebliche Kapazitätsreserven, die durch zielorientiertes und
verkehrsmittelübergreifendes Mobilitätsmanagement zu aktivieren sind. Dafür ist
es erforderlich, die VMZ (Verkehrsmanagementzentrale) von einem
Verkehrsinformations-Dienstleister in Kooperation mit der VKRZ
(Verkehrskontroll- und Regelungszentrale) zu einem Instrument zielgerichteter
städtischer Mobilitätsgestaltung weiter zu entwickeln.
Die Rolle des Aufgabenträgers ist in
Vorbereitung auf den künftigen europaweiten Wettbewerb im ÖPNV zu stärken.
Dabei wird ein Konzept erarbeitet, das die rechtlich notwendige
organisatorische Trennung zwischen Besteller und Ersteller darstellt. Die dazu
notwendigen Kapazitäten sollten unter Nutzung des vorhandenen Know-hows der BVG
gebündelt werden. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Bildung von
Fahrzeugpools oder einer landeseigenen Infrastrukturgesellschaft erforderlich
ist, um potentiellen Wettbewerbern einen diskriminierungsfreien Zugang zur
Infrastruktur zu ermöglichen.
Neue Arbeitsplätze durch
Innovationen im Verkehr - Berlin als Verkehrskompetenzzentrum
Berlin muss die Chancen seiner
Konzentration an universitärer und außeruniversitärer Mobilitätsforschung
sowohl für die Entwicklung integrierter Verkehrslösungen als auch für die
Umsetzung in regionale Wertschöpfung nutzen. Aufbauend auf die bisherige
Forschungsförderung im Bereich Verkehrstechnologie sowie den Ergebnissen der
»Berlin-Studie« verfolgt die Koalition eine Gesamtstrategie für eine
integrierte Wirtschafts-, Technologie- und Mobilitätspolitik. Diese hat vor
allem zum Ziel, beschäftigungswirksame Effekte für Berlin zu erreichen.
Wichtiger Bestandteil sind die Verbesserung der Rahmenbedingungen für
Existenzgründungen und eine offensive Werbung für Neuansiedlungen. Alle
diesbezüglichen Fördermöglichkeiten des Bundes und der EU sind auszuschöpfen.
19. Finanzen
Die Haushaltslage ist ernst - ohne
erhebliche Konsolidierungsanstrengungen ist das Land finanzpolitisch nicht mehr
handlungsfähig und droht der öffentliche Sektor in einer Zins-Schuldenfalle
stranguliert zu werden. Die Lage ist weit dramatischer als sie öffentlich
wahrgenommen wird: Berlin ist ein Sanierungsfall.
Für das kommende Jahr ist mit einer
Deckungslücke in der Größenordnung von 5,2 Mrd € zu rechnen - soweit keine
nachhaltigen gegensteuernden Maßnahmen getroffen werden. Die Zinsausgaben
werden sich 2002 auf etwa 2,3 Mrd € belaufen - Folge eines Schuldenstandes, der
sich seit 1991 mehr als versechsfacht hat und Ende 2001 fast 40 Mrd € betragen
wird. Von jedem Euro Steueraufkommen sind rechnerisch 41 Cents für Zinsausgaben
und zinsähnliche Schuldendiensthilfen gebunden; doch die Steuereinnahmen des
kommenden Jahres (8,25 Mrd €) werden bereits fast vollständig für die
Personalausgaben (7,20 Mrd €) benötigt.
Angesichts dieses drohenden
Szenarios muss Berlin jetzt radikal umsteuern. Die zu ergreifenden Maßnahmen
müssen in Reichweite und Umfang der Dramatik der Situation angemessen sein -
und sie müssen jetzt angegangen werden. Jeder Zeitverzug bedeutet, dass
sich die Handlungsspielräume in der Zukunft noch weiter verringern und die
Finanzierung öffentlicher Leistungen durch steigende Zinsleistungen zunehmend
verunmöglicht wird.
Eine Sanierungsstrategie für die
Berliner Finanzen und den öffentlichen Sektor muss deshalb weit über eine
Politik, die sich auf pauschale Kürzungen und das Abschöpfen von Ausstattungsvorsprüngen
gegenüber anderen Bundesländern beschränkt, hinausgehen.
Die notwendige Ausgabenentlastung
des Landes kann nur durch die umfassende und radikale Neuordnung von
Aufgabenbestand, Aufgabenverständnis und Revision interner Verwaltungsprozesse
sowie der öffentlich finanzierten Leistungserbringung erreicht werden. Dabei
ist es das Ziel einer solchen grundlegenden Neuordnung, Sanierung und
Innovation miteinander zu verbinden - die öffentlichen Aufgaben sollen
effektiver und kostengünstiger erbracht werden.
Erst wenn ein solcher Sanierungs-
und Umbauprozess tatsächlich eingeleitet und verbindlich vereinbart ist, wird
endgültig abschätzbar, wo die Grenzen der Eigenanstrengung Berlins liegen. Erst
aus dieser Situation heraus kann Berlin erfolgreich mit dem Bund über
strukturelle und dauerhaft entlastende Zusatzhilfen verhandeln.
Die Berliner Finanzämter weisen
insgesamt einen guten Leistungsstandard auf. Im Interesse der konsequenten
Einnahmenstärkung und der Bekämpfung der Steuerverkürzung werden die
Finanzämter vom Personalabbau freigestellt. Durch Rationalisierung in der
Oberfinanzdirektion freiwerdende personelle Ressourcen werden in die
Finanzämter gelenkt.
Die Koalition setzt sich das Ziel,
bis zum Jahre 2009 die laufenden Ausgaben ohne Kreditaufnahme und die
Veräußerung von Vermögen zu finanzieren. In Berlin ist dies seit langem nicht
der Fall. Die Ausgaben müssen den langfristig zur Verfügung stehenden Einnahmen
angepasst werden. Dies ist auch die Voraussetzung für die angestrebte
Länderfusion mit Brandenburg.
Die beigefügte »Modellrechnung« gibt
die von der Koalition angestrebte finanzpolitische Linie wieder.
Jeder weitere Anstieg der
Zinsausgaben schränkt die Flexibilität des Haushalts ein und verengt den
politischen Gestaltungsspielraum.
Die Begrenzung des weiteren
Zinsausgabenanstiegs hat deswegen oberste Priorität. Sie setzt eine schnelle
und konsequente Rückführung der Neuverschuldung voraus. Nur so kann auf lange
Sicht die Flexibilität des Haushalts wiederhergestellt und erhalten werden.
Vorbedingung für die Rückführung der
Neuverschuldung ist eine strikte Konsolidierung, die sich über das gesamte
laufende Jahrzehnt erstrecken wird.
Die erforderlichen Entscheidungen
müssen nicht nur schnell gefasst, sondern auch so zügig als möglich
maßnahmenkonkret umgesetzt werden. Die nachfolgenden Vereinbarungen und
Einzelregelungen bieten hierfür die Grundlage.
Die Konsolidierung muss alle
Bereiche umfassen. Hiervon sind Hauptverwaltung, Bezirke, nachgeordnete
Einrichtungen sowie die Unternehmen in Landesbesitz in gleicher Weise
betroffen. Das Schwergewicht der Konsolidierungsanstrengungen wird
ausgabeseitig im Personalbereich und im Bereich der konsumtiven Sachausgaben
liegen.
Die Koalition strebt an, die
Personalausgaben im Zeitraum der Legislaturperiode um insgesamt 1,074 Mrd
€ (2,1 Mrd DM) zu entlasten. Von diesem
Einsparvolumen sind bereits 509 Mio € durch konkrete Maßnahmen belegt. Mit dem
zeitgleich mit dem Haushalt 2002 zu beschließenden Sanierungs- und
Umbauprogramm für die öffentliche Verwaltung und Leistungserbringungen werden
weitere Maßnahmen beschlossen, die bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode
eine weitere Haushaltsentlastung im Umfang von mindestens 511 Mio € im
Personalhaushalt ermöglichen sollen.
Die notwendige grundlegende
Verwaltungsreform kann und muss als mehrjähriger, bis in die nächste
Legislaturperiode reichender Prozess angelegt werden. Angesichts der
dramatischen Verschuldung des Berliner Haushaltes muss dieser Entlastungseffekt
jedoch auf der Zeitachse vorgezogen werden - anderenfalls droht angesichts der
dann noch schneller wachsenden Zinsausgaben die Gefahr, dass aus purem
Sachzwang kurzfristig drastische Einschränkungen des öffentlichen
Leistungsangebots erzwungen, einseitige personalwirtschaftliche Maßnahmen des
Senats und betriebsbedingte Kündigungen nicht über den Geltungszeitraum der
Beschäftigungssicherungsvereinbarung hinaus ausgeschlossen werden können.
Die Koalition verfolgt das Ziel,
auch weiterhin betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Um dies zu
ermöglichen, werden mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und den
Personalvertretungen Gespräche über einen solidarischen Beschäftigungspakt mit
dem Ziel aufgenommen, unter anderem folgende Maßnahmen zu verhandeln:
- die
Umverteilung von Arbeitszeit und Einkommen
- den zeitlich
begrenzten Verzicht auf Lohn- bzw. Einkommensbestandteile
- die
möglichst umfassende Anwendung des Altersteilzeitgesetzes
- die
Sicherung eines Einstellungskorridors im öffentlichen Dienst
- die
Neudefinition des Verwaltungsreformprozesses und die umfassende Einbeziehung
der Gewerkschaften und Personalvertretungen in diesen Prozess
- die
Prüfung von Vorschlägen für mehr Mitsprache und Information der
Personalvertretungen (und Beschäftigten) über wirtschaftliche und finanzielle
Angelegenheiten der Dienststellen mit eigener Budget- und Ergebnisverantwortung
- die
Vorbereitung der Länderfusion und die Einbeziehung der
Beschäftigtenvertretungen und Gewerkschaften in die Erarbeitung eines
gemeinsamen, neuen Personal- und Dienstrechtes.
Die Verhandlungen mit den
Gewerkschaften werden frühzeitig aufgenommen, um zügig haushaltsrelevante
Entlastungen und Handlungsspielräume verbindlich zu vereinbaren.
Bis Mitte 2002 wird ein zentraler
Stellenpool eingeführt. Für Beförderungen werden Globalbudgets festgelegt.
Der Anteil der Bezirke an den
Personaleinsparungen und deren Verteilung zwischen den Bezirken wird für die
Jahre 2003 bis 2006 auf der Grundlage eines neuen Zumessungsmodells
festgeschrieben. Für das Jahr 2002 erfolgt die Verteilung nach dem im Rat der
Bürgermeister vereinbarten Modell. In diesem Zusammenhang sollen die Bezirke
auch Anreize zum Personalabbau erhalten.
Die Investitionen werden für den
Zeitraum der Legislaturperiode auf dem um die Bankhilfen bereinigten Soll des
Jahres 2001 in Höhe von 2,090 Mrd € [knapp 4,1 Mrd DM] verstetigt.
Damit werden in den Jahren 2002 und
2003 im Wesentlichen keine Neubeginner in die Investitionsplanung aufgenommen
werden können, bereits begonnene Maßnahmen werden auf ihre Unverzichtbarkeit
überprüft.
Die Koalition wird das Berliner
Vermögens- und Beteiligungsmanagement neu ordnen. Viele Beteiligungen der Stadt
sind nicht mehr erforderlich oder sinnvoll und werden privatisiert.
Die Veräußerungen erfolgen unter den
Gesichtspunkten einer Einnahmenerzielung für den Landeshaushalt, der
Risikominimierung sowie der Strukturpolitik.
Die Koalition strebt an, mit einem
Gesamtvolumen der Vermögensaktivierung von 3,0 Mrd € Entlastungen im
Landeshaushalt vorrangig in den Jahren 2002 und 2003 zu erreichen.
Das Beteiligungscontrolling wird
weiterentwickelt, ausgebaut und zentral bei der Senatsverwaltung für Finanzen
angesiedelt. Es wird um die Anstalten
öffentlichen Rechts ergänzt. Das Beteiligungscontrolling wird konzeptionell wie
folgt erweitert:
- durch
die Einbeziehung der mittelbaren Beteiligungen des Landes,
- durch
die einvernehmlich zwischen Fach- und Beteiligungsverwaltung abgestimmten
Vorgaben für das unmittelbare Controlling auf Unternehmensebene,
- durch
die Entwicklung von Verfahren zur Verzahnung des Beteiligungscontrollings mit
den Aufsichtsratsmitgliedern der Beteiligungsunternehmen, zur fachlichen Weiterqualifikation der
AR-Mitglieder, zur Rückkoppelung der Ergebnisse des Beteiligungscontrollings
bei der Zielkontrolle, der Früherkennung von Risiken und der Aufstellung der
Wirtschaftspläne,
- eine
Überarbeitung der Beteiligungsrichtlinien des Landes.
Ein wesentlicher Teil der
erforderlichen Entlastungen des Landeshaushalts entfällt auf den Bereich der
konsumtiven Sachausgaben. Nach heutigem Kenntnisstand beläuft sich der auf die
konsumtiven Sachausgaben entfallende Handlungsbedarf bis zum Jahre 2006 auf
etwa 1,7 Mrd €, gemessen am voraussichtlichen Ist des Jahres 2001 (siehe auch
»Modellrechnung« Anlage 1).
Steuern, Gebühren, Abgaben und
Beiträge werden hinsichtlich ihrer Höhe überprüft und in vertretbarem Rahmen
angehoben.
- siehe Übersicht über strukturelle
Sparmaßnahmen (Anlage 3)
Finanzhilfen an Unternehmen sind
grundsätzlich degressiv auszugestalten. Über die Vergabe von Bürgschaften
entscheidet die Senatsverwaltung für Finanzen.
Den Herausforderungen der
finanzpolitischen Lage lässt sich konsequent nur durch nachhaltige Stärkung der
Eigenverantwortung aller Verwaltungsstellen begegnen. Hierfür wird die
ergebnisorientierte Budgetierung auf der Grundlage der
Kosten-Leistungs-Rechnung in der Hauptverwaltung bis zum Jahre 2005 vollständig
eingeführt und durch eine Stärkung der dezentralen Ressourcenverantwortung
abgesichert.
Der Handlungsbedarf der kommenden
Jahre ist gewaltig. Das Land Berlin muss seine Kernaufgaben in allen
Politikfeldern bestimmen, sich auf diese beschränken und konzentrieren.
Die landeseigenen Gesellschaften
haben sich künftig stärker auf Ertragsorientierung hin auszurichten.
Erforderlich ist die klare
Festlegung und die Akzeptanz von Aufgaben-Prioritäten (und damit von
Posterioritäten und Aufgabenverzichten) sowie die jeweils rechtzeitige
Verständigung auf konkrete, in bestimmten Haushaltsjahren auch tatsächlich
realisierbare Struktur- und Einzelentscheidungen.
Die Festlegung von Prioritäten
schließt ausdrücklich ein, auch die Erfüllung von Kernaufgaben ständig sachlich
und finanziell zu optimieren.
Die Finanzpolitik der Koalition
basiert auf den Prinzipien der Haushaltsklarheit, Haushaltswahrheit und
Vollständigkeit.
Dies bedeutet unter anderem
konsequent realistische Veranschlagungen bei Einnahmen und Ausgaben sowie
Veranschlagung von Einnahmen aus Vermögensaktivierung nur, sofern und soweit
sie durch im jeweiligen Haushaltsjahr realisierbare Entscheidungen unterlegt
sind.
Zum Mentalitätswechsel gehört auch,
den derzeit strukturell zu hohen Kassenkreditstand abzubauen und
Haushaltsfehlbeträge zu vermeiden.
Soweit politische Vorhaben zu
zusätzlichen Haushaltsbelastungen führen, werden diese Vorhaben nur dann
realisiert, wenn sich als Voraussetzung das betroffene Ressort zur Schaffung
des zusätzlichen finanziellen Spielraums verpflichtet und diesen auch
tatsächlich schafft; die Absenkung der Neuverschuldung darf hierdurch nicht
gefährdet werden. Diese Haushaltsentlastungen müssen zu den vereinbarten bzw.
noch zu vereinbarenden Konsolidierungsmaßnahmen hinzutreten; dies gilt
ungeachtet einer etwaigen Nennung des Vorhabens in dieser
Koalitionsvereinbarung.
Übersteigen im Zeitraum der
Legislaturperiode die Tarifabschlüsse bzw. die Besoldungsanhebungen die jeweils
für die einzelnen Jahre getroffene Vorsorge, sollen die anteiligen zusätzlichen
Ausgaben grundsätzlich von dem jeweiligen Einzelplan getragen werden.
Sollten sich die Steuereinnahmen und
die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich während der Legislaturperiode
günstiger entwickeln als erwartet, werden die Mehreinnahmen zu einer
zusätzlichen Absenkung der jährlichen Neuverschuldung eingesetzt. Mindereinnahmen
werden nach einem dann festzulegenden Schlüssel auf die Ressorts umgelegt;
gleiches gilt für unabweisbare Mehrausgaben in gesamtstaatlicher Verantwortung,
soweit diese auf bundesstaatlicher Ebene veranlasst sind. Alle anderen
Mehrausgaben sind vom jeweiligen Einzelplan zu tragen.
Berlin nutzt alle Möglichkeiten zur
Einwerbung von Drittmitteln, insbesondere um wichtige Investitionsvorhaben und
Qualifizierungsmaßnahmen zu finanzieren. Grenzen einer höheren Einwerbung
bestehen in der Regel allerdings insoweit, als Drittmittel vom Bund oder der EU
mit hohen eigenen Mitteln des Landes
kofinanziert werden müssen.
Die Koalitionspartner regeln
wesentliche Maßnahmen zur Umsetzung des Konsolidierungskurses in den ersten
Monaten des Jahres 2002 im Rahmen eines Haushaltsentlastungsgesetzes.
Zur Sicherung des
Konsolidierungskurses und zur Vereinheitlichung der Konsolidierungsanstrengungen
wird ergänzend Folgendes vereinbart und durch den Senat mit externer
Unterstützung konkretisiert:
- Staatliche
und kommunale Kernaufgaben werden identifiziert; andere Aufgaben entfallen.
- Auch die
Durchführung dieser Kernaufgaben unterliegt einem strikten Effizienz- und
Effektivitätsgebot.
- Alle
verbleibenden Aufgaben werden daraufhin überprüft, ob mögliche Organisationsveränderungen
(einschließlich outsourcing) zu einer Verminderung des Verwaltungsaufwandes
beitragen können.
- Die
ergebnisorientierte Budgetierung auf der Grundlage der
Kosten-Leistungs-Rechnung wird in der Hauptverwaltung bis zum Jahre 2005
vollständig eingeführt.
- Die
Vorschläge der »Expertenkommission Staatsaufgabenkritik« werden umgesetzt,
soweit nicht schwerwiegende Gründe entgegenstehen.
- Dritte
werden leistungsgerecht an den Kosten der Bereitstellung öffentlicher
Leistungen beteiligt. Gebühren werden entsprechend der Kostenentwicklung
angepasst.
- Die
Möglichkeiten eines benchmarking werden konsequent genutzt.
- Ein umfassendes
unterjähriges Controlling wird als strategisches und taktisches Frühwarnsystem
eingeführt.
- Der
Umfang von Leistungen, die auf Landesleistungsgesetzen oder anderen
Landesregelungen beruhen, wird überprüft.
Dabei
sind die bundesweiten Standards Orientierungsmaßstab. Die Leistungsgesetze des
Landes werden durch ein Haushaltsentlastungsgesetz entsprechend geändert.
- Alle
übrigen Rechtsvorschriften werden daraufhin überprüft, ob sie zwingend
erforderlich sind und ob sie Ausstattungsvorsprünge gegenüber dem Durchschnitt
der Bundesländer beinhalten. Dabei sollen sowohl deren aktivierende (bzw.
deaktivierende) Wirkung auf die Bürgerinnen und Bürger als auch ihre
Erforderlich-, Rechtmäßig- und Wirksamkeit sowie der Vollzugs- und
Kostenaufwand evaluiert werden.
- Kein
Politik- und kein Verwaltungsbereich wird von notwendigen Prüfungen, Kürzungen
und Umstrukturierungen - bei Wahrung der Prioritäten - ausgenommen.
Berlin muss die eigenen Kräfte
mobilisieren. Haushaltskrise bedeutet nicht Handlungsunfähigkeit.
Auch in Zeiten strenger
Konsolidierung lassen sich Schwerpunkte setzen und gestalten. Für eine
derartige Schwerpunktsetzung setzen sich die Koalitionspartner ein;
insbesondere für Schwerpunktsetzungen in die Zukunft.
Nur ein konsolidierter Haushalt
vermag die finanziellen Spielräume zu schaffen, die notwendig sind, um auch die
Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Mit anderen Worten: Die
Flexibilität des Haushalts muss wiederhergestellt werden.
Nur ein konsolidierter Haushalt
schafft das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staatswesens, das notwendig
ist, damit dauerhaft die Wirtschaftskraft am Standort wachsen kann.
Ein konsolidierter Haushalt ist ein
Haushalt, der nicht den Kindern und Enkeln die Lasten unseres heutigen Lebenswandels
überantwortet.
20. Modernisierung der Verwaltung
Modernisierung der Berliner Verwaltung:
Leistungssteigerung und Kostensenkung
Verwaltungsmodernisierung,
innere Verwaltungsreform und Haushaltskonsolidierung werden von den
Koalitionspartnern als eng zusammengehöriger Prozess umgesetzt. Eine
Neuausrichtung der bisherigen Aktivitäten der Verwaltungsmodernisierung auf
einen ziel- und wirkungsorientierten Einsatz von Steuergeldern soll sowohl eine
nachhaltige Leistungssteigerung der Verwaltung als auch eine deutliche und
dauerhafte Kostensenkung bewirken.
Die Entwicklung des
Staats- und Verwaltungsverständnisses des Berliner öffentlichen Dienstes von
der gewährenden Behörde über den modernen Dienstleister zum Förderer der
aktiven Bürgergesellschaft ist das Projekt der nächsten Jahre.
Die
Informationsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger über die Möglichkeiten
des freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements sind zu verbessern. Auch die
Arbeit der Berliner Freiwilligenagentur ist in diesem Sinne sicherzustellen und
auszubauen.
Wir wollen ebenso die
Eigeninitiative und die Arbeit der freien Träger stärken. Dazu wird das System
der Zuwendungsgewährung an freie Träger auf den Abschluss von
Leistungsverträgen umgestellt.
Wo es sinnvoll und
kostengünstig ist, werden Aufgaben auf Initiativen, Vereine, freie Träger und
private Stiftungen übertragen. Verwaltungsstellen werden sich, soweit sie noch
nötig sind, auf die Wahrnehmung der Steuerungsaufgaben und die Prüfung der
Leistungsfähigkeit der Anbieter konzentrieren.
Es ist ein systematisches
Vertrags-Controlling aufzubauen. Dieses Steuerungsinstrument ist auch auf die
nachgeordneten Bereiche der Senatsverwaltungen auszuweiten.
Verwaltung ist
Dienstleistung am und für den Bürger, der ein Recht auf die schnelle,
kompetente und freundliche Behandlung seiner Anliegen hat.
Die Möglichkeiten der
elektronischen Medien (e-Government) müssen in der Interaktion mit Bürgern und
der Wirtschaft für eine deutliche
Verbesserung des Services sowie innerhalb der Verwaltung für einen deutlichen
Rationalisierungsschub genutzt werden. Der Senat legt dazu einen Masterplan
vor, der die einzelnen Projekte und Handlungsfelder beschreibt.
Ein einheitlicher
Internet-Auftritt der Berliner Verwaltung, der informiert sowie Interaktion und
Partizipation ermöglicht, wird ausgebaut.
Landesweit wird ein
einheitliches telefonisches Auskunfts- und Vermittlungssystem (Call-Center)
aufgebaut. Sowohl für das e-Government als auch für die Call-Center u.a. sind
statt teurer Neuentwicklungen fortgeschrittene technische Lösungen anderer
Städte zu nutzen.
Die Berlinerinnen und
Berliner müssen einen besseren Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen
erhalten. Wir wollen in dieser Legislaturperiode in allen Bezirken die Zahl der
Bürgerämter auf mindestens 60 erhöhen und ihre Aufgaben und die technische
Ausstattung so gestalten, dass möglichst viele Bürgerangelegenheiten dort
abschließend und in einer Hand bearbeitet werden können. Das Leistungsspektrum
der Bürgerämter ist der konkreten Nachfragesituation im Stadtteil anzupassen;
dies gilt auch für den Umfang der Angebote und die Öffnungszeiten.
Die Regelungen des
Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetzes (VGG) zur Einführung von
Wettbewerbselementen im öffentlichen Dienst sind unverzüglich umzusetzen. Dies
gilt auch für die verwaltungsinternen Serviceeinheiten, die gegenüber den
Leistungs- und Verantwortungszentren als ihren Auftraggebern jährlich ihre
Wirtschaftlichkeit (auf der Basis von Entgeltvereinbarungen, die einen Kosten-Nutzen-Vergleich
zu Dritten ermöglichen) nachzuweisen haben und die nicht als zentrale
Abteilungen zu führen sind. Es bedarf eines öffentlichen Wettbewerbs, der die
Qualität der Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger ermittelt
(»Behörden-Wettbewerb«).
Die Einhaltung der
Verpflichtung zum Interessenbekundungsverfahren (LHO) ist zu kontrollieren. Bei
Verstößen sind Sanktionen vorzusehen.
Struktur der öffentlichen Verwaltung
in Berlin
Ohne eine radikale
Aufgabenkritik wird die öffentliche Verwaltung in Berlin unter dem Druck der
notwendigen Haushaltskürzungen handlungsunfähig. Die Verwaltungsreform hat mit
dieser Aufgabe ihre Bewährungsprobe zu bestehen.
Die Geschäftsbereiche
des Senats und die jeweils korrespondierenden Bereiche der Bezirksverwaltungen
haben dazu bis Frühjahr 2002 gemeinsam eine Aufgaben- und Strukturkritik mit
Hilfe intern/extern besetzter Revisionsgruppen durchzuführen. Ziel ist es vor
allem, die Aufgaben abzuschätzen, die zwingend noch in öffentlicher Verwaltung
wahrgenommen werden müssen (Kernaufgaben).
Bei der Übertragung von
Aufgaben an Dritte muss ausgewiesen werden, welche Stellen in der öffentlichen
Verwaltung wegfallen müssen, um einen Bürokratie- und Kostenanstieg zu
vermeiden. Qualitätssteigerung, Kostensenkung und Bürokratieabbau müssen
gewährleistet werden (Qualitätssicherungsmanagement).
Aufgrund dieser
Potenzialabschätzung legt der Senat ein Sanierungs- und Modernisierungsprogramm
für die öffentliche Verwaltung vor.
Bezirke und
Hauptverwaltung erhalten dadurch feste finanzielle Zielvorgaben und
Planungssicherheit. Diese Zielvorgaben berücksichtigen das abgesenkte Personal-
und Sachmittelvolumen. Sie verpflichten die Verwaltungen - nach einheitlichen
methodischen Vorgaben und mit Hilfe der internen/externen Revisionsgruppen - zu
systematischer Einzelaufgaben- und Vorschriftenkritik, zur Entwicklung neuer
fachlicher Zielvorgaben sowie neuer Aufbau- und IT-Strukturen und zur
Optimierung aller Geschäftsabläufe (Prozessoptimierung).
Die Verlagerung von
Aufgaben, die nicht zentral zu erledigen sind, in die Bezirke wird fortgesetzt.
Dabei gilt das Konnexitätsprinzip.
Landesämter bleiben nur
bei Nachweis der unbedingten Notwendigkeit der Aufgaben bestehen. Anderenfalls
werden sie aufgelöst.
Alle verbleibenden
öffentlichen Aufgaben, deren Erledigung einen betrieblichen Charakter hat, sind
in entsprechenden Organisationsformen mit kaufmännischem Rechnungswesen
wahrzunehmen, durch das die Kostenstruktur der Aufgabenwahrnehmung im
Vergleich zu anderen Anbietern ermittelt werden kann.
Die Steuerung der
Personalausgaben erfolgt spätestens ab 2003 über Globalmittel (“Geld statt
Stellen“). Grundlage dafür sind eine realistische Veranschlagung der Personalausgaben
statt wirklichkeitsfremder Durchschnittssätze, der Verwaltungsgliederung (bis
auf die Referatsebene) angepasste Beschäftigtenpläne und eine Berücksichtigung
der Versorgungsbelastungen bei den Beamtenbezügen. Geprüft wird die Ausweisung gemeinsamer Stellen für
Beamte und Angestellte (“Schrägstrich-Stellen“). Solange die bundesgesetzlichen
Änderungen noch nicht vorliegen, werden die Stellen weiterhin ausgewiesen.
Das Globalsummensystem
wird unverzüglich auch bei der Hauptverwaltung zur Finanzmittelzuweisung
angewandt. Die betriebswirtschaftlichen Instrumente zur Kostenermittlung und
-steuerung werden in allen Bereichen - auch den ministeriellen - eingeführt.
Die Berliner Verwaltung
wird auf dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung mit einer Steuerung über
Ziel- und Projektvereinbarungen ausgerichtet. Dieses gilt sowohl im Verhältnis
zwischen den Behördenleitungen und den Führungskräften mit
Ergebnisverantwortung als auch beispielsweise im Verhältnis zwischen den
Senatsverwaltungen und den nachgeordneten Behörden. Die bisherige Dienst- und
Fachaufsicht über nachgeordnete Behörden hat sich auf die politische Steuerung
und Aufsicht zu beschränken und die dezentrale Ressourcenverantwortung zu
gewährleisten. Es wird ein verbindliches Finanz- und Ergebniscontrolling
installiert.
Bei Nichtanwendung der
Festlegungen zur dezentralen Ressourcen- und Ergebnisverantwortung, zu den
Zielvereinbarungen sowie zu den betriebswirtschaftlichen Reforminstrumenten
(einschließlich Interessenbekundungsverfahren) und zum Personalmanagement -
werden die Zuweisungen gekürzt.
Umsetzung des frauen-
und gleichstellungspolitischen Perspektivenwechsels bei der
Verwaltungsmodernisierung
Der öffentliche Dienst ist nicht nur
der größte Berliner Arbeitgeber, sondern auch der größte Leistungsanbieter für
Frauen. Aus dieser besonderen Verantwortung heraus muss der öffentliche Dienst
Fraueninteressen umfassend berücksichtigen und steht in besonderer
Verantwortung für die Umsetzung des Gender-Mainstreaming. Als unverzichtbarer
Bestandteil der Berliner Verwaltungsmodernisierung ist Gender-Mainstreaming im
Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz zu verankern und somit in den Zielkatalog
der Verwaltungsmodernisierung aufzunehmen.
Auf allen Feldern der
Verwaltungsmodernisierung, von der Aufgabenkritik über das Personalmanagement
bis zur paritätischen Besetzung ihrer Steuerungsgremien, gilt es, die
Zielsetzung der Geschlechtergerechtigkeit zu beachten und das
Landesgleichstellungsgesetz konsequent umzusetzen.
Die
Finanzmittelzuweisungen für die Bezirke und die Hauptverwaltung in Form von
Globalsummen stützen sich schrittweise und vom Haushalt 2005 an vollständig auf
konkrete Zielvorgaben, Erkenntnisse des ziel- und wirkungsorientierten
Controllings und die Ergebnisse der Kosten- und Leistungsrechnung
(ergebnisorientierte Budgetierung).
Die Budgetierung ist zu
einem Instrument des Leistungsvergleichs und des Wettbewerbs fortzuentwickeln.
Sie ist mit einem Zielsystem zu verbinden, so dass neben einem an Mengen orientierten
Controlling auch ein ziel- und wirkungsorientiertes Controlling (vergleichbar
mit dem Pilotbereich »IdA«) möglich wird. Zur Sicherstellung der politischen
Steuerung sind die Produkte zu überarbeiten.
Der Produktkatalog ist zu
vereinfachen und an Ergebnis- bzw. Wirkungsziele zu binden. Bei der
Überarbeitung ist sicherzustellen, dass die gebildeten Kostenträger in ihrer
Differenzierung die Verwaltungsleistung klar beschreiben und so in Gruppen und
Bereiche zusammengefasst werden, dass sie für die politische Steuerung
handhabbar sind.
Für jede
Organisationseinheit wird dazu ein systematisches Fach- und Finanzberichtswesen
mit den wesentlichen steuerungsrelevanten Kennzahlen aufgebaut, die sich
ihrerseits an den Adressaten bzw. der Wirkung des Verwaltungshandelns
orientieren.
Die
Finanzmittelzuweisungen und die Mittelverwendung werden mit dem Haushaltsplan
2004 in einem kostenträgerbezogenen Haushalt abgebildet, der neben dem
titelbezogenen Haushalt dem Abgeordnetenhaus zur Beschlussfassung vorgelegt
wird.
Zur Unterstützung der
fristgerechten und flächendeckenden Modernisierung der Verwaltung soll der
Senat im Jahr 2002 ein Anreiz- und Sanktionssystem einführen.
Personalentwicklung und Personalüberhang
Personal- und Organisationsentwicklungsplanung
sowie Aufgabenkritik sind miteinander zu verzahnen. Es ist eine strategische
Personal- und Organisationsentwicklungsplanung zu entwickeln. Die Verantwortung
für die operative Personal- und Organisationsentwicklungsplanung liegt bei den
Leistungs- und Verantwortungszentren bzw. den Service-Einheiten.
Optimierung der
Reformgremien des Senats
In der
Geschäftsverteilung des Senats sind die Verantwortlichkeiten hinsichtlich der
Neuordnung der Verwaltung klar zu regeln. Die beiden Querschnittsbereiche
Senatskanzlei und Senatsverwaltung für Finanzen nehmen im Verwaltungsprozess
gemeinsam eine Trägerrolle ein (sog. Tandemprinzip). Sie nehmen zusammen das
Maßnahmenmanagement und -controlling wahr. Dazu dient ein Lenkungsgremium, in
dem auch die Beschäftigten und die Bezirke vertreten sind.
Berlin bewegen -
Wirtschaftspolitik für eine attraktive, zukunftsfähige und weltoffene Metropole
im Herzen Europas
Berlin steht vor enormen Herausforderungen und ist
zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung dabei, seine Rolle als Hauptstadt der
Bundesrepublik Deutschland im Herzen Europas zu finden. Dabei birgt das Land
große Chancen und Entfaltungsmöglichkeiten, die es zu nutzen und gezielt zu
fördern gilt.
Der Wirtschaftspolitik kommt in Berlin die
Schlüsselrolle zu, Gestaltungsfreiräume im Haushalt durch die Stärkung
selbsttragender Wachstumskräfte wieder zu gewinnen. Dabei muss berücksichtigt
werden, dass das Schicksal Berlins mit dem weltweiten Strukturwandel verknüpft
ist. Dieser Wandel beinhaltet nicht nur materielle Ressourcen, sondern macht
insbesondere Wissen und die intelligente Anwendung von Wissen zum stärksten
Wachstumskapital. Das Kapital, auf dem aufgebaut werden muss und kann, sind
daher die Berlinerinnen und Berliner selbst, Frauen wie Männer, Deutsche wie
Immigrantinnen und Immigranten, Menschen aus Ost und West. Berlin muss sich
dabei den Herausforderungen einer allgemein konstatierten Innovations- und Investitionsschwäche
stellen.
Oberstes Ziel der Wirtschaftspolitik ist die
Mobilisierung von Wachstumskräften in der Stadt zur Sicherung bestehender und
zur Schaffung zukunftsfähiger neuer Arbeitsplätze. Hierzu muss ein
unternehmensfreundliches Klima geschaffen werden, um mehr Unternehmen für die
Stadt zu gewinnen. Die in der Stadt
vorhandene Lücke zwischen der Erarbeitung innovativer Konzepte und ihrer
praktischen Umsetzung muss geschlossen werden. Bestandspflege und -entwicklung,
Existenzgründungsförderung sowie eine moderne Unternehmensansiedlungspolitik
auch im Sinne eines sozial-ökologischen Strukturwandels müssen Priorität haben.
Wir werden die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Berlin verbessern.
Berlin muss sich als ein moderner Dienstleistungsstandort in der gemeinsamen
Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg profilieren und verstärkt auf Unternehmen
in Zukunftsbranchen setzen. Die
Stabilisierung der industriellen Produktion in der Stadt spielt dabei
eine entscheidende Rolle, denn moderne Dienstleistungsstrukturen brauchen eine
industrielle Basis.
Dabei setzen wir auf wachstumsträchtige
Kompetenzfelder, in denen sich Berlin bereits erfolgreich etabliert hat oder
eine gute Chance zur Etablierung besitzt, außerdem auf die Modernisierung des
öffentlichen Sektors, auf die Weltoffenheit Berlins und vor allem auf eine
breitere und engere Vernetzung der vorhandenen und neuerworbenen Kompetenzen.
Besonders wichtig wird die Entwicklung der
Wachstumschancen in den Feldern mit überregionaler Bedeutung. Hierzu gehören
vor allem:
·
die
konsequente Nutzung des Potenzials, Berlin zu einem innovativen und
wissensgeprägten Wirtschaftsstandort mit Weltgeltung zu entwickeln,
·
die
Fusion der Länder Berlin und Brandenburg. Sie soll im Jahr 2009 realisiert
werden, um die Entwicklungschancen des gemeinsamen Wirtschaftsraums optimal zu
nutzen,
·
die
Nutzung der sich aus der Osterweiterung der EU ergebenden Chancen vor allem im
Hinblick auf die Erschließung künftiger Märkte,
·
die
Realisierung des Flughafens Berlin-Brandenburg International und die damit
verbundene Umsetzung des Konsensbeschlusses als eine zentrale Voraussetzung für
die Entwicklung der Region als Wirtschaftsstandort,
·
die
Sicherung des Finanzplatzes als wesentlichen Standortfaktor für die Stadt,
·
die
Umsetzung der Interessen Berlins bei der Bildung der Neuen Kraft im
Energiesektor und die Ansiedlung der Konzernzentrale in Berlin,
·
die
Entwicklung Berlins auf den ökologischen Zukunftsmärkten.
Wirtschaftspolitik
für Berlin bedeutet die Setzung von Prioritäten und den zielgerichteten
Ausbau vorhandener Stärken.
Die Stadt des Wissens stärken
Berlin bietet gute Standortfaktoren
für Unternehmen. Berlin verfügt über qualifizierte Arbeitskräfte, eine
ausgezeichnete Wissenschaftslandschaft, Gewerbe-, Büro- und Wohnflächen zu
günstigen Konditionen, ein attraktives Kultur- und Freizeitangebot. Die
Berliner Verwaltung muss sich wesentlich stärker als bisher auf ihre
Servicefunktion gegenüber Investoren und Unternehmen orientieren. Dafür müssen
Zuständigkeiten gebündelt, strukturelle Investitionshemmnisse abgebaut und
Verfahrensfragen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Ziel der Anstrengungen
ist der Aufbau einer serviceorientierten Verwaltung, die idealerweise das Know How
der Wirtschaftsförderung (national und international) bündelt, kompetenter
Ansprechpartner in Fragen von Ansiedlungen, Unternehmensgründungen und
-erweiterungen sowie von Flächenmanagement ist und Unternehmen
problemlösungsorientiert (Qualifizierung, Markterschließung,
Liquiditätsprobleme) zur Seite steht.
Zukunftschancen nutzen
Berlins Zukunft liegt in den wissensbasierten Wirtschaftszweigen. Wir
werden deshalb in besonderem Maße die
Stärkung, Ansiedlung und Existenzgründung in den Zukunftsbereichen Medien- und
Kommunikationswirtschaft, Medizin- und Biotechnologie, Optische Technologie,
Verkehrstechnik und Umwelttechnik voranbringen.
Der Senat wird binnen sechs Monaten Strategien zur Sicherung und zur
Stärkung dieser Kompetenzfelder und der dazugehörigen Netzwerke erarbeiten und
sie dem Parlament zur Beratung vorlegen. Der vom Abgeordnetenhaus beschlossene
Landesinnovationsbericht wird zu einem aussagefähigen Leistungs- und
Rechenschaftsbericht ausgebaut. Damit hat das Abgeordnetenhaus Einfluss auf die
Zielkontrolle der für Innovationspolitik vom Land bereitgestellten Mittel.
Der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Adlershof
und der Bio-Medizincampus Buch werden aufgrund ihrer besonderen wirtschafts-,
wissenschafts- und stadtpolitischen Bedeutung auch infrastrukturell mit dem
Ziel der Sicherung der Attraktivität des Standorts weiterentwickelt. Wir werden zukünftig eine engere Verknüpfung
von Wirtschaft und Wissenschaft sicherstellen. Es sollen hochschulnahe Standorte
für technologie-orientierte Unternehmen entwickelt werden (wie zum Beispiel das
Oskar-Helene-Heim). Technologie- und Gründerzentren bieten gute Startchancen
für junge innovative Unternehmen und sollen weiterhin unterstützt werden.
Die Koalitionspartner sind der Auffassung, dass angesichts der Situation
der Gemeindefinanzen eine grundsätzliche Reform der Finanzierung der Kommunen
unerlässlich geworden ist. Dies zeigen aktuelle Verwerfungen der
Gewerbesteuereinnahmen einerseits und die massive Ungleichbehandlung der
Gewerbesteuerpflichtigen andererseits. Eine Reform der Gemeindefinanzen sollte
das Ziel verfolgen, den Interessen von Gewerbetreibenden, Bürgern und Kommunen
gerecht zu werden. Die Koalition unterstützt daher die Bereitschaft der
Bundesregierung, in einer Kommission unter Beteiligung des Bundes, der Länder
und der Kommunen sowie Wirtschaft und
Wissenschaft Anfang 2002 eine verfassungskonforme Reform der Gewerbesteuer zu
erreichen. Angesichts der notwendigen Haushaltskonsolidierung bleibt der
gegenwärtige Gewerbesteuerhebesatz unverändert.
Unternehmensbeteiligungen
Die Weiterentwicklung und Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit der Anstalten des öffentlichen Rechts - nach dem
Betriebegesetz Berliner Verkehrsbetriebe, Berliner Stadtreinigungsbetriebe,
Berliner Wasserbetriebe und Berliner Hafen- und Lagerhausbetriebe - ist angesichts der Öffnung des
europäischen Marktes unverzichtbar. Ihre Innovationsfähigkeit und Kompetenz
sind für den Wirtschaftsstandort Berlin zu sichern und zu entwickeln. Dabei
setzt der Senat auch auf privatwirtschaftliches Engagement. Er wird deshalb
Wege beschreiten, die gleichermaßen geeignet sind, die Rechte der Beschäftigten
zu wahren, der Stärkung der Innovationsfähigkeit und Kompetenz in den
Wirtschaftsfeldern zu dienen als auch die Einführung des europäischen
Wettbewerbs für die Interessen Berlins zu nutzen. In diesem Sinne werden die
Interessen des Landes Berlin in Gewährsträgerversammlungen und Aufsichtsräten
der Anstalten des öffentlichen Rechts intensiver wahrgenommen und durch ein
professionelles Beteiligungsmanagement und -controlling unterstützt, das, wie
bei den sonstigen Beteiligungen des Landes, u.a. die Arbeit der
Aufsichtsgremien qualifizieren soll, ihre Kontrollmöglichkeiten verbessert und
den zuständigen Fachverwaltungen Unterstützung bei der Entwicklung
mittelfristiger Unternehmenskonzepte anbietet.
Ausreichendes Flächenangebot
Industriebetriebe brauchen dort, wo sie sich neu ansiedeln oder
erweitern wollen, geeignete und preiswerte Flächen. Sie müssen zusätzlich an
ihren angestammten Standorten vor Verdrängung geschützt werden. Mit dem zu überarbeitenden Entwicklungskonzept für den
produktionsgeprägten Bereich sind weiterhin Industrieflächen vor
preissteigernden Umnutzungsbegehren zu sichern sowie die industrielle und
industrienahe Nutzung im Interesse der standortgerechten Wirtschaftsentwicklung
zu fördern.
Zur Unterstützung von An- und Umsiedlungen von Berliner Unternehmen wird
die Vergabe von öffentlichen Grundstücken erleichtert und an marktübliche
Gepflogenheiten angepasst. Bei der Veräußerung von Grundstücken über den
Liegenschaftsfonds sind neben fiskalischen auch gleichberechtigt wirtschafts-
und stadtentwicklungspolitische Aspekte zu berücksichtigen.
Neuausrichtung der
Wirtschaftsförderung
Wir werden eine zentrale Anlaufstelle für Investoren in Berlin schaffen,
die auf der Arbeit der Investorenleitstelle aufbaut. Sie wird über alle
Informationen verfügen, die für Investoren relevant sind: Von Fragen der
Genehmigung von Bauvorhaben über Möglichkeiten der Wirtschaftsförderung wie
Bereitstellung von Grundstücken bis zu Investitionszuschüssen oder
Möglichkeiten der Innovationsförderung. Die Anlaufstelle wird personell
entsprechend ausgestattet und so in die Lage versetzt, Investitionsvorhaben zu
begleiten und zu deren Beschleunigung beizutragen.
Alle Regulierungen des unternehmerischen Handelns
müssen auf den Prüfstand und auf das wirklich Erforderliche reduziert werden.
Genehmigungsverfahren müssen hinsichtlich ihrer Dauer und ihrer
Verlässlichkeit optimiert werden. Bei
komplexen Vorhaben werden Genehmigungskonferenzen durchgeführt, bei denen die
beteiligten Behörden an einem Tisch sitzen.
Die Investitionsbank Berlin (IBB) muss sich zur
leistungsfähigen, eigenständigen Landesstrukturbank Berlins entwickeln, die
nicht nur die unternehmensbezogenen Förderprogramme des Landes bündelt, sondern
insbesondere auch als Dienstleister und zentrale Beratungsstelle für
Unternehmen dient. Die Förderprogramme und die Abwicklung durch die IBB müssen
im Hinblick auf ihre Effizienz und Transparenz überprüft und gegebenenfalls an
die Bedürfnisse der Unternehmen angepasst werden.
Im Hinblick auf den Wegfall der Gewährträgerhaftung
ist ein Konzept zur Schaffung der Eigenständigkeit für die IBB zu erarbeiten.
Es ist die Absicht der Koalition, eine stärkere und effizientere
Kooperation und Zusammenarbeit mit Partner für Berlin, der Berlin Tourismus
Marketing GmbH, der BAO, der
Technologiestiftung Innovationszentrum Berlin und der
Wirtschaftsförderungsgesellschaft sicherzustellen. Hierzu ist binnen drei
Monaten ein Konzept vorzustellen, das eine effiziente Verzahnung der
Organisationen und eine dienstleistungsorientierte Ausrichtung auf die
Bedürfnisse der Unternehmen im Sinne einer one-stop-agency gewährleistet.
Um den strukturellen Wandel voranzutreiben ist auch Förderpolitik an den
Erfordernissen der ''Stadt des Wissens'' auszurichten. Stärkung der
wissensbasierten Infrastruktur, Investitionen in die Kompetenz von Menschen,
Stärkung der Kooperationsfähigkeit der Unternehmen mit Wissenschaft und
Hochschulen, Vernetzung der Unternehmen als Bietergemeinschaften auf
internationalen Märkten und Stärkung von Dienstleistungsorientierung und
Servicekooperationen sind Ziele moderner Förderpolitik. Die Wirtschaftspolitik
setzt auf einen ausgewogenen Mix aus Infrastrukturförderung und
unternehmensbezogener Förderung. Dadurch wird die Infrastrukturförderung
stärker gewichtet. Zur Optimierung des
Mitteleinsatzes ist ein professionelles Controlling im Zusammenhang mit einer
frühzeitigen Festlegung der zu fördernden Projekte einzurichten.
Die Programme der Innovationsförderung werden fortgeführt und den sich
verändernden Anforderungen angepasst. Ein Innovationsförderprogramm zur
“Entwicklung ökologischer Zukunftsmärkte” wird aus Mitteln des EFRE-Fonds
eingerichtet.
Die neuen Möglichkeiten der GA, Maßnahmen wie Coaching oder
Managementberatung zur Behebung von Innovationsschwächen zu fördern
(GA-nichtinvestive Förderung), sind zu nutzen und auszubauen. Außerdem wird der
Senat die Möglichkeit einer Bundesratsinitiative prüfen, die die Festlegungen
der GA bzgl. ihres Investitions- und Infrastrukturbegriffs erweitern soll.
Die Bundes- und EU-Mittel werden in erster Linie zur Förderung der
Kompetenzfelder und zur Unterstützung von Erweiterungsinvestitionen eingesetzt.
Die Landesrichtlinien der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsstruktur
sind entsprechend bis Ende 2002 zu überarbeiten. Die Wirtschaftsförderprogramme
werden auf ihre Wirksamkeit überprüft und gestrafft. Das Förderkonzept wird
dementsprechend fortgeschrieben.
Nachhaltigkeitsziele werden in der Wirtschaftsförderung größeres Gewicht
erhalten. Auf dieser Grundlage wird auch die für die EU-Strukturfonds Mitte
2003 vorgesehene Möglichkeit zur Änderung der Programmausrichtung genutzt.
Alle Wirtschaftsförderprogramme
werden auf ihre Wirksamkeit zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit hin
analysiert. Die Ausreichung der Mittel und die Gestaltung der Förderbedingungen
werden auf der Grundlage dieser Evaluierungsergebnisse - auch unter
geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten - entsprechend überarbeitet oder neu
gestaltet.
Die Vorgaben zur Chancengleichheit
von Frauen in den europäischen Strukturfonds wird Berlin als zentrale
Förderungsvoraussetzung konsequent erfüllen. Dabei müssen insbesondere die
Interventionen des EFRE aus gleichstellungspolitischer Sicht evaluiert und das
Kriterium der Chancengleichheit angemessen umgesetzt werden.
Die Programme für
Existenzgründerinnen werden wir unter Nutzung der Kompetenzen des
Expertinnenberatungsnetzes, der Berliner Gründerinnen- und
Unternehmerinnennetzwerke und über Mentoring-Ansätze gezielt unterstützen.
Zur Förderung des
Unternehmerinnengeistes werden Coaching-Modelle von Unternehmerinnen sowie von
Gründerinnen- und Unternehmerinnenzentren besonders unterstützt.
Regionale Wirtschafts- und
Beschäftigungspolitik stärken
Nach der gerade vollzogenen Bezirksreform ist es
dringend notwendig, mehr Verantwortung auf die lokalen Ebenen und deren Akteure
zu delegieren. Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit der Entscheidungen sind
angesagt. Eine wirkungsvolle Politik, die soziale Strukturen ausbaut und auf
ein solidarisches Miteinander setzt, kann nur dadurch gelingen, dass geeignete
Formen der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden, Wirtschaft und
allen anderen Interessengruppen auf gesamtstädtischer Ebene und in den
Stadtteilen verankert werden.
Ein bereits existierender guter und richtiger Ansatz sind hier die
bezirklichen Bündnisse für Wirtschaft und Arbeit, zu deren Finanzierung auch
EFRE-Mittel zur Verfügung stehen und in denen vor allem die in den letzten
Rahmenplänen der GA eingeforderte Verknüpfung von Mitteln der GA und der
Arbeitsmarktpolitik umgesetzt werden muss.
Handwerk, kleine und mittlere
Unternehmen
Mittelstand und Handwerk sind in
besonderem Maße Impulsgeber für den Wirtschaftsstandort Berlin. Sie sichern in
Berlin über 70% der Arbeitsplätze und 80% der Ausbildungsplätze.
Die kleinen und mittleren Unternehmen stehen aber auch besonderen
Herausforderungen gegenüber. Sich schnell wandelnde Märkte verlangen nach
Innovationen. Die Erweiterung der Europäischen Union nach Mittel- und Osteuropa
bietet Chancen, aber auch erhöhten Wettbewerbsdruck. In vielen Unternehmen
stehen Nachfolgeprobleme auf der Tagesordnung. Insbesondere im Baubereich
vernichtet Schwarzarbeit zahlreiche reguläre Arbeitsplätze.
Der Senat wird Mittelstand und Handwerk darin unterstützen, die Aufgaben
der Zukunft zu meistern. Dazu gehört die Hilfe bei der Modernisierung von
Betrieben, die Sicherstellung einer kleinteiligen und Fachlosvergabe bei
öffentlichen Aufträgen, die termingerechte Begleichung von fälligen Rechnungen
und die konsequente Verfolgung von Schwarzarbeit. Gemeinsam mit der IHK und der
Handwerkskammer werden wir eine unabhängige Stelle einrichten, die Beschwerden
bei der Abrechnung von öffentlichen Aufträgen nachgeht, auf Wunsch auch
vertraulich.
Die verschiedenen Förderprogramme der Wirtschaft müssen mit folgender
Zielsetzung überarbeitet werden:
·
Verbesserte
Abstimmung der verschiedenen Förderprogramme für Existenzgründer und KMU
·
Die
Einführung eines Kleinstkredit-Programms für Berlin ist dringend notwendig. Der
Senat wird dafür sorgen, dass vorrangig Mittel der Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW) und Deutschen Ausgleichsbank (DtA) für dieses Programm
eingesetzt werden.
·
Finanzierung
von Wachstumsschritten von Kleinstunternehmen
Ein bisher nicht ausreichend genutztes Potential der
Berliner Wirtschaft sind die Existenzgründer/innen und Unternehmer/innen, die
nichtdeutscher Herkunft sind. Deren Unternehmen sind ein wichtiger Faktor im
Berliner Wirtschaftsgeschehen, sie schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze. Der
Dialog mit diesen Unternehmern und ihre gezielte Unterstützung und Beratung
müssen intensiviert, ihre Bestrebungen, Ausbildungsplätze zu schaffen,
unbürokratisch und effizient unterstützt werden. Hierfür wird in der
Wirtschaftsverwaltung eine zentrale Ansprechpartnerin/ein zentraler
Ansprechpartner benannt. Die Wirtschaftsverwaltung wird auch im Einzelfall
stärker und enger mit der IHK, der Ausländerbehörde
und der Sozialverwaltung
zusammenarbeiten.
Die erfolgreiche Förderung »Meistergründungsprämie«
wird beibehalten.
Auf dieser Grundlage wird in Abstimmung mit der Handwerkskammer das
Handwerkeraktionsprogramm fortgeschrieben.
Hilfe für Unternehmen in Schwierigkeiten
Die Koalition wird sich verstärkt um die Bestandspflege der in der Stadt
ansässigen Unternehmen kümmern. Unternehmen, die in eine wirtschaftlich
schwierige Lage geraten sind, sollen zukünftig nicht nur liquiditätssichernde
Mittel nach genauer Prüfung erhalten, sondern auch Beratungshilfen für
notwendige Umstrukturierungsprozesse. Es ist zu prüfen, ob Betriebsräte durch
die Bereitstellung eines Betriebsrätefonds für Beratungsleistungen in die Lage
versetzt werden können, den Sanierungs- und Umstrukturierungsprozess aktiv zu
begleiten. Dies erhöht die Chancen für kooperative Lösungen zum Erhalt von
Arbeitsplätzen. Dafür werden Mittel aus dem Liquiditätsfonds eingesetzt.
Darüber hinaus wird geprüft, inwieweit Mittel der IBB für eine unter
marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten agierende
Sanierungsbeteiligungsgesellschaft bereitgestellt werden können.
Weltoffenes Berlin
Berlin muss seine Chancen gemeinsam
mit Brandenburg als politischer und wirtschaftlicher Standort im Herzen Europas
nutzen
Die Gestaltung des europäischen Binnenmarktes
und der Wirtschafts-, Wettbewerbs-,
Struktur- und Förderpolitik bestimmt wesentlich darüber, wie die
Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann. Sie ist ausschlaggebend für die
Entwicklung einer Strukturpolitik zur Stärkung des Standortes Berlin und einer
Entwicklung von wirtschaftlichen
Beziehungen vor allem zu den mittel- und osteuropäischen Ländern. Der Umsetzung
der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie kommt dabei eine besondere Bedeutung
zu. Berlin wird alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten ausschöpfen,
damit seine Handlungsspielräume erhalten bleiben. Der Wettbewerbskontrolle
kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da ein hochverschuldetes Land wie
Berlin durch einen Subventionswettlauf nur verlieren kann. Eine “Sicherung der
Daseinsvorsorge“ ist auch auf der Grundlage des europäischen Wettbewerbsrechts
möglich. Erforderlich dafür ist die Verfolgung öffentlicher Zielsetzungen durch
die Einhaltung von qualitativen Kriterien bei der Vergabe von Aufträgen.
Berlin als Brückenstadt zwischen Ost und West wird offensiv seine
Kompetenzen ausbauen. Hierzu gehört auch, dass Berlin seine Kompetenzzentren
und Potenziale in den Bereichen Wasser, Abfall, Verkehr, Wohnungswirtschaft
etc. stärkt. Die Koalition wird Kooperationen zwischen Berliner Verbänden,
Unternehmen und Partnern in den MOE-Ländern inhaltlich und logistisch
unterstützen und dort, wo es wirtschaftspolitisch möglich und nötig erscheint,
initiieren und ausbauen. Die Aktivitäten der Berliner Verwaltung und Wirtschaft
sind zu koordinieren.
Die historischen Bindungen zu Osteuropa, die ihren Niederschlag auch in
mannigfaltigen persönlichen Kontakten, spezifischen Regional-, Landes- und Sprachkenntnissen finden, werden
wir verstärkt für die Entwicklung der Berliner und der regionalen
Wirtschaftskraft nutzen und bestehende Städtepartnerschaften ausbauen.
Tourismus
Der Tourismus gehört zu den am stärksten wachsenden Wirtschaftsbereichen
in Berlin. Der Senat wird in enger Kooperation mit Brandenburg alle Chancen
wahrnehmen, den Tourismusstandort Berlin weiter zu entwickeln und auszubauen.
Dazu gehören die Aufstellung eines touristischen Wege- und Parkleitsystems,
hinreichende citynahe Parkplätze für Reisebusse, der Ausbau des Fahrrad- und Wassertourismus
und die Profilierung Berlins als Einkaufsstadt. Der Senat wird in enger
Kooperation mit Brandenburg ein Tourismus-Konzept für die Region
Berlin/Brandenburg erarbeit.
Das Land Berlin wird sich bei den Ladenöffnungszeiten weiterhin den
besonderen Anforderungen einer Metropole stellen und die vorhandenen Spielräume
konsequent nutzen.
Messe- und Kongressstadt
Der Senat wird die Voraussetzungen dafür schaffen,
Berlin nachhaltig als internationalen Messe- und Kongressstandort zu
etablieren. Bei der Messe Berlin GmbH werden der Umbau des Südbereiches und die
Aktivitäten zur Nutzung und Umgestaltung des nördlichen Messeumfeldes weiter
vorangetrieben. Voraussetzung ist, dass keine weiteren finanziellen Belastungen
auf den Landeshaushalt zukommen. Dies gilt auch für den geplanten Neubau der
Halle 26 als mögliches Medienzentrum für die Fussball-Weltmeisterschaft 2006.
Aus wirtschaftspolitischen Erwägungen bleibt die Steuerungskompetenz für die
Messe Berlin in der Hand des Landes. Dies schließt eine mögliche
Teilprivatisierung nicht aus.
Entwicklungszusammenarbeit als
landespolitische Aufgabe
Die Entwicklungszusammenarbeit ist ein wichtiger
Bestandteil der Landespolitik, dem angesichts des Globalisierungsprozesses
wachsende Bedeutung zukommt. Die Arbeit der Landesstelle für
Entwicklungszusammenarbeit wird daher auf der Grundlage der neuen Leitlinien
und in erweitertem Rahmen fortgeführt. Sie erstellt ein zweijähriges
Aktionsprogramm.
Um die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen in
der Entwicklungszusammenarbeit auf eine sichere Grundlage zu stellen, streben
die Koalitionspartner an, komplementäre Finanzierungsmöglichkeiten zu
erschließen. Geprüft werden sollen die Errichtung einer "Berliner Stiftung
Entwicklung" und die Einrichtung einer Umwelt- und Entwicklungslotterie.
Die Koalitionspartner prüfen, ob die Grundsätze zum
fairen Handel in die Verwaltungsrichtlinien des Landes aufgenommen werden.
Verbraucherpolitik als Teil einer
modernen Wirtschaftspolitik
Das Bewusstsein für Verbraucherschutz ist in Deutschland durch eine
Reihe von Lebensmittelskandalen gewachsen. Eine umfassende Verbraucherpolitik
geht allerdings weit über Ernährungsfragen hinaus. Verbraucherschutz ist eine
Querschnittsaufgabe. Vorsorgende Verbraucherpolitik umfasst deshalb den Schutz der
Gesundheit wie der Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch
die Herstellung von Chancengleichheit, Markttransparenz bis hin zum Schutz der
wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Stadtgüter als Modell ökologischer
Landwirtschaft entwickeln
Mit über 20.000 ha Grundfläche und
etwa 12.500 Rindern ist Berlin durch seine Stadtgüter Großgrundbesitzer und
größter Milcherzeuger Deutschlands. Ziel des Senats ist es jetzt, privaten
Sachverstand und privates Kapital für die Stadtgüter zu gewinnen. Der Senat
setzt sich dabei das Ziel, die Stadtgüter verstärkt am ökologischen Landbau und
an artgerechter Tierhaltung zu orientieren. Die Vergabe von Betriebsanteilen
der Stadtgüter an Private erfolgt unter Berücksichtigung der Ergebnisse der
Machbarkeitsstudie und im Einvernehmen mit dem Ressort Stadtentwicklung.
22. Wissenschaft/Forschung
Die Hochschulverträge haben sich als
geeignetes Instrument für die inhaltliche und strukturelle Entwicklung der
Hochschulen erwiesen. Damit haben die Hochschulen Planungssicherheit auch in
Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte. Wir streben die Ausweitung dieses
Instruments auf alle Hochschulen an, unabhängig, ob eine Kuratorialverfassung
vorliegt.
In Anspruch genommene
Lehrleistungen, die Anzahl der Studierenden generell und die Zahl der Studierenden,
die ihre Studienberechtigung nicht in Deutschland erworben haben, sollen dabei
eine verstärkte Rolle spielen und den Hochschulen einen starken Anreiz in
Richtung eines verbesserten Studienangebots geben. Ein entsprechendes Modell
ist rechtzeitig zu den Vertragsverhandlungen 2003 in Kooperation mit den
Hochschulen zu entwickeln. Wir erwarten, dass damit in Zukunft vor allem die
praxisnahe Ausbildung, insbesondere an Fachhochschulen, gestärkt wird.
Grundlage der Mittelzuweisungen
sollen hochschulübergreifend abgestimmte Kosten- und Leistungsrechnungen der
Hochschulen werden. Dabei sind auch die Kosten für staatliche Liegenschaften
und Mietkosten zu berücksichtigen.
Die in den Hochschulverträgen
vorgesehenen Leistungsberichte werden zu aussagekräftigen
Rechenschaftsberichten fortentwickelt. Der Rechenschaftsbericht wird dem
Abgeordnetenhaus zugeleitet. Damit hat das Abgeordnetenhaus Einfluss auf die
Kontrolle der laufenden Verträge und der zukünftigen Gestaltung der
Hochschulverträge.
Die Koalition wird eine zügige
Neufassung des Berliner Hochschulgesetzes vorbereiten. Ziel ist es dabei, die
Eigenständigkeit, Handlungsfähigkeit und Verantwortung der Hochschulen zu
stärken, um die Leistungsfähigkeit, Effektivität und wissenschaftliche
Exzellenz im internationalen Vergleich zu sichern. Die staatliche Verantwortung
nimmt das zuständige Mitglied des Senats im wesentlichen mit Hilfe von
Hochschulverträgen wahr. Diese bedürfen der Zustimmung des Abgeordnetenhauses.
Bei der Novellierung des BerlHG wird
sich der Gesetzgeber auf die Festsetzung von Rahmenbedingungen beschränken und
den Hochschulen Handlungsspielräume einräumen. Die zukünftige Gestaltung der
Leitungs- und Gremienstruktur erfolgt innerhalb der Hochschulen in der
Grundordnung, die in einem gruppenparitätisch besetzten Kollegialorgan
beschlossen wird. Den Hochschulen, die unter der Experimentierklausel
veränderte Leitungs- und Gremienstrukturen geschaffen haben, wird die
Fortführung dieser auch im Rahmen der Gesetzesänderung ermöglicht.
Die Landeskommission für die
Struktur der Universitäten wird aufgehoben, sobald im Rahmen der Novellierung
des BerlHG entschieden ist, in welchem Gremium Strukturentscheidungen im
Hochschulbereich abschließend festgelegt werden.
Die Koalition hält an der im
Berliner Hochschulgesetz festgeschriebenen Studiengebührenfreiheit fest.
Sie wird die Neufassung des Gesetzes
im Diskurs mit allen relevanten Gruppen dieser Stadt in Angriff nehmen.
Prüfungs- und Studienordnungen
sollen nicht mehr durch die Senatsverwaltung genehmigt werden, wenn dies durch
anerkannte Akkreditierungsagenturen oder Qualitätsverbünde geschehen ist. Im
Vorfeld dieser Akkreditierungsverfahren soll die Senatsverwaltung Studien- und
Prüfungsordnungen vorläufig zulassen, wenn davon auszugehen ist, dass das
Akkreditierungsverfahren erfolgreich durchlaufen werden kann.
Die Aufgaben der Senatsverwaltung
für Wissenschaft beschränken sich auf die Rechtsaufsicht, das
Vertrags-Controlling und bei der Fachaufsicht auf das unbedingt Notwendige.
Die melderechtlich bestehende
Verpflichtung, den Studienort als Hauptwohnsitz zu wählen, ergibt sich aus der
Organisationsform eines typischen Präsenzstudiums in Berlin. Dies wird als
Voraussetzung für das Studium in Berlin in das BerlHG aufgenommen. Ausnahmen
von dieser Auflage (Pendler, Pflege von Angehörigen am Heimatort etc.) werden
zugelassen.
Die äußerst schwierige finanzielle
Situation des Landes Berlin verlangt von den Hochschulen besondere
Anstrengungen, um in den nicht unmittelbar die wissenschaftlichen Leistungen
betreffenden Bereichen (Verwaltung, Liegenschaften) zu einer verbesserten
Kostenstruktur zu kommen.
Dazu dienen die Kosten- und
Leistungsrechnung, die Schaffung hochschulübergreifender Verwaltungs- und
Serviceeinrichtungen, wo dies sinnvoll ist, sowie die Bildung hochschuleigener
Servicegesellschaften unter möglicher Einbeziehung Dritter.
Mit den Hochschulverträgen und dem
neuen BerlHG haben sich auch die Aufgaben der Senatsverwaltung deutlich
verändert. Diese Veränderung muss sich in den Strukturen niederschlagen, so
dass sich die Senatsverwaltung genau wie die Hochschulen und das Studentenwerk
einer Aufgabenkritik und darauf folgend einer Struktur- und Organisationsreform
unterziehen muss.
Die Rechte der Beschäftigten werden
bei allen Maßnahmen ausreichend berücksichtigt.
Umstrukturierung der
Hochschulmedizin
Grundlage für die Entscheidungen der
Koalitionspartner zur Weiterentwicklung und Sicherung der Spitzenposition der
Hochschulmedizin in Berlin, die unter anderem in der gestiegenen
Drittmitteleinwerbung ihren Ausdruck findet, sind die Empfehlungen des
Wissenschaftsrates zur Entwicklung und Perspektive der Berliner
Hochschulmedizin und zur Organisation der Hochschulmedizin in Deutschland.
Die Struktur der Hochschulmedizin
muss sich in Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten des Landes, die
konsumtiven und investiven Aufwendungen bedarfsgerecht zu finanzieren,
verändern. Da die bisher vorgesehenen baulichen Investitionsmaßnahmen für die
beiden Universitätsklinika in der nächsten Legislaturperiode die Finanzkraft
des Landes übersteigen werden, müssen alternative Finanzwege zur Entlastung des
Landesetats genutzt werden.
Die Investitionsplanung der Charité
wird auf die dringend zu finanzierenden Bereiche konzentriert. Dabei ist in
2002 eine Entscheidung über das Bettenhochhaus zu treffen.
Die Koalition hält eine Straffung
der Strukturen in der Hochschulmedizin für erforderlich. Dazu gehören ein
weiterer Abbau von doppelt und mehrfach vorgehaltenen Kapazitäten in Forschung
und Lehre an den verschiedenen
Standorten. Künftig wird in Berlin nur noch ein gerichtsmedizinisches Institut
vorgehalten.
Die Koalition wird bis Herbst 2002
einen Gesetzentwurf vorlegen, mittels dessen Strukturveränderungen in der
Hochschulmedizin vorgenommen werden. Dabei werden die Empfehlungen des
Wissenschaftsrates mit einbezogen. Der Umstrukturierungsprozess wird durch eine
Expertenkommission begleitet. Der Wissenschaftsrat wird gebeten, Vorschläge für
die Mitglieder dieser Kommission zu unterbreiten.
Folgende Rahmenbedingungen sind zu
erfüllen:
·
Sicherung
und Weiterführung von leistungsfähigen Forschungsprojekten in Berlin
·
quantitative
und qualitative Sicherung der nach Unimed-Gesetz festgelegten Ausbildung im
Fach Humanmedizin und Zahnmedizin an den verbleibenden Standorten
·
Sicherung
der notwendigen Krankenversorgung durch das Klinikum Steglitz
·
Konzentration
und rasche Überprüfung der Investitionen im Bereich Hochschulmedizin im Rahmen
der strukturellen Grundsatzentscheidung
Im einzelnen sollen folgende
Veränderungen vorgenommen werden:
·
Die
medizinische Fakultät der FU wird aufgegeben.
·
Das
Universitätsklinikum Benjam Franklin wird in ein Versorgungskrankenhaus
umgewandelt. Dabei wird auch eine private Trägerschaft geprüft. Der dafür
notwendige Prozess soll mit dem Auslaufen der geltenden Hochschulverträge 2005
abgeschlossen sein.
Die Weiterentwicklung der
Organisationsformen im Lichte des verschärften Wettbewerbs und der
Veränderungen der Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen ist notwendig. Dabei
hält die Koalition daran fest, dass Lehre und Forschung weiterhin in
Trägerschaft der Universitäten bleiben.
Lehre und Forschung einerseits und
die Krankenversorgung andererseits sollen betriebswirtschaftlich und
administrativ klar getrennt werden. Dazu wird eine materielle Trennungsrechnung
auf der Basis getrennter Wirtschaftspläne für Forschung und Lehre unter der
Federführung der Fakultäten sowie eines Kassenbudgets für den Bereich der
Krankenversorgung verbindlich eingeführt.
Der Bereich der Krankenversorgung
wird darauf hin überprüft, ob mit dem Ziel erhöhter Wirtschaftlichkeit und
Transparenz weitere Teile förmlich ausgegliedert werden sollen. Dazu werden
entsprechende Vorschläge unterbreitet.
Das Management und die betrieblichen
Entscheidungen der Krankenhäuser sollen professionalisiert werden. Dabei sollen
die Klinikumsvorstände grundsätzlich durch hauptamtliche Funktionsträger auf
Zeit zusammengesetzt werden.
Die Koalition strebt an, dass
gegenüber privaten Leistungserbringern wettbewerbsfähige Tarif- und
Arbeitszeitmodelle verhandelt werden. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes
zur Arbeitszeit im Krankenhauswesen wird dabei berücksichtigt.
Studienbedingungen verbessern
Wir werden die Bedingungen dafür
schaffen, dass die Hochschullehre modernisiert, in ihrer Qualität verbessert,
die Studienzeiten verkürzt und flexible und differenzierte Angebote entwickelt
werden. Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen sowie
Leistungspunktsystemen soll forciert werden. Perspektivisch sollen
Studienordnungen im herkömmlichen Sinne durch modularisierte Studienangebote
ersetzt werden. Entsprechende Erprobungsmodelle werden initiiert.
Studierende sollen zielgerichtet und
effektiv studieren. Die Rahmenbedingungen dafür werden jedoch in erster Linie
durch die Hochschulen, das Land und den Bund geschaffen. Der Anreiz zur
Verbesserung der Studienbedingungen soll für die Hochschulen mit der
Fortentwicklung der Hochschulverträge geschaffen werden. Dabei sollen die
Hochschulen prüfen, inwiefern durch die Einführung von Mentorenprogrammen und
die Einführung von attraktiven Angeboten für Teilzeitstudierende das Entstehen
von sogenannten Langzeitstudierenden verhindert werden kann. Es werden größere
Anstrengungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Familie
unternommen werden müssen. Das betrifft auch die bedarfsgerechte
Angebotsgestaltung der Kinderbetreuung. Bei der Prüfung der Einhaltung der
Regelstudienzeit sind Erwerbstätigkeit, soziale Verpflichtungen und
ehrenamtliches Engagement zu berücksichtigen.
Um dieses Ziel zu verwirklichen,
soll den Hochschulen aber auch die Möglichkeit gegeben werden, Fristen zur
Erbringung von Studien- und Prüfungsleistungen festzulegen. Bei Nichteinhaltung
der Fristen trotz angemessener Studienbedingungen soll auch die Möglichkeit der
Exmatrikulation von Studierenden eingeräumt werden. Die insofern zur Klarstellung
erforderlichen Änderungen sind in die Neufassung des BerlHG aufzunehmen.
Über bereits jetzt gegebene
rechtliche Möglichkeiten hinaus wollen wir die Rolle und Verantwortung der
Hochschulen auch bei der Zulassung von Studierenden zu NC-Studiengängen stärken.
Im Landesrecht werden wir die Möglichkeiten schaffen, alternativ zu den
vorhandenen Instrumentarien neue Formen der Zugangsregelung zu schaffen.
Insbesondere ist zu prüfen, ob ein auf zwei Semester befristetes Probestudium
für einzelne Studiengänge eingeführt werden kann.
Internationalisierung der
Hochschulen befördern
Die internationale Attraktivität des
Wissenschaftsstandortes Berlin soll weiter erhöht werden. Durch Verbesserung
der Rahmenbedingungen für den internationalen Austausch ist die internationale
Kooperation zu stärken. Dies soll insbesondere erreicht werden durch
·
liberale
Anwendung des Ausländerrechts (im Zusammenwirken mit dem Innenressort),
·
Erhöhung
des Anteils internationaler Berufungen,
·
Nutzung
der politischen und wirtschaftlichen Chancen der EU-Osterweiterung durch
Förderung des wissenschaftlichen Austauschs mit dieser Region,
·
Förderung
der Durchführung internationaler wissenschaftlicher Veranstaltungen in Berlin
(im Zusammenwirken mit dem Wirtschaftsressort).
·
Berücksichtigung
der sprachbedingt verlängerten Fachstudienzeit von ausländischen Studierenden
bei den Leistungsindikatoren der Hochschulverträge.
·
Orientierung
bei der Zertifizierung von Studienleistungen und Abschlussprüfungen am
”European Transfer Credit System (ECTS)”.
·
Verbesserung
der Rahmenbedingungen für ausländische Studierende (Wohnraum, Betreuung,
Erwerbsmöglichkeiten).
Das Land Berlin unterstützt die Bundesregierung in ihrem
Bemühen, die arbeitsrechtlichen Bedingungen für nichtdeutsche Akademikerinnen
und Akademiker nach Abschluss ihres Studiums in Deutschland zu verbessern.
Förderung der Weiterbildung
Die Hochschulen werden aufgefordert, sich im Bereich der
wissenschaftlichen Weiterbildung stärker zu engagieren. Im Zusammenhang mit der
Reform der Erstausbildung und vor dem Hintergrund schneller wissenschaftlicher,
technischer und gesellschaftlicher Entwicklungen kommt dem lebensbegleitenden
Lernen größere Bedeutung zu. Die Hochschulen sollen durch entsprechende
Änderung rechtlicher Vorschriften auf dem Weiterbildungsmarkt konkurrenzfähig
gemacht werden und so zusätzliche Einnahmen erzielen können.
Ausbau der Fachhochschulen
Der geplante Ausbau der Fachhochschulen wird durch die
Koalition weiter vorangetrieben. Dabei wird eine enge Zusammenarbeit mit dem
Land Brandenburg in der Hochschulentwicklungsplanung angestrebt.
Die Koalition wird die vom Senat im Jahr 2001 dem
Abgeordnetenhaus von Berlin vorgelegte ”Konzeption zum Ausbau der
Fachhochschulen” mit einer Erweiterung des Ausbildungsspektrums auf weitere
Berufsfelder auf ihre Umsetzbarkeit prüfen und entsprechende Schritte zur
Umsetzung einleiten. Dazu zählen insbesondere die verbesserte Kooperation der
Einrichtungen, die Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen Fachhochschule und
Universität, die Durchsetzung der Zugangsmöglichkeiten zur Promotion für
FH-Absolventinnen sowie die Prüfung der Verlagerung von universitären
Studiengängen und Kapazitäten an die Fachhochschulen.
Die Umwandlung der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege
in eine geöffnete Hochschule werden wir zügig umsetzen.
Den Fachhochschulen wird die Möglichkeit eingeräumt, durch
Ansparung von eigenen Mitteln ihre flächenbezogenen Studienplatzkapazitäten zu
erweitern und das bauliche Potenzial der Hochschulstandorte in einem sinnvollen
Ausmaß auszunutzen.
Novellierung des Berufsakademiegesetzes
Die Berufsakademie ist eine etablierte Einrichtung des
tertiären Bildungssektors in Berlin. Der Nachfrageüberhang an Studienbewerbern
ist hierfür ein unübersehbares Zeichen. Die Koalition wird daher in
Verhandlungen mit der Berliner Wirtschaft versuchen, diese zu einer
Finanzierung zusätzlicher Studienplätze zu bewegen.
Das Berufsakademiegesetz wird in der kommenden
Legislaturperiode novelliert. Die Koalition wird in Verhandlungen mit der
Berliner Wirtschaft versuchen, diese für eine Finanzierung zusätzlicher
Studienplätze zu gewinnen. In Kooperation mit der Berliner Wirtschaft soll die
BA in eine privatrechtliche Rechtsform umgewandelt werden.
Reform der Lehrerinnen- und Lehrerbildung
Zur Verbesserung der Qualität der LehrerInnenbildung an den
Hochschulen und vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs der Berliner Schule
wird eine Ausbildungsreform durchgeführt, die eine Veränderung der Studiengangsstruktur
durch Einführung von modularisierten und mit Credit Points versehenen
Studienangeboten sowie durch Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen zum
Ziel hat. Eine organisatorisch gesicherte Abstimmung mit den nachfolgenden Aus-
und Fortbildungsphasen muss gesichert werden. Die Bedeutung der
LehrerInnenbildung an den Universitäten ist durch Zielvereinbarungen im Rahmen
der Hochschulverträge zu sichern.
Das erste Staatsexamen wird mit einer wissenschaftlichen
Hochschulabschlussprüfung gleichgesetzt. Das Landesprüfungsamt ist auf eine
Notariatsfunktion zu reduzieren.
Zukunftsfähige Strukturen für das Studentenwerk
Die Koalition wird das Studentenwerk reformieren. Dabei ist
die Beteiligung der Studierenden deutlich zu stärken, was sich in den
Selbstverwaltungsgremien widerspiegeln muss.
Nach der einmaligen Absenkung im Haushaltsjahr 2001 ist die
Finanzierung zur Erfüllung seiner notwendigen Aufgaben sicherzustellen.
Studentisches Wohnen
Die Koalition hält an der Zielsetzung fest, Berliner
Studierenden das Wohnen in Studentenwohnheimen in angemessenem Umfang zu
ermöglichen. Darüber hinaus werden Bemühungen unterstützt, preiswerten
studentischen Wohnraum bei Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften
anzubieten. Im Rahmen der Förderung der Internationalität der Hochschulen soll
vor allem ein ausreichendes Angebot an kostengünstigen Wohnheimplätzen für
ausländische Studierende an geeigneten Standorten vorgehalten werden. Die
Koalition wird sich dafür einsetzen, dass beim Verkauf des Studentendorfes
Schlachtensee studentisches Wohnen erhalten bleibt.
Chancengleichheit und Gender-Mainstreaming in Hochschule und
Wissenschaft
Die Koalitionspartner setzen sich für die Herstellung von
Chancengleichheit und der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen im
Wissenschafts- und Forschungsbereich ein.
Die Berliner Hochschullandschaft muss sich an dem von Bund
und Ländern formulierten Ziel messen lassen, in den nächsten fünf Jahren den
Frauenanteil an Professuren deutlich zu erhöhen. Grundlage dafür ist das
Kaskadenmodell.
Bei der Vergabe von Juniorprofessuren ist entsprechend der
Vereinbarung in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und
Forschungsförderung (BLK) ein Frauenanteil von 40% anzustreben.
Die in den Verträgen mit den Hochschulen gesetzten
gleichstellungsorientierten Ziele und Leistungsanreize werden weiterentwickelt,
um neben quantitativen Kriterien auch qualitative Fortschritte in der
Chancengleichheit zu berücksichtigen. Der Anteil der leistungsorientierten
Mittelvergabe im Bereich “Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre”
soll von 5% auf 10% erhöht werden.
Frauenförderung, Chancengleichheit und Belange von Frauen
werden in der Hochschulentwicklungsplanung und im novellierten Hochschulgesetz weiterhin
explizit berücksichtigt.
Die Berliner Hochschulen werden aufgefordert, im Rahmen der
Modularisierung von Studiengängen Frauen- und Geschlechterforschung als
selbstständigen Bestandteil in die verschiedenen Bereiche der Wissenschaft zu
integrieren und die Frauen- und Geschlechterforschungseinrichtungen der
Berliner Hochschulen weiterzuentwickeln.
Das erfolgreiche Berliner Programm zur Förderung von Frauen
in Forschung und Lehre ist weiterzuführen. Bei der Vergabe der Stipendien nach
dem Nachwuchsfördergesetz (NaFöG) und aus Fördermitteln für die Berlinforschung
ist der gleichberechtigte Anteil von Frauen zu sichern.
Internationale Frauenuniversitäten sind Reformprojekte in
der Hochschullandschaft und leisten einen aktiven Part zur Karriereförderung
von Frauen. Die Koalitionsparteien werden Initiativen von Hochschulen zur
Einrichtung einer - ohne Landesmittel finanzierten - internationalen
(virtuellen) Frauenuniversität in Berlin unterstützen. Die Zusammenarbeit mit
Hochschulen anderer Bundesländer in einem Konsortium ist anzustreben.
Die Koalitionspartner werden Anstrengungen unternehmen, um
eine Gender mainstreaming-Strategie sowohl für die Hochschulen und
Forschungseinrichtungen als auch für die zuständige Senatsverwaltung
umzusetzen.
Reform des Dienst- und Tarifrechts in Berlin umsetzen
Die Arbeitsbedingungen und Qualifikationsmöglichkeiten der
Beschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen werden sich vor dem
Hintergrund der Dienstrechtsreform auf Bundesebene deutlich verändern. Die
Koalition will diesen Prozess im Sinne zukunftsfähiger Beschäftigungsstrukturen
befördern. In diesem Zusammenhang werden die Ausschöpfung von Lehrkapazitäten
an Fachhochschulen und die Erhöhung der Lehrverpflichtung für
HochschullehrerInnen und den unbefristeten Mittelbau überprüft. Dabei wird die
Kapazitätserweiterung und entsprechende Konsequenzen für Numerus Clausus-Klagen
mitberücksichtigt.
Es wird angestrebt, bei der Novellierung des Berliner
Hochschulgesetzes eine Erhöhung der Zahl der Semesterwochen vorzunehmen, um
eine bessere Betreuung der Studierenden und verläßliche Prüfungszeiträume zu
gewährleisten.
Die Koalition wird die Einführung eines
Wissenschaftstarifvertrages für die Hochschulen und außeruniversitären
Forschungseinrichtungen und entsprechende Initiativen auf Bundesebene
unterstützen.
Zusammenarbeit in der Wissenschaftsregion Berlin-Brandenburg
Die Koalition strebt eine intensive Zusammenarbeit der
wissenschaftlichen Einrichtungen in der Region Berlin-Brandenburg an. Die
Leistungsfähigkeit der Region bei bundesweiten Wettbewerben soll erhöht werden.
Im Hinblick auf die angestrebte Länderfusion soll eine gemeinsame
Hochschulentwicklungsplanung vorbereitet werden.
Innovationsfähigkeit in Berlin und in der Region befördern
Die Forschungslandschaft in Berlin lebt von ihrer Exzellenz
und Vielfältigkeit und einer effektiven Verzahnung zwischen anwendungs- und
grundlagenorientierter Forschung in Technik, Naturwissenschaften, Medizin sowie
Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Die Sozial- und Geisteswissenschaften
sind unverzichtbarer Bestandteil für die Entwicklung einer Gesellschaft, um mit
den Herausforderungen einer sich schnell wandelnden Welt umzugehen.
Zur Steigerung der Innovationskraft von Wissenschaft und
Wirtschaft sollen zukunftsfähige Forschungsthemen gebündelt und Leitthemen
identifiziert werden, Spitzenforschung - auch im internationalen Vergleich -
durch günstige Rahmenbedingungen und die Zusammenarbeit von Hochschulen,
Forschungseinrichtungen, Unternehmen und gesellschaftlichen Einrichtungen in
diesem wichtigen Handlungsgebiet vorangebracht werden. Die staatliche
Forschungsförderung wird auf zukunftsorientierte Forschungsfelder konzentriert,
die Technikbewertung wird im Rahmen der vorhandenen Mittel ausgebaut.
Insbesondere die politischen und wirtschaftlichen Chancen
der EU-Osterweiterung kann Berlin unter Nutzung seines Standortvorteils
wahrnehmen, wenn die Wissenschaftseinrichtungen in die Lage versetzt werden,
ihre Kooperation mit Osteuropa gezielt auszubauen und dafür europäische
Förderprogramme zu nutzen.
Im Jahr 2002 ist ein ressortübergreifender Bericht zur
Weiterentwicklung und Förderung von Forschung und Technologie in Berlin
(Landesinnovationsbericht) vorzulegen. Dieser soll mit dem Bund als Mitträger vieler
Forschungseinrichtungen und dem Land Brandenburg abgestimmt werden. Er soll das
Zusammenwirken von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen in
technologischen Schwerpunktfeldern behandeln, zur gemeinsamen Formulierung von
Leitfragen und Modellprojekten beitragen und damit die Wettbewerbsfähigkeit
Berlins in diesen Feldern sichern und verbessern. Damit hat das
Abgeordnetenhaus Einfluss auf die Zielkontrolle der für Innovationspolitik vom
Land bereitgestellten Mittel.
Die Wissenschaftsstandorte Adlershof und Buch stehen
beispielhaft für die erfolgreiche Strategie, in Berlin vorhandene
Spitzenforschung zum Mittelpunkt auch wirtschaftlicher Kompetenzfelder zu
machen. Das Entwicklungsmanagement solcher Standorte wird daher gestärkt.
Ausgründungen aus wissenschaftlichen Einrichtungen werden
unterstützt, u.a. indem eine Doppelfunktion von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern in ihren Institutionen und einem Start-up-Unternehmen
erleichtert wird. Die wirtschaftliche Verwertung von Forschungsergebnissen wird
verbessert, vor allem im Rahmen der Patentverwertungsagentur. Die Hochschulen
und außeruniversitären Forschungseinrichtungen können sich bei Ausgründungen
wie Wirtschaftsunternehmen engagieren.
Stabilität in Bund-Länder-Vereinbarungen
Die hervorragend ausgestatteten und bisher allein von Berlin
finanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen
Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ)
Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB)
sollen in eine Bund-Länder-Finanzierung überführt werden.
Der Museumsteil des Deutschen Naturkundemuseums soll in die
Bundesfinanzierung überführt werden.
Das Institut für Angewandte Chemie (ACA) und das
Heinrich-Hertz-Institut (HHI) werden sobald als möglich in die
Fraunhofer-Gesellschaft überführt. Die Grundsatzentscheidung über den
Linearbeschleuniger Bessy II wird noch in dieser Legislaturperiode vorbereitet.
Die Zuschüsse an Bund/Länder-finanzierte
Forschungseinrichtungen werden analog zu Leistungsverträgen abgesichert.
Die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern im
Hochschulbereich sind wichtige Eckpfeiler der Wissenschaftsförderung in Berlin.
Die Koalition wird auf Bundesebene für die Erhaltung dieser
Finanzierungsstruktur eintreten. Über die Anmeldungen des Landes zur Gemeinschaftsaufgabe
Hochschulbau sowie über die Entscheidungen im Planungsausschuss wird das
Parlament künftig rechtzeitig vorab informiert.
23. Kulturstadt Berlin
Die Vielfalt Berliner Kultur, das Neben- und Miteinander von
Hoch- und Off-Kultur, von überregional bedeutsamen Einrichtungen und
Ereignissen sowie einer entwickelten Stadtteilkultur, ist eine der wesentlichen
Zukunftsressourcen der Metropole. Vor allem als Kulturmetropole hat Berlin
internationale Ausstrahlung und Lebensqualität.
Berlin ist ein Ort für den Dialog der Kulturen. Als
Ost-West-Stadt und als Stadt mit einem hohen Anteil von Berlinerinnen und Berlinern
nichtdeutscher Herkunft ist die Hauptstadt prädestiniert, kulturelle Brücken in
Deutschland, Europa und darüber hinaus zu schlagen. Angesichts der
EU-Osterweiterung und der besonderen Traditionen Berlins kommt dem
Kulturaustausch mit Osteuropa besondere Bedeutung zu.
Berlin spiegelt wie keine andere deutsche Stadt die
Geschichte des Landes. Erinnern und Gedenken sind ein wesentlicher Teil der
Berliner Kultur und Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Der
Erhalt des Weltkulturerbes und der Zeugnisse deutscher Geschichte in Berlin ist
eine gesamtstaatliche Aufgabe.
Die Vielfalt des wiedererstandenen jüdischen Lebens ist
Bereicherung und Verpflichtung für Berlin.
Berlin ist ein Ort des Neuen. Berliner Kulturpolitik muss
aktuelle künstlerische und kulturelle Entwicklungen ermutigen und ermöglichen.
Berlin braucht einen neuen Dialog zwischen Kultur und Politik, braucht
kooperative Kulturpolitik.
Es ist das Ziel der Berliner Kulturpolitik, Berlin als
internationale Kulturmetropole zu stärken, Hauptstadtfunktion und kommunales
Selbstverständnis Berlins neu zu bestimmen, die Vielfalt und Substanz Berliner
Kultur auch in Zeiten strikter Haushaltskonsolidierung zu erhalten und die
Bedingungen für die Erprobung neuer Ideen zu gewährleisten.
Die Berliner Kulturinstitutionen sind historisch gewachsen,
sie übernehmen sowohl gesamtstaatliche als auch Aufgaben, die von den
kommunalen und Landesaufgaben Berlins zu unterscheiden sind. Berlin wird anhand
dieser Struktur mit dem Bund und den Ländern aktiv den Dialog über die
Finanzierung der kulturellen Hauptstadtaufgaben und die gesamtstaatlichen
Kulturaufgaben des Bundes führen. Der Senat wird sich für die Einbeziehung ganz
Berlins in das Bundesprogramm kulturelle Infrastruktur der neuen Länder
einsetzen.
Die Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz prägen in
einzigartiger Weise das kulturelle Bild der Bundesrepublik Deutschland. In
Würdigung der gesamtstaatlichen Bedeutung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
wird Berlin zwar den Verpflichtungen aus dem Finanzierungsabkommen mit dem Bund
und den Ländern zu den Betriebskosten nachkommen, die Übernahme der Baukosten
überfordert aber die Möglichkeiten des Landes.
In Verhandlungen mit dem Bund soll erreicht werden, dass
dieser die Baukosten für die Museumsinsel und die Staatsbibliothek unter den
Linden allein übernimmt.
Auch bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten wird
Berlin sein finanzielles Engagement über 2004 bis zur Trägerschaft durch das
gemeinsame Bundesland Berlin-Brandenburg fortsetzen. Eine Übertragung von
Schloss und Park Niederschönhausen an die Stiftung ist zu prüfen.
Zur Sicherung und Entwicklung der kommunalen und
Landeskulturaufgaben wird in Kooperation mit dem Rat für die Künste, den Kulturinstitutionen
und Fachverbänden ein Kulturkonzept entwickelt, in dem die städtischen
Kulturaufgaben und infrastrukturellen Rahmenbedingungen beschrieben werden.
Die Entwicklung der kommunalen Kulturarbeit in den Bezirken
ist auch eine gesamtstädtische Aufgabe. Ihre Planung und Umsetzung
erfolgt eigenständig in den Bezirken. Der polyzentrale Charakter Berlins, die
Vielfalt soziokultureller Milieus und die Notwendigkeit eines Zugangs zu Kultur
und Wissen für alle benötigen qualifizierte lokale Kulturangebote. Der
Senatsfonds für bezirkliche Kulturarbeit wird bei Wahrung der Autonomie der
Bezirke beibehalten und im Laufe der Legislaturperiode durch Umschichtung
innerhalb des Kulturetats erhöht.
2. Internationale Stadt
Berlin braucht den interkulturellen Dialog durch
kontinuierlichen Kulturaustausch mit europäischen und außereuropäischen Ländern
ebenso wie die kulturelle Aktivität der Berlinerinnen und Berliner
nichtdeutscher Herkunft, die ihre Traditionen pflegen bzw. sich als
Künstlerinnen und Künstler am zeitgenössischen kulturellen Dialog beteiligen.
Das Programm zur Förderung der kulturellen Aktivitäten der Berlinerinnen und
Berliner nichtdeutscher Herkunft ist fortzuführen und weiterzuentwickeln.
Besondere Aufmerksamkeit soll der Thematisierung kultureller
Grenzüberschreitungen, der Suche nach dem eigenen Ort in bzw. zwischen mehreren
Kulturen gelten. Dabei kommt dem Karneval der Kulturen besondere Bedeutung zu.
Interkultureller Dialog und die Verständigung über die
Universalität der Menschenrechte gehören zusammen.
Im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung fällt Berlin
angesichts seiner geografischen Lage, seiner historischen Entwicklung und der
Menschen, die in dieser Stadt leben, die besondere Aufgabe zu, die Kulturen
Osteuropas ins Bewusstsein zu rücken und den Kulturaustausch zwischen Ost und
West zu fördern.
Internationale Kulturmetropole heißt auch, dass sich die
Kultureinrichtungen mit ihrem Angebot verstärkt auf ein internationales
Publikum einstellen und ihre internationale Vernetzung insbesondere nach
Osteuropa weiterentwickeln. Internationale Koproduktionen sollen den
herkömmlichen Kulturaustausch ergänzen und neue Möglichkeiten der europäischen
Zusammenarbeit und darüber hinaus eröffnen.
3. Geschichtskultur
Berlin ist Kristallisationspunkt deutscher Geschichte. Die
Erinnerung an die NS-Gewaltherrschaft und ihre Verbrechen, den Zweiten
Weltkrieg, die deutsche Teilung und ihre Folgen, an die SED-Diktatur und deren
demokratische Überwinung durch die Ostdeutschen nimmt die Koalitionsparteien in
die Verantwortung, Orte des Gedenkens und der Auseinandersetzung mit unserer
Geschichte zu schaffen und zu erhalten.
Die Aufarbeitung der deutschen Teilung, der Spaltung der
Stadt und der Folgen der jahrzehntelang getrennten Entwicklung sowie die
gemeinsame Verständigung über den gesellschaftlichen Wandel seit 1989/90
leisten einen wichtigen Beitrag zur inneren Einheit der Stadt.
Es ist vorgesehen, folgende Projekte zu verwirklichen:
· Die
Koalition begrüßt die Realisierung des Denkmals für die ermordeten Juden
Europas. Parallel zu seiner Errichtung sollen die Denkmäler für Sinti und Roma
sowie für die Homosexuellen im Tiergarten entstehen.
· Das
Dokumentationszentrum der Stiftung Topographie des Terrors wird zügig im mit
dem Bund vereinbarten Kostenrahmen weitergebaut und fertiggestellt.
· Die
Koalition unterstützt die Pläne zur Errichtung einer Gedenk-, Informations- und
Dokumentationsstätte zur Zwangsarbeit in NS-Deutschland in Niederschöneweide.
· Die
Arbeit der Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen ist auf einer stabilen
finanziellen Grundlage zu sichern.
· Die
Gesamtkonzeption zum Umgang mit den Mauerresten und ehemaligen Grenzanlagen ist
weiter zu entwickeln und umzusetzen.
· Die
Arbeitsfähigkeit des Dokumentationszentrums Berliner Mauer in der Bernauer
Straße ist dauerhaft zu sichern.
Die Koalition will das geplante Denkmal für Rosa Luxemburg
nach einem künstlerischen Wettbewerb auf dem gleichnamigen Platz in Mitte
realisieren.
In Berlin ist es auf prägnante Weise möglich, Geschichte im
Alltag der Stadt erfahrbar zu machen. Die Koalition wird Projekte, die im
Stadtraum historische Spuren markieren, Informationen geben bzw. künstlerische
Sinnbezüge herstellen, auch künftig unterstützen.
Demokratisches Engagement braucht historische Orientierung.
Gedenkstätten und Projekte im Stadtraum sollen es daher insbesondere Kindern
und Jugendlichen mehr als bisher ermöglichen, sich mit der Geschichte Berlins
auseinander zu setzten.
In Verhandlungen mit dem Bund ist die Funktionsfähigkeit der
Gedenkstätten, soweit sie von
gesamtstaatlicher Bedeutung sind, zu sichern.
Kinder und Jugendliche sind die Akteure und das Publikum von
morgen. Sie müssen die Chance haben, die Vielfalt der Kulturen in Berlin kennen
zu lernen und ihre eigene künstlerische Kreativität unabhängig von der sozialen
Lage der Eltern zu entwickeln.
Die Berliner Kultureinrichtungen tragen dazu bei, dass
Kinder und Jugendliche lernen, sich zu behaupten, sich diese Gesellschaft und
ihre Kulturen als ihre eigene anzueignen, Konflikte produktiv durchzustehen und
eigene Identität zu entwickeln. Insbesondere die großen Museen, Orchester und
Theater sollten sich stärker um Angebote für Kinder und Jugendliche bemühen.
Der Museumspädagogische Dienst soll unter Einbeziehung des
Theaterpädagogischen Dienstes zu einem Kulturpädagogischen Dienst entwickelt
werden.
Die beste Form der Aneignung von Kunst und Kultur ist ihre
Ausübung. Die Grundlagen dafür werden in den Musikschulen, Jugendkunstschulen,
kulturellen Kinder- und Jugendprojekten der freien Träger und durch die Arbeit
der öffentlichen Bibliotheken und Literaturinstitutionen, vor allem in den
Bezirken, gelegt.
Die vorhandenen Potenziale der Stadt im Bereich der Kinder-
und Jugendkultur, einschließlich der freien Szene, sind ressortübergreifend
besser zu vernetzen und stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Die
Kulturverwaltung sollte hierfür eine koordinierende Funktion übernehmen.
Zur Umsetzung notwendiger Strukturentscheidungen, zur
Erhöhung von Planungssicherheit und Eigenverantwortung strebt die Koalition
die Einführung mittelfristiger Rahmenvereinbarungen mit den städtischen
Kultureinrichtungen an.
Für die Zukunftssicherung und Entwicklung der Berliner
Museen wird als gesonderter Bestandteil des Kulturkonzeptes ein Museumskonzept
erstellt.
Die Koalition hält es für erforderlich, die notwendigen
Strukturentscheidungen (unter anderem die Aufgabe verschiedener Dependancen)
innerhalb der Stiftung Stadtmuseum bald zu treffen, damit eine solide
Grundfinanzierung der Stiftung möglich wird. Ein angemessener Ausbau des
Märkischen Museums wird angestrebt.
Berlin wird sich nachdrücklich für einen angemessenen
Standort der Berlinischen Galerie als dem bedeutendsten Landesmuseum für
moderne und zeitgenössische Kunst einsetzen.
Bühnen
Um die vielfältige Berliner Bühnenlandschaft zu erhalten,
brauchen die Einrichtungen langfristige Planungssicherheit. Dazu sind wirksame
Strukturreformen erforderlich.
Ziel der inhaltlichen und organisatorischen Maßnahmen sind
sowohl die Sicherung und Weiterentwicklung der künstlerischen Qualität und der
Profile der Einrichtungen, die Erhöhung der Zuschauerakzeptanz als auch die
Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz der derzeit nach § 26 LHO geführten,
der landeseigenen sowie mit der mit Landesmitteln geförderten Bühnen, um
langfristig ausgeglichene Betriebsergebnisse unter Einhaltung der vereinbarten
Zuschüsse zu erreichen.
Unter Berücksichtigung der Spezifik der einzelnen
Einrichtungen ist zu prüfen, in welcher Rechtsform diese Zielsetzungen
nachhaltig erreicht werden können. Leitbild ist dabei, die künstlerische und
wirtschaftliche Eigenständigkeit und Leistungsfähigkeit der Bühnen in eigener
Rechtspersönlichkeit zukunftsfähig zu gestalten. Letzteres ist die
Voraussetzung für den Abschluss mehrjähriger Rahmenverträge, die den
verantwortlichen Leitungen der Bühnen Planungssicherheit, mehr Selbständigkeit
und Flexibilität geben und anhand leistungsorientierter Kriterien und
Vereinbarungen Anreiz- und Steuerungsmöglichkeiten eröffnen.
Einnahmesteigerungen verbleiben in voller Höhe bei den Bühnen.
Bei der Entwicklung eines Systems mehrjähriger Verträge sind
externer Sachverstand und ein bühnenspezifisches Controlling erforderlich.
Die dauerhafte finanzielle Sicherung
der Berliner Bühnen und Orchester und die Erhöhung ihrer künstlerischen
Flexibilität erfordert eine Reform der Tarifvertragsstrukturen für die
Einrichtungen im künstlerischen und nichtkünstlerischen Bereich. Dazu ist
gemeinsam mit den Gewerkschaften und dem Deutschen Bühnenverein ein “Berliner
Modell” zu entwickeln, das die Tarifverträge auf die bühnenspezifischen,
wirtschaftlichen und künstlerischen Notwendigkeiten ausrichtet und bestehende
Regelungen vereinheitlicht. Sollte dies nicht gelingen, ist Berlin auch bereit,
aus dem Deutschen Bühnenverein auszutreten.
Zur Umsetzung einzelner Strukturmaßnahmen wird den Bühnen
ein Bühnenstrukturfonds zur Verfügung gestellt.
Die Werkstätten der Landesbühnen sind unter Beibehaltung
ihrer Bühnennähe hinsichtlich einer Konzentration von Potentialen und der
Verbesserung ihrer Kooperation zu überprüfen.
Weitere Verbundlösungen im nichtkünstlerischen Bereich sind
zu prüfen. Dem Marketing-Bereich ist dabei besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Die drei Opernhäuser haben eine wirksame und nachhaltige Spielplanabstimmung
zu gewährleisten, die ein international konkurrenzfähiges Opernangebot,
deutlich unterscheidbare künstlerische Profile und unverwechselbare
Programmkonturen sicherstellt. Zur Förderung des Nachwuchses und der
zeitgenössischen Oper werden Kooperationsmodelle mit der freien Szene
unterstützt.
Die Stärkung der Ballette innerhalb der Häuser ist über
Zielvereinbarungen mit den Leitungen der Opernbühnen sicherzustellen. Damit
wird die Erwartung verbunden, dass die Opernhäuser untereinander Kooperationsmöglichkeiten
nutzen und das Berliner Ballettangebot international konkurrenzfähig gestalten.
Das carrousel-Theater wird als Landesbühne für Kinder- und
Jugendtheater Berlins erhalten und in seiner Arbeitsfähigkeit gestärkt.
Der bauliche Zustand der derzeit nach § 26 LHO geführten
Bühnen im Musik- und Sprechtheaterbereich ist Besorgnis erregend und gefährdet
zunehmend die Arbeitsfähigkeit der Häuser. Die notwendige Sanierung der
Komischen Oper soll deshalb im Zuge der Randbebauung der Glinkastraße im Wege
eines privaten Investorenmodells realisiert werden.
Die großen und bis Ende 2003 mit
fünfjährigen Zuwendungsverträgen versehenen Bühnen - Friedrichstadtpalast,
Schaubühne, Berliner Ensemble, Hebbeltheater, Gripstheater - sind ein wichtiger
Bestandteil der Berliner Theaterlandschaft, der zu erhalten und weiter zu
entwickeln ist. Deshalb gilt trotz schwieriger Finanzsituation, dass bestehende
vertragliche Verpflichtungen bei diesen Häusern vom Land Berlin eingehalten
werden. Für den Zeitraum 2004 bis 2008 ist nach einem Evaluierungsverfahren der
Abschluss von weiteren Zuwendungsverträgen vorzunehmen, wenn damit in der
Gesamtheit eine degressive Gestaltung des Zuschusses erreicht wird. Die
Finanzierung des Schlossparktheaters und des Hansatheaters wird ab 2003
eingestellt. Die frei werdenden Mittel verbleiben im Kulturetat.
Bibliotheken gehören zu den meistfrequentierten
Kultureinrichtungen Berlins. Als Orte der Vermittlung traditioneller Buch- und Lesekultur,
vielfältiger Medienkompetenz und des freien Zugangs zu Informationen gehören
Bibliotheken zum Grundbestand einer demokratischen Stadtgesellschaft.
Mit der Umwandlung der Zentral- und Landesbibliothek Berlin
(ZLB) in eine Stiftung wurden die Voraussetzungen für eine langfristig gesicherte Entwicklung des
Berliner Bibliothekswesens, für größtmögliche Eigenständigkeit und die
Flexibilität in der Haushalts- und Personalführung geschaffen. Maßnahmen zur Sicherung des Bestandes müssen unverzüglich beginnen.
Die Vernetzung der Öffentlichen Bibliotheken Berlins zu
einem funktionierenden Verbund (VÖBB) und der Aufbau des Kooperativen
Bibliotheksverbundes Berlin-Brandenburg (KOBV) sind die Grundlage für
zukunftsfähige Strukturen. Der VÖBB wird durch die
Integration weiterer Bibliotheken ausgebaut und stabilisiert. Notwendige
Strukturmaßnahmen sollen nicht zu Lasten des Ankaufsetats gehen.
Kulturförderung und Kulturverwaltung reformieren
Das grundsätzliche Ziel der Kulturförderung ist es nicht, Besitzstände
zu wahren, sondern Raum und Platz zu geben, um auf neue Entwicklungen zu
reagieren bzw. sie anstoßen zu können.
Die nicht institutionalisierte künstlerische und kulturelle
Szene muss über die Schaffung besserer Rahmenbedingungen wieder zu einem
Schwerpunkt der Berliner Kulturpolitik werden. Dafür ist ein Konzept für eine
klare Struktur und die Weiterentwicklung der Förderinstrumente erforderlich.
Dabei müssen die veränderten Produktionsbedingungen in den einzelnen
Kunstsparten beachtet werden. Die Koalition beabsichtigt, in der
Legislaturperiode, für diese freie Kulturszene durch Umschichtung mehr Mittel
bereitzustellen, denn große Kunst wird nicht nur in den großen Häusern geboten.
Es geht um die Übersichtlichkeit der Förderstrukturen, die Transparenz
bei den Förderentscheidungen und die Entbürokratisierung der Verfahren. Es soll
geprüft werden, inwieweit Mittel zur Verfügung gestellt werden können, um
Sparten übergreifende und interdisziplinäre Projekte verstärkt zu fördern.
Weitere Ziele sind die Schaffung von Planungssicherheit, die Sicherung und
Stärkung der Infrastruktur von Ateliers, Arbeitsräumen, Werkstätten,
Probenräumen, Ausstellungs- und Aufführungsorten, sowie die Erschließung von
Kooperationsmöglichkeiten zwischen institutionell geförderten Einrichtungen und
freien Aktivitäten.
Die soziale Lage der im Kulturbereich Beschäftigten stellt
sich in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich dar. Die Koalition
wird darauf drängen, hier zu einem stärkeren Ausgleich zu kommen.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist in allen
kulturellen Belangen zu berücksichtigen. Das Programm zur Förderung von
Künstlerinnen ist zu erhalten und weiter zu entwickeln.
Die Sicherung und zukunftsfähige Entwicklung der Berliner
Kultur setzt die Kommunikation und Kooperation zwischen den Kultureinrichtungen
ebenso voraus, wie eine Verwaltung, die die notwendigen Maßnahmen und Prozesse
in ihrem Verantwortungsbereich kooperativ moderiert, wo nötig administriert und
sich dabei zugleich auf wesentliche Steuerungsaufgaben konzentriert.
Für die Dauer der Legislaturperiode bleibt der Kulturplafond
in der bisherigen Höhe, abgesenkt um die entfallenden Zuschüsse für das Theater
des Westens sowie weitere 8 Mio. Euro strukturelle Einsparungen, erhalten.
Soweit der Bund bisher aus Landesmitteln finanzierte Kulturaufgaben übernimmt,
soll zumindest ein Teil der frei werdenden Mittel insbesondere für
Investitionsmaßnahmen im Kulturbereich eingesetzt werden.